»Abba, Vater«, sagte er, »alles ist dir möglich. Lass diesen Kelch an mir vorübergehen! Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.«
Markus 14,32-36
So angstvoll hatten die Jünger ihren Jesus - den Herrn - tatsächlich noch nie erlebt. Kennst du solche Momente, wo das, was dir Angst macht, unausweichlich scheint.
Wo du nicht weißt, wie du dir helfen kannst und trotzdem weitermachen musst. Die Stunde vor einer schwierigen Operation etwa kann so ein Moment sein:
'Warum kann ich jetzt nicht einfach nach Hause gehen?'
Abhauen - alles liegen und stehen lassen ...In so einem Moment steckt auch dieser Jesus. Und drei seiner Jünger bittet er darum, ihm jetzt einfach nur nahe zu sein.
Die drei, die bei ihm sind, können ihm nicht die Lösung seines Problems bieten, das weiß er. Aber dass sie da waren, dass bedeutete schon Erleichterung für ihn. Jesus versteckt seine Angst nicht. Wir schämen uns oft, solche Gefühle zu haben; uns ist das peinlich. Aber solange die Angst unausgesprochen bleibt, bleibt sie stark. Wenn wir das benennen und es aussprechen, was wir befürchten, dann verliert die Angst ihren Allmachtsanspruch. Wenn jemand davon hört, der uns wirklich versteht, ist ein Teil von ihr schon besiegt. Jesus und Gott haben ihre Angst nicht versteckt. Darum versteck deine auch nicht!
Hier in Gesethsemane bittet er seinen Vater, dass das alles nicht sein muss, was da nun auf ihn zukommt. Vielleicht hat das in diesem Moment alles keinen Sinn mehr für ihn gemacht.
'Vertrau mir!': Das rief auf den Bahamas ein Vater seinem Sohn zu, der in einem brennenden Haus eingeschlossen war. Das zweistöckige Haus hatte Feuer gefangen und das Feuer breitete sich mit rasender Geschwindigkeit aus. Die Familie – die Eltern mit einigen Kindern – konnten ins Freie flüchten. Doch der jüngste Sohn war so von Angst gepackt, dass er wieder umdrehte und die Treppe hoch lief. Als der Sohn jetzt an einem der Fenster stand und nach seinem Vater rief, rief der Vater von unten: 'Spring, vertrau mir, ich fang dich auf, spring!' Der Junge schrie: 'Aber ich kann dich nicht sehen.''Ich weiß', rief der Vater, 'aber ich kann dich sehen.'
Gebet ist mehr als eine sprachliche Handlung. Mehr als Pfeifen im Walde. Es ist das innige Vertrauen zu Gott in Jesus - der Dialog im Vertrauen - im stillen Kämmerlein! Vielleicht konnte Jesus seinen Vater nicht mehr sehen. Aber er rief ihn an in seiner Not, und der Vater sah ihn und war mit und bei ihm und gab ihm den Mut, das Leben loszulassen, das ihm die menschliche Hybris der Pharisäer und der römischen Militärbesatzer und eine johlende und kreischende Volksmasse kurzerhand nehmen wollten ...
Angst und Mut liegen manchmal ganz dicht beieinander. Wie dicht beieinander, das bringt Karle Braker in einer schönen Formulierung zum Ausdruck: 'Mut ist Furcht, die ihr Gebet gesprochen hat.'
Jesus konnte danach seinen Weg – trotz seiner Angst - weitergehen: Jesus verlangt nicht, erst genau zu wissen, wie sein Weg weitergehen würde und ob alles gut gehen würde. Er wollte nur eines: drauf vertrauen, dass er in Gottes Hand ist. 'Dein Wille geschehe' - 'So wie du willst..."– da überlässt sich Jesus ganz dem Willen Gottes.
Das bedeutet Kontrollverlust und das ist nur schwer zu akzeptieren. Denn unser Verstand ist ständig auf der Suche nach Lösungen - oft genug angstvoll suchend. Die Suche nach Lösungen steckt permanent in uns. Momente, in denen wir uns hilflos fühlen, machtlos, sind nur schwer zu ertragen. Da muss doch irgendwas möglich sein. Es gibt aber eine Alternative zu dieser oft verzweifelten Suche nach Lösungen:
Es ist der Mut, sich in Gottes Hände fallen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass er uns auffangen wird. Auch wenn wir nicht wissen, wo wir landen. Es ist wie bei einem Zirkusartisten: Bevor er aufgefangen werden kann, muss er loslassen.
