da feiern wir in knapp einer woche die geburt dieses jesus von nazareth, der der überlieferung nach als uneheliches kind einer jungen frau namens maria in einem viehverschlag irgendwo - vielleicht in bethlehem, in den heutigen palästinensischen autonomiegebieten - zur welt kommt.
durch meine "theologische brille" gesehen kommt überall und zu jeder stunde irgendwo ein kind gottes zur welt - vielleicht ist also immerzu weihnachten - auch immer dann - wenn ich gott in mir als existent wahrnehme, der mich führt, der mich leitet, der verzagtheit vertreibt und der mir in jedem moment immer wieder neu mein leben schenkt ...diese junge frau maria lebt mit einem älteren mann zusammen, mit dem sie späterhin noch weitere kinder bekommt und großzieht.
jesus ist bereits von kindesbeinen an darauf bedacht, gegen verkrustete vorschriften und auslegungen der damaligen altjüdisch-dogmatischen tempelaristokratie neue lebens- und glaubensparadigmen zu formulieren. jesus nennt dazu den im bisherigen judentum andauernd zürnenden, dreuenden, zaudernden und herrschenden gott nun liebevoll und zärtlich "papa" ("abba") - und holt damit diesen bis dahin vertikalen"fernen" gott mit den jeweils mich selbst - also die eigene person - betreffenden schriftauslegungen und weisungen aus den fernen "himmeln" hinab mitten unter uns auf die erde in die welt - ganz radikal also auf die horizontale und face to face - auf die gleiche ebene - "von angesicht zu angesicht" - und sogar in die menschen und in ihre beziehungen direkt hinein ... aus dem gebet "zu" gott - wird ein dialog "mit" gott - ohne mittler - im direkten "draht" auf du und du ... - "rufst du noch - oder kommunizierst du schon" würde das wahrscheinlich bei ikea heißen ... ...
jesus formuliert nach meiner übertragung also in lukas 17,20-21 dazu: seht doch selbst, dieser "herrliche reichtum gottes" - dieses "reich gottes", das wir ja gemeinhin in die himmel - in einen imaginären st.-nimmerleinsort ins irgendwo verorten - "es ist nicht da oder dort und wir müssen es auch nicht erwarten - es ist bereits mitten unter uns und geht uns alle an" - und geschieht in jedem augenblick in unserem zusammenleben hier auf erden ... - und wir beten ja im vaterunser: ... dein reich komme bzw in einer anderen übersetzung aus dem aramäischen urtext: dein königreich breite sich aus - werde also größer in uns ... - nehme seinen platz ein - beziehe seinen standpunkt ...und bei dieser so radikalen lehre schart sich allmählich eine gruppe von frauen und männern um ihn, denen er intensiv die heiligen schriften nach seinem verständnis auslegt - und er entwickelt in diesem zusammenhang auch sogar eine diesbezügliche kraft, oftmals schwierige meist psychosomatische erkrankungen anderer menschen spontan zu heilen mit gebeten, taktilen und rituellen be-handlungen und "handauflegungen" zur "kraftübertragung" aus dem geist seines glaubensverständnisses heraus, weshalb man ihn auch im volksmund als "heiland" bezeichnet ...
desgleichen ist das gemeinsame mahl, das einnehmen der speise mit jesus mehr als eine pure physische sättigung ... jesus erinnert uns daran, dass die genießbare speise immer direkt von gott geschenkt und somit materielle segenskraft ist - und dass deren genuss immer auch ein ganz praktisches einverleiben seiner kräfte und energien und seines geistes sind, die uns am und im leben halten ... ein echter vor allen dingen auch geistlich-ganzheitlicher aus-tausch mit gott - und all denen, die wir bei gott in ewigkeit vermuten ...
aufgrund dieser radikalen neuorientierung im glauben an gott eckt jesus immer mehr bei der damaligen jüdischen tempelaristokratie und anderen "rechtgläubigen" an, die ihn schließlich festsetzen lassen und der gerichtsbarkeit der römischen besatzungsmacht überstellen, wo er als "aufwiegler und unruhestifter" ("ruhe ist die erste bürgerpflicht"!!! ...) zum tod durch die marterung an einem damals üblichen rasch aufgerichteten holzkreuz verurteilt und abgestraft wird.
als einige tage später ein paar frauen aus seinem umkreis das grab besuchen und pflegen wollen, finden sie nur noch eine leere grabkammer vor ... - so wenigstens die subjektive überlieferung von mund zu mund, von generation zu generation als erzählung - viele jahrzehnte später dann ganz subjektiv zu papier gebracht ...
und nun betritt nach etwas längerer irr- und kampfeszeit aber nach jesu tod ein gewisser paulus von tarsus die glaubensbühne dieser welt, ein griechisch gebildeter vielleicht anfallskranker intellektueller, der zum teil gegen die jüdischen zeitzeugen jesu eine mit griechischem philosophieduktus verbrämte glaubensdiktion predigt und schriftlich oft in briefen und sendschreiben formulieren lässt, die das tatsächliche leben und die geschehnisse und die glaubensphilosophien um jesus von nazareth, nämlich den bisher entfernten gott mitten in und unter die menschen zu verorten, kaum mehr wahrnimmt und sein eigenes credo formuliert, in dem jesus eigentlich nur noch peripher auftritt ...
dieses tatsächliche leben jesu und seine glaubensphilosophie - aber auch die sehr verkürzenden adaptionen dazu dieses paulus von tarsus werden dann nach vielen jahrzehnten von den jeweilgen glaubensschülern entsprechend redaktionell bearbeitet und zu papier gebracht, die jedoch auch nur subjektiv wahrgenommenes hörensagen notieren können und von ihrer jeweiligen aktuellen umwelt beeinflusst sind ...
jedenfalls setzt sich die paulinische glaubensrichtung ab dem 4. jahrhundert immer mehr durch - auch im inzwischen etablierten kirchlichen klerus zu rom und seinen dogmenverkündigungen - und auch in den im laufe der späteren jahrhunderte wiederum davon vielfältig abgespaltenen "christlichen" konfessionen und gruppen ...
selbst das bei jedem gottesdienst von den großen "christlichen" glaubensgemeinschaften allgemein vorgetragene "apostolische glaubenbekenntnis" - also das herzstück des persönlichen glaubens überhaupt - das eigene persönliche bekenntnis des "ich glaube" ... blendet das tatsächlich überlieferte leben jesu und seine glaubens- und lebensphilosophie gänzlich aus, in dem es sich nur auf die geburt und den tod und seinen interpretationen und folgen bezieht:
...denn nach "geboren von der jungfrau maria ..." kommt direkt: "gelitten unter pontius pilatus ...": kein wort - kein satