Der Korbinians-Apfelbaum in Kassel mit Hinweisschild | Bildmaterial: Maximilian Beer | leipzig-almanach.de |
Korbinians-Apfelbaum wurde zu Kleinholz gemacht
Unbekannte haben aus einem documenta-Kunstwerk in Kassel Kleinholz gemacht: Sie zerstörten einen vom Jimmie Durham 2011 gepflanzten Apfelbaum. Der Baum sollte den Sieg des Lebens über den Naziterror symbolisieren.
Böse Überraschung kurz vor den Feiern zum 60-jährigen Bestehen der Kunstausstellung documenta in Kassel: Im Staatspark Karlsaue wurde eines der dauerhaften Außenkunstwerke zerstört - der Korbinians-Apfelbaum, den Künstler Jimmie Durham 2011 mit Documenta-Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev gepflanzt hatte.
Jimmie Durham und Documenta-Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev pflanzen das Bäumchen 2011 | Foto: Nils Klinger - monopol-magazin |
Der knapp drei Meter hohe Baum fiel vermutlich Vandalen zum Opfer. Die Täter seien mit umfassender Zerstörungswut vorgegangen, hieß es auf Anfrage bei der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK), deren Gärtner den Schaden kürzlich entdecken. Das Gehölz sei komplett aus dem Boden gerissen, sämtliche Äste seien abgebrochen worden.
7.000 Eichen ließ einst der Künstler Joseph Beuys in Kassel pflanzen und prägte damit das Gesicht und den Ruf der Documenta-Stadt nachhaltig. Das Bäumchen, das rund 30 Jahre später Carolyn Christov-Bakargiev, Chefin der Documenta 13, und der Künstler Jimmie Durham in der Karlsaue pflanzte, nimmt sich dagegen bescheiden aus. Und doch ist dieser zu einem Kunstwerk erhobene unscheinbare Stamm etwas ganz Besonderes. Denn die künstlerische Leiterin setzte einen Korbinians-Apfelbaum gemeinsam mit dem Künstler in die Erde und erinnerte damit an den bayerischen "Apfelpfarrer" Korbinian Aigner (1885-1960), der als Gefangener im Konzentrationslager Dachau heimlich Äpfel züchtete.
Während das Bäumchen im Park leicht zu übersehen ist, stoßen Besucher der Weltkunstausstellung an prominenterem Ort noch einmal auf den Namen Korbinian Aigner: Im Fridericianum, dem traditionellem Hauptort der Documenta, finden sich in einem Raum Apfel-Bilder des katholischen Priesters, der sich auch als Künstler betätigte. In einem Zeitraum von 50 Jahren schuf Aigner rund 900 Zeichnungen im Postkartenformat - durchnummerierte Aquarelle, die verschiedene Äpfel und Birnen einzeln oder in Paaren darstellen.
Er weigerte sich, Kinder auf den Namen Adolf zu taufen
Apfelbild 600 | KZ 3: Korbiniansapfel - epd/A.Fischer |
An der Wand hängt auch die Nummer 600: Das Bild zeigt ein Apfelpaar, das Aigner "KZ-3" taufte, weil es eine der vier Sorten war, die er im KZ Dachau züchtete. Für den Geistlichen, der in der Perfektion der Frucht die göttliche Schöpfung bewunderte, war die lakonische Namensgebung wohl so etwas wie eine Mahnung. Später, zum 100. Geburtstag Aigners, wurde der KZ-3 in "Korbiniansapfel" umbenannt.
Korbinian Aigner | HNA |
Wer war nun dieser Korbinian Aigner, dem auf der weltgrößten Kunstausstellung fast ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod ein Denkmal gesetzt wurde? Der Dorfpfarrer aus dem Landkreis Freising zeigte sich offen als Gegner des NS-Regimes, als er in den 1930er-Jahren in seinen Predigten gegen die Nazis wetterte. Er weigerte sich, Kinder auf den Namen Adolf zu taufen und erkannte die Hakenkreuzfahne nicht als deutsche Nationalflagge an.