Margot Käßmann hat in der wohl schwärzesten Stunde ihres Lebens, nach der alkoholisierten Fahrt am Steuer ihres Autos, bei der sie von der Polizei geschasst wurde und sie postwendend ihr Amt als Bischöfin freiwillig zur Verfügung stellte gesagt: "Ich weiß aus vorangegangenen Krisen: Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Für diese Glaubensüberzeugung bin ich auch heute dankbar."
An welcher Stelle deines Lebens solltest du also loslassen können, damit Gott dich mit seinen starken Händen auffangen kann?
Wenn der Sohn Gottes seinen göttlichen Vater fragt: 'Warum hast du mich verlassen?' - so ist das zunächst einmal eine paradoxe und pure - ja schon "gottverlassene" Angst ... Und er hat diese Angst überwunden. Jesus zeigt uns einen Weg auf und dieser Weg heißt Vertrauen: 'Dein Wille
geschehe, weil du mich nicht fallen lassen wirst, auch wenn ich dich jetzt nicht sehe.'
Und weil Jesus mit Gott das Maximum der Angst kennt, weil er sie durchlitten hat, weil er sie überwunden hat und auferweckt wurde von den Toten, kann unsere Angst zumindest beschwichtigt werden und hoffnungsvoll den Schein eines Lichts am Ende des finsteren gottverlassenen Tunnels wahrnehmen ...
Am Abend dieses ersten Tages der Woche nach Ostern, als die Jünger aus Furcht vor den Juden
die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
Die Jünger saßen eingeschlossen in ihrer Angst und sahen keine Zukunft mehr. Da tritt Jesus einfach in den Raum ihrer Angst hinein. Und in seiner Autorität spricht er ihnen zu, was sie so sehr brauchen: 'Friede sei mit euch!'
So geht es vielleicht auch dir: Dein Verstand sucht Lösungen, aber dein Herz braucht Ruhe! Jesus kommt in das Haus deiner Angst und reicht dir seine Hand, um dich ins Haus des Vertrauens zu führen, in das Vaterhaus Gottes.
Er bietet dir das an: Dich loszulassen in die Hände Gottes und die befreiende und beruhigende Wirkung seiner Worte zu erleben: Fürchte dich nicht!
Diese Predigt von Pastor Karsten Matussek aus Braunschweig habe ich nach meinen Schwerpunkten modifiziert ...
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Ich kann den Glauben an einen Sühneopfertod Jesu, der von Gottvater zur Versöhnung mit der Menschheit hier für Golgatha mit einer blutigen Kreuzigung geplant und durch Duldung mit durchgeführt und letztlich gutgeheißen wurde, nicht teilen.Jesu Worte: "Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst," zeigen nichts weiter als das unbedingte Vertrauen Jesu zu seinem Vater in einer fast als intim zu bezeichnenden Herzenszwiesprache - aber sie sind kein Hinweis auf einen eventuell von langer Hand eingefädelten "Heilsplan" Gottes, etwa den eigenen Sohn für die Sünden der Menschheit zur "Wiedergutmachung" am Kreuz zu opfern ...
Das war dann doch wohl eher eine theologische Verirrung des Paulus von Tarsus und seinen Getreuen in den Urgemeinden, die dann in seinen Briefen und in den oft zeitlich nach ihm verfassten Passagen der Evangelien durch die entsprechenden theologisch-politisch vereinnahmten Redakteure in den Auseinandersetzungen untereinander zwischen Judenchristen, Heidenchristen und Gnostikern sowohl aus den ihnen vorliegenden Urkunden, Erzählungen und Überlieferungen schöpften, aber auch mit deutlich festgelegten theologischen Ambitionen in ihren Berichten mit einer Art eindeutig nuancierten "Kampfschrift"-Passagen und deutlich manipulierten Pamphleten agierten ... - die dann - ca. 300 - 400 Jahre später in der Kirche von Rom - auch wieder je nach jeweiligem theologisch-poltischem Gusto dogmatisiert wurden ...
Der so skizzierte planende und Jesus-über-die-Klinge-springen-Lassende Gott ist wahrscheinlich das Hirngespinst einiger frustierter, dem Zölibat unterliegender kirchlicher Würdenträger - aber haben mit der Wesenhaftigkeit dieses tatsächlichen Gottes wenig gemein - der einzig und allein die Liebe ist - zu der ich vertrauensvoll in Beziehung stehen kann - im Leben und über den Tod hinaus ...