Herr Orbán Viktor behauptet ja gern, er wolle mit der aktuellen Abwehr und Bekämpfung von Flüchtlingen auf dem Budapester Bahnhof "das ungarische Volk" schützen - und dafür sei er schließlich gewählt worden ...
Aber: Ein langfristiger perspektivischer Schutz Ungarns sehe eigentlich gänzlich anders aus - und Ungarn müsste versuchen, aus den Einwanderungen - wie auch schon ein paar Mal in den letzten Hunderten von Jahren zuvor - erneut "Kapital" im eigenen Land daraus zu schlagen - weitsichtig, mit einer gezielten Ansiedlungs- und Inklusionspolitik - und man müsste dem soviel im Munde herumgeführten Herrgott jeden Tag auf Knien danken, wie weise er doch Menschenströme hin und her ziehen lässt, zum eigenen menschlichen Nutz und Frommen ... aber dagegen wehrt sich wohl die sture nationalistisch-engstirnige Denke dieser FIDESZ-Partei und ihres Chefs, des Herrn Orbán ...
Nationalgrenzen und Nationalstaaten jedoch, die hat der liebe Gott damals nicht und niemals geschaffen und auch nicht erfunden - das sind vielleicht irgendwo im Menschen verankerte "Heimat"- und "Häuslebauer-Erfindungen" ("my home is my castle") - als man anfing, einen Zaun um die Weideflächen des Viehs zu ziehen und anstatt der flexiblen Reise-Zeltjurte eine winterfeste Holzhütte mit Feuerstelle baute - aber eigentlich ist das völlig "unmenschlich" und nur "im Wege" stehend (denn der Mensch ist eigentlich "von Natur aus" flexibel, neugierig, reist gern, begibt sich auf Wanderschaft - und - und - und ...) ...
Vor 300-400 Jahren war das Gebiet des heutigen ungarischen Staates nämlich plötzlich stark verödet durch die Türkenkriege - die Dörfer lagen oft geplündert in Schutt und Asche, die Felder verrotteten ... Aber weitsichtige Landesherren und auch später die "Kaiserin"Maria-Theresia von Österreich-Ungarn warben damals geradezu professionell für diese verödeten Ländereien Siedler an aus deutschen Landen von Bayern, Schwaben (Donauschwaben) bis Hessen, aus Elsass-Lothringen und Luxemburg usw. Es setzte sich der sogenannte Schwabenzug abermals von West nach Ost in Bewegung , weil auch im alten Europa der 30-jährige Krieg seine unabänderlichen Spuren und Verwüstungen hinterlassen hatte - und überhaupt auch Luthers Reformation im Volksglauben viele Verwerfungen und Verfolgungen hinüber- und herüber zeitigte ... Gleichzeitig also mit den ebenfalls deshalb inszenierten Auswanderungen nach den USA begannen also die Besiedelungen im heutigen Ungarn und im Banat und der Batschka, wo aber schon einmal - weitere fast 500 Jahre zuvor - die Siebenbürger Sachsen in Richtung Rumänien gesiedelt hatten ... - und seitdem immer wieder alte Verbindungen gehalten und neu verknüpft wurden ...
Ein"siedeleien" in der Wüste ... - oder war das Strand von St. Peter-Ording ... ??? |
Das alles entsprang damals einer weitsichtig langfristigen geplanten Besiedlungs- und Bevölkerungspolitik - von der aber die heutigen Nachfahren dieser damaligen Einwanderer, die heutzutage in Regierungsverantwortung stehen, wie Herr Orbán zum Beispiel, nichts mehr wissen wollen ... - die die Wurzeln ihrer Urahnen einfach verdrängen oder gar verleugnen - oder die so tun, als würden sie niemanden mehr kennen, der einen kennt, und der dann auch wieder einen kennt ...
Grundsätzlich: Auf der Welt hat es seit der Entwicklung des "endgültigen" Homo sapiens [aber - die Schöpfung geht weiter - immer weiter - danke Gott ...] - also seit Zigtausenden von Jahren - immer wieder größere oder lokalere Wander-, Vertreibungs- oder Flüchtlingsbewegungen gegeben - oder eben "einfach" den Weg oder den Tross der Nomaden zu jeweils neuen Weideplätzen für das Vieh, damit man überleben konnte und was zu beißen hatte ... - ganz ähnlich den Problemen heutzutage in Syrien und anderswo ...
Das was da zur Zeit an Flüchtlingsbewegungen geschieht, ist im Hinblick auf diese langen Zeiträume der Entwicklungsgeschichte eigentlich eher "normal" - als etwa die sogenannte "angestammte Sesshaftigkeit" ... - sie ist eher das "un-normale": Irgendwie stammen wir von unserer ("Ur"-)Herkunft her alle aus Familien "mit eindeutigem Migrationshintergrund" - wie das heute im Soziologen- und Pädagogendeutsch heißt - mal weitläufiger - mal etwas näher ... - hervorgerufen durch Kriege, Verwerfungen, Wettereskapaden, Verheiratungen - und - und - und ... - und auch der Stammbaum des Herrn Orbán muss sicherlich irgendwo so etwas aufweisen... - aber die 400 bis vielleicht 500 Jahre an familiärer Entwicklungsgeschichte und Genealogie, die während der NS-Herrschaft per "Ahnenpass" abgefragt wurden, und die wir vielleicht heutzutage auch mit Hilfe des Internets für unsere Herkunftsfamilien überblicken können - sind auf einem "Epochen- und Zeitstrahl" der Gesamtentwicklung bzw. auch der Stagnation oder gar des Rückschritts des menschlichen Lebens in den Jahrtausenden und Jahrmillionen lediglich in ihrer Ausdehnung als ein nur winzig kleiner "Fliegensch.ss" darstellbar ...
Dabei sind fast alle Balkanstaaten und auch das Baltikum (Litauen, Lettland, Estland sowie Finnland) klassische europäische Besiedlungs- und Einwander-Staaten - wie die USA ja auch damals - und auch heute noch...
Interessant in diesem Zusammenhang sind noch die finnisch-ugrischen Sprachwurzeln zu nennen, die einst aus dem asiatischen Raum sich im Laufe der Jahrtausende im Ungarischen finden lassen - und auch einige 1000 Kilometer davon entfernt - im Finnischen nachgewiesen werden - also Sprachen, die durch die frühen Völkerwanderungen aus den gleichen asiatischen Sprachwurzeln entstanden sind, wanderten und sich verästelten über große Distanzen ...
Und die Knochenfunde unserer ältesten Homo-sapiens-"Vorfahren" stammen tatsächlich doch fast ausschließlich ausgerechnet aus Afrika ... - - - der "schwarze" Erdteil als Wiege der Menschheit ... - wenn das die Vererbungslehre-Bücher aus der NS-Zeit schon gewusst hätten ...
Ich schreibe das hier durchaus auch aus eigener familiärer Anschauung, fuhr doch mein Großvater als dort in Ungarn geborener ungarischer Staatsbüger aus einer aus ursprünglich (?) Deutschland bzw. Lothringen eingewanderten "Stammfamilie", die dann seit ca. 200 Jahren bei den Magyaren "ansässig" war (im lokalen Komitatsraum aber auch noch hin- und herzog), 1903 nach den USA - wo er aber keine Anstellung fand - und dann - zurück - im Ruhrgebiet als Bergmann und Schuhmacher ansässig wurde ... - also in meiner Familie gab es zumindest eine Menge an Migrationsvergangenheit - aber kein Sozialarbeiter hat früher darauf Rücksicht zu nehmen gewusst ...
"Siedler"häuser im "Heimatort" meiner Vorfahren: Lajoskomárom in Ungarn |
Und bei dieser Wurzel- und Sachlage im Großen & Ganzen heutzutage wehren sich die Regierungen von Budapest bis Tallinn gegen eine europäische Flüchtlings- und Vertriebenenpolitik. Möglichst niemanden wollen sie aufnehmen, einige bemühen sich sogar um symbolträchtige Abschreckung. Schließlich, so erklärte Ungarns Premier Viktor Orbán diese Woche, wollten die Migranten ja ohnehin alle nur nach Deutschland weiterreisen.
Die Geburtenraten sind zu niedrig
Dabei ist gerade Ungarn ein gutes Beispiel für die heraufziehende osteuropäische Malaise. Die Bevölkerung Ungarns wird nach Uno-Projektionen bis 2050 um 16 Prozent zurückgehen. Seit Ausbruch der Finanzkrise stagniert die Wirtschaft, während die Staatsschulden auf fast 100 Prozent der Wirtschaftsleistung angestiegen sind, wie die O€CD kalkuliert. Um das Land Ungarn, das in den Neunzigerjahren das osteuropäische Lieblingsziel internationaler Investoren war, wieder flott zu bekommen, würde Einwanderung helfen. Die Geburtenraten jedenfalls sind, wie überall sonst in Osteuropa, so niedrig, dass die Kopfzahl ohne den Zustrom von Ausländern unweigerlich abnimmt. Und - wer investiert schon in eine Nation, die auf dem absteigenden Ast sitzt? Schlechte Voraussetzungen für eine Gesellschaft, die nach mehr Wohlstand strebt.
Immer noch ist Osteuropa relativ arm. Zweieinhalb Jahrzehnte nach dem Mauerfall und ein Jahrzehnt nach dem €U-Beitritt haben sich die Pro-Kopf-Einkommen längst noch nicht westlichen Niveaus angenähert. Mit einigem Recht verweisen die Oststaaten deshalb darauf, zusätzliche Ausgaben würden sie überfordern, zumal wenn Deutschland und Skandinavien die eigentlichen Zielländer der Migranten seien.
Aber es geht um mehr: Der am schnellsten alternde Kontinent der Erde hat nun die Möglichkeit, langfristig sein demografisches Schicksal zu wenden. Die €U insgesamt sollte diese Chance nutzen - durch ein Integrationsprogramm, das den ärmeren Staaten die Aufnahme von Zuwanderern ermöglicht. Die westlichen €U-Staaten sollten deshalb die ärmeren Nachbarn großzügig dabei unterstützen. Aus Mitmenschlichkeit und aus Solidarität, aber auch aus eigenem Interesse.