Die Installation von Anish Kapoor 2011 in Mailand - hier mit dem Titel: "Dirty Corner" (Bild: Fabricca del Vapore / Anish Kapoor) |
Der Name machts ...
Die Kapoor-Installation "Vagina der Königin" im Schlosspark von Versailles
Da hat der Künstler Anish Kapoor bereits 2011 in Mailand seine Riesen-Skulptur "Dirty Corner" installiert, in der Halle, der sogenannten "Kathedrale", der "Fabricca del Vapore", einer zu einem Kulturzentrum umgebauten ehemaligen Fabrik für Eisenbahn-Ersatzteile.
Und das haben sich die Besucher damals brav und ohne Protest angeschaut und waren sicherlich beeindruckt von den riesigen Stahlmassen von 8.9 × 6.55 × 60 m ...
Diese trompetenförmige Stahlskulptur konnte man sogar betreten und darin herumwandeln ... - ein tolles Werk - jedoch der etwas irritierende Titel von der "Schmutzigen Ecke" war sicherlich nicht eindeutig dort hineinzuinterpretieren - höchstens in die rötlich-schmuddelige Rostpatina, die das Monstrum angesetzt hatte ...
Doch nun hat ein Interview des Künstlers in der französischen Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“ eine heftige Protestwelle gegen diese riesige metallene Röhre ausgelöst: Denn darin bezeichnete Kapoor die Arbeit inmitten von 500 Tonnen Steinblöcken aus Belgien und teilweise mit Erde bedeckt - als „Vagina der Königin, die die Macht ergreift“.
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Aus der "Schmutzigen Ecke" wurde also in der Fantasie des Künstlers eine "Vagina der Königin" ...
Und natürlich löste dieser Titel und eine solche Umbenennung für diese Skulptur, die vor dem ehrwürdigen und geschichtsträchtigen Schloss von Versailles zu liegen kam, eine heftige Publikumsreaktion aus ...
Ich meine, wenn Kapoor die Installation "Vagina der Königin Erde" genannt hätte - als Metapher für die empfängliche und fruchtbar gebärende Mutter Erde, wäre vielleicht alles leichter für die Betrachter einzuordnen gewesen - und hätte auch sicherlich einen höheren moralischen und ethischen Wert ...
Niki de Saint Phalle, Hon 1966 (Stockholm, Schweden, Moderna Museet) |
Meines Wissens hat zum Beispiel eine ähnliche Skulptur von Niki de Saint Phalle bereits 1966 - also vor immerhin fast einem halben Jahrhundert - keine derartigen Entrüstungen hervorgerufen. Sie schuf damals nämlich eine riesige, auf dem Rücken liegende Skulptur für das Moderna Museet in Stockholm, wo die Besucher durch die Vagina in das Innere steigen konnten ... Diese größte ihrer „Nana“-Figuren realisierte sie zusammen mit Jean Tinguely: „Hon − en katedral“ (zu deutsch: „Sie − eine Kathedrale“) nannten sie die 29 Meter lange, 6 Meter hohe und etwa 11 Meter breite liegende Plastik eines Frauenkörpers, der eben durch die Vagina erkundbar war. Diese „Nana“ beherbergte in ihrem Innern unter anderem ein Kino, eine Liebesnische im Bein, eine Milchbar in der Brust und eine mechanische Gebärmutter im Bauch. Dies war auch Nikis ironischer Kommentar zum tradierten Idealbild der Frau. Zu dieser Installation kamen in der 40 Tage andauernden Präsentation (4. Juni bis 9. September 1966) 80.000 Besucher ...
Es scheint also der Name "Vagina der Königin"zu sein, mit dem sich der Bildhauer Anish Kapoor in Versailles bei Paris nun aber derben Ärger einhandelt. Und der Protest reicht bis zu Boykott-Aufrufen, Petitionen und patriotische Wut ...
Mit solch heftigen Reaktionen auf seine Ausstellung am Schloss von Versailles hat Anish Kapoor vielleicht nicht in dieser Heftigkeit gerechnet, doch diese spektakuläre Umbenennung hat sicherlich auch ein wenig Kalkül, denn nun bekommt der Künstler Schlagzeilen in aller Welt - im Grunde ein probates Mittel, seine Kunst an die Frau/den Mann zu bringen bzw. weitere Galerien und Ausstellungsmacher auf sich aufmerksam zu machen. Er habe zwar Protest erwartet, jedoch nicht in diesem Ausmaß, erklärte der 61 Jahre alte indisch-britische Bildhauer vor der Eröffnung seiner Ausstellung im Schlossgarten von Versailles.
