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Asaf Avidan - One Day / Reckoning Song (Wankelmut Remix)
Deutsche Übersetzung des Textes
Eines Tages Baby, werden wir alt
Oh Baby, wir werden alt
Und werden an die Geschichten denken, die wir uns noch hätten erzählen können
Keine Tränen mehr, mein Herz ist ausgetrocknet
Ich kann nicht lachen, und ich weine nicht
Ich denke nicht die ganze Zeit an dich
Aber wenn ich es tue, frage ich mich, warum ...???
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„Ich habe mir alles selbst beigebracht“
NW-INTERVIEW: Der israelische Sänger Asaf Avidan über Deutschland, Israel, Remixe und sein neues Soloalbum
Asaf Avidan aus Israel belegte mit „One Day/Reckoning Song“ im vergangenen Jahr wochenlang die Spitze der Charts in Deutschland und weiteren europäischen Ländern. Genau gesagt, war es ein Remix des Berliner House-DJ Wankelmut. Die zerbrechliche Falsettstimme des androgynen Sängers deckt ein beeindruckendes Klangspektrum ab.
Olaf Neumann sprach mit Avidan über Deutschland, Israel, Remixe und sein Soloalbum „Different Pulses“.
Herr Avidan, Sie belegten wochenlang die Spitze der Charts in sechs europäischen Ländern. Und wie lief es für Sie daheim in Israel?
ASAF AVIDAN: Zuhause bin ich eigentlich auch recht erfolgreich, was die Charts betrifft. Aber wir haben hier nicht so ein differenziertes Hitparaden-System wie in Europa. Mein Debütalbum, auf dem der „Reckoning Song“ in der Originalfassung erschienen ist, spielte in Israel Platin ein. Es ist aber ein Unterschied, ob du solch eine Auszeichnung in einem Land mit sieben Millionen Einwohnern bekommst oder in Deutschland, was ein riesiger Markt ist.
Gab es neben dem Wankelmut-Remix „One Day/Reckoning Song“ auch andere Bearbeitungen Ihrer Songs?
AVIDAN: Nein, bislang nicht. Ich muss gestehen, dass ich zuerst sehr gegen diese Bearbeitung war. Das mag im Nachhinein albern klingen, die Single ging bekanntlich durch die Decke. Aber vor einem halben Jahr war das noch nicht abzusehen. Damals erhielt ich über Facebook eine Nachricht von einem jungen Typen aus Berlin, der sich DJ Wankelmut nannte. Er hatte eines meiner Konzerte gesehen, sich meine CD gekauft und dann ohne meine Erlaubnis einen Remix gemacht. Ob er mir gefalle, wollte er wissen. Ich erwiderte: ,Klingt ganz hübsch, entspricht aber eher nicht meinem Stil.’ Zwei Monate später begann genau dieser Remix sich wie ein Virus zu verbreiten. Inzwischen habe ich akzeptiert, dass man meine Songs auf ganz verschiedene Weisen interpretieren kann. Sie werden dadurch nicht schlechter. Als ich kürzlich in Chicago spielte, traf ich unheimlich viele Leute, die erst durch Wankelmuts Remix auf mich aufmerksam geworden waren.
Finden Sie es schade, dass Sie mit einem Ihrer älteren Songs bekannt geworden sind?
AVIDAN: Den „Reckoning Song“ schrieb ich bereits 2008, das war eine ganze andere Zeit. Ich habe ja erst vor sechs Jahren angefangen, Musik zu machen. Mit einer Band namens The Mojos, Freunde von mir. Nachdem wir zusammen drei Alben gemacht und die halbe Welt bereist hatten, lösten wir uns letztes Jahr auf. Alles war gesagt. Das musikalische Genre, das ich beackere, kann man grob mit Folk, Blues und Rock umschreiben. Auf „Different Pulses“ verarbeite ich all die verrückten Ereignisse und Erlebnisse des vergangenen Jahres. Der Erfolg hat mein Leben auf den Kopf gestellt.
Ihre androgyne Falsettstimme wurde mit Janis Joplin verglichen. Mögen Sie diesen Vergleich?