1940 wurde er aufgrund einer Denunziation verhaftet und kam ins Gefängnis, danach musste er in den KZs Sachsenhausen und Dachau Zwangsarbeit leisten. Aber auch an diesen Schreckensorten demonstrierte er ungebrochenen Widerstand und züchtete heimlich hinter einer Baracke einige Apfelbäume. Hier entstanden die Sorten KZ-1, KZ-2, KZ-3 und KZ-4. Aigner überlebte das KZ und widmete sich nach dem Krieg in seiner Pfarrgemeinde Hohenbercha mit Leidenschaft der Obstkunde, bis er 1966 starb.
KZ-Äpfel - "Was ist daran Kunst?"
Aigners KZ-Äpfel, so kann man im Documenta-Begleitbuch nachlesen, seien "ein bewegendes Symbol für den Holocaust als den Sündenfall der Moderne." Trotzdem stutzen viele Besucher: "Was ist daran Kunst?", fragen sie verunsichert, wenn sie über das Gelände flanieren und auf das Korbiniansbäumchen stoßen. Anders als etwa Beuys "7.000-Eichen-Projekt" fehlt dem dürren Stamm die Ausstrahlung einer spektakulären Kunstaktion.
Korbinians postkartengroße Apfelbilder im Fridericianum in Kassel | HNA |
Kassel macht sich in diesem Fall die Position von Frau Christov-Bakargiev zu eigen, nach deren Konzept die Frage zur Definition von Kunst unerheblich sei. "Die Frage ist, ob etwas Wirkung hat", erklärt die Ausstellungsmacherin: "Wenn ein Mensch diesem Apfelbaum begegnet, und dadurch etwas in ihm ausgelöst wird, dann ist es Kunst".
Die Pflanz-Tat der Documenta-Chefin, die sich zu anderen Gelegenheiten als eher kirchenkritische Zeitgenossin profilierte, erinnert an das berühmte Luther-Zitat: "Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen."
Bäumchen wird nachgepflanzt
Ob sich die Täter mit der Zerstörungs-Attacke ausdrücklich gegen die Kasseler Weltkunstschau richten wollten, bleibe Spekulation, sagte documenta-Sprecherin Henriette Gallus. Die Akribie, mit der das Bäumchen zu Kleinholz gemacht wurde, sei aber ein Indiz dafür.
Laut MHK wird auch in Kassel die Natur am Ende die Oberhand behalten: Im Herbst werde ein gleich altes Bäumchen dieser Sorte nachgepflanzt. In weiser Voraussicht hatten die Macher der Documenta 13 gleich ein Ersatzgehölz angeschafft.
Nach Texten von: hr-online.de | evangelisch.de
Nun ist dieser symbolhafte Documenta-Apfelbaum zerstört und umgebracht worden - und das war sicherlich nicht nur eine Attacke gegen die Kasseler Weltschau - sondern sicherlich auch eine Freveltat gegen das Kunstsymbol und dessen Aussage und Background ... Hier müsste eigentlich der Staatsschutz ermitteln... Es sind ja keine Kavaliersdelikte von trunkenen Spätheimkehrern, wenn auch beispielsweise die "Stolpersteine" des Künstlers Gunter Demnig als Andenken an NS-Opfer gezielt mit Farbe besprüht werden - oder wenn deren Messingplatten in ganzen Bezirken Stück für Stück einfach abgehebelt werden ... - und wenn man so weit gezielt hinein in die Karlsaue geht, um dieses Bäumchen kleinzuschreddern ... - das sind gezielte politisch motivierte Anschläge auf die NS-Opfer-Andenken - die es nun rigoros zu ahnden gilt: es sind rechtsradikale Anschläge auf unsere Gedenkkultur ... - Passt alle mit auf ... - und erstattet bei rechtem Vandalismus sofort Anzeige - denn
"Wie oft hat man sie schon totgesagt - doch -
hier im Innern des Landes, da leben sie noch ..."
sang Väterchen Franz schon 1968 ... - meint S!