Die "Vagina der Königin" ist eines der sechs monumentalen Werke Kapoors, die von Dienstag an (9.6.) bis zum 1. November in Versailles zu sehen sein sollen.
Jeder dürfe darin in dem gediegenen Stahlrohr sehen, was er wolle, reagierte Kapoor auf den Protest. Polemiken auszulösen, gehöre wohl zur Arbeit eines Künstlers dazu, rechtfertigte sich der 61-Jährige auf einer Pressekonferenz in Versailles, die vor der Eröffnung anberaumt worden war. Es sind Erklärungen, die den Zorn bislang kaum beschwichtigen konnten.
Die Vereinigung CitizenGo ruft in einer Online-Petition dazu auf, die Skulpturen des Künstlers abzubauen: Sie entstellten mit ihrem "sexuellen Charakter" den Ort Versailles. „Diese Installationen und vor allem ,Die Vagina der Königin' empören zahlreiche Franzosen und Liebhaber von Versailles, für die die kulturellen Werte Frankreichs, sein historisches Kulturerbe und die Würde der Frau von Bedeutung sind“, steht auf der Website. CitizenGo definiert sich als eine Vereinigung von Bürgern zur Verteidigung christlich-humanistischer Prinzipien.
"Diese Installationen und vor allem 'Die Vagina der Königin' empören zahlreiche Franzosen und Liebhaber von Versailles, für die die kulturellen Werte Frankreichs, sein historisches Kulturerbe und die Würde der Frau von Bedeutung sind", steht auf der Website. CitizenGo definiert sich als eine Vereinigung von Bürgern zur Verteidigung christlich-humanistischer Prinzipien.
Reaktionen rechter und patriotischer Blogs und Internetportale wie "oullins-patriote.com" ließen nicht lange auf sich warten. Begriffe wie "Schande" oder "Provokation" mehrten sich seitdem. Einige riefen sogar zum Boykott der Ausstellung auf.
Kapoor spielt in seinen Arbeiten mit ganz unterschiedlichen Materialien und Bezügen. Anspielungen auf den über 300 Jahre alten Spiegelsaal von Versailles sind die Werke "C-Curve" und "Sky Mirror", in denen sich das Schloss und die Besucher verkehrt herum widerspiegeln.
Die Kunst-Kanone "Shooting Into The Corner", die schon in Berlin im Martin-Gropius-Bau vor zwei Jahren Wachs in eine Raumecke feuerte, steht in der Ballsporthalle Jeu de Paume, einem symbolträchtigen Ort.
Nach Lesart vieler Historiker begann hier 1789 die Souveränität des französischen Volkes. Der 20. Juni 1789, als es hier zum Ballhausschwur der Vertreter des Dritten Standes in den Generalständen kam, gilt manchen als wichtigeres Datum der Französischen Revolution als der Sturm auf die Bastille vom 14. Juli.
Kapoor ist aber nicht der erste Künstler, der mit Werken in Versailles die Gemüter bewegt. Der Amerikaner Jeff Koons löste mit seinen aufgeblasen wirkenden Figuren im Jahr 2008 in den Königlichen Appartements ebenfalls Proteste aus.
In der französischen Sonntagszeitung "JDD" sagte Kapoor, seine Skulpturen sollten das geometrische Gleichgewicht des Barockgartens von André Le Nôtre stören: "Ich wollte das Chaos einladen." Das scheint ihm ein bisschen gelungen zu sein.
Ob diese Skultur wohl auch auf der nächsten Documenta in Kassel 2017 zu begehen ist - vielleicht ja wieder unter einem anderen Titel ... ???
Ob diese Skultur wohl auch auf der nächsten Documenta in Kassel 2017 zu begehen ist - vielleicht ja wieder unter einem anderen Titel ... ???
Unter Verwendung von Textbausteinen und Fotomaterial aus "monopol" und dem "Handelsblatt"