AVIDAN: Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt und empfinde es sogar als Kompliment. Sie müssen nicht denken, dass ich pikiert war, weil man mich mit einer Frau verglichen hatte. Meiner Meinung nach gab es nämlich keine bessere Sängerin als Janis Joplin. Aber ich habe mich weiterentwickelt, und heute glaube ich, einen einzigartigen Stil entwickelt zu haben. Mit meinem neuen Album und meiner Tournee will ich aufzeigen, welch breites Spektrum ich mit meiner Stimme abdecken kann. Deshalb gibt es in meiner Show auch einen „nackten“ akustischen Part.
Wie haben Sie zu Ihrem Stil gefunden?
AVIDAN: Ich habe mir eigentlich alles selbst beigebracht. Ich bin in keiner Szene groß geworden, ich hatte früher nie Musikerfreunde. Vor meiner Karriere arbeitete ich als Animateur. Als dann eine sechsjährige Beziehung zu einer Frau auseinanderbrach, fiel ich in ein Loch. Ich suchte verzweifelt nach einem Ventil für all diese aufwühlenden Gefühle, die unbedingt raus wollten. Irgendwann fing ich einfach an, Musik zu machen. Und zwar sehr leidenschaftlich. Dieses Ur-Gefühl habe ich mir bis heute bewahrt.
Wie gehen Sie an Ihre Songs heran?
AVIDAN: Zuerst einmal mache ich Musik nur für mich. Wirklich spannend wird es, sobald ein Außenstehender eine Beziehung zu meinen Songs entwickelt. Ich meine, die sind zum Teil extrem persönlich, sie zu schreiben ist ein Muss, eine Form von Therapie.
Ist es für Sie aufgrund der Historie zwischen Israel und Deutschland etwas Besonderes, auf deutschen Bühnen zu spielen?
AVIDAN: Als ich das erste Mal nach Deutschland kam, war es wirklich etwas Besonderes. Es gab kaum ein Gespräch, bei dem man nicht irgendwann auf die 1930er und 1940er Jahre des letzten Jahrhunderts und die Geschichte zwischen unseren Ländern kam. Aber ich finde, jetzt sollten wir es gut sein lassen. Meine Generation ist die dritte nach dem Holocaust, wir leben im Jahr 2013 und nicht in 1939.
Kann man denn in Israel leben und keine politischen Songs schreiben?
AVIDAN: Ich wünschte, ich könnte solche Songs schreiben, denn ich habe eine Meinung zu politischen und gesellschaftlichen Dingen in unsrem Land. Meine jüdisch-israelischen Wurzeln sind ein prägender Teil von mir, aber als Künstler widme ich mich lieber universelleren Fragen: Was bedeutet Liebe? Warum sind wir hier? Was ist der Sinn des Lebens? Aber ich schließe es nicht aus, eines Tages mit derselben Leidenschaft auch politische Songs zu schreiben.
Wie fühlt es sich an, in einem permanenten Krisenherd zu leben?
AVIDAN: Nun, in meiner Jugend war mir überhaupt nicht bewusst, in was für einem kaputten Land ich lebte. Die Situation in Israel ist ein Albtraum, ohne Frage. Und dennoch kann man in Tel Aviv ein ziemlich normales Leben führen.
Tel Aviv ist heute Ihr Lebensmittelpunkt. Warum diese Stadt?
AVIDAN: Tel Aviv ist einzigartig. Ich habe den Vergleich, weil ich bereits die ganze Welt bereist habe. Tel Aviv gehört den Bürgern, mehr als jede andere Stadt, die ich kenne. Sie wirkt wie eine einzige große Bühne, weil in ihr das Leben rund um die Uhr pulsiert. Aber Tel Aviv ist eine Seifenblase, sie hat nichts mit dem Leben außerhalb der Blase zu tun. Man fühlt sich hier wie in einem anderen Land.
Waren Sie mit Ihrer Musik auch schon in Ramallah?
AVIDAN: Ich denke nicht, dass ich dort willkommen wäre. Ich glaube, es könnte sogar gefährlich für mich sein. Dennoch wäre ein Auftritt in Ramallah theoretisch möglich, sofern man mich dorthin einladen würde. Bislang ist das nicht passiert. Wissen Sie, ich hasse es, wenn amerikanische Künstler ihre geplanten Shows in Israel wegen der Politik absagen. Das ist der falsche Weg. Musik ist dazu da, Menschen zusammen- und nicht auseinanderzubringen.
Text/Foto: © 2013 Neue Westfälische, Freitag 17. Mai 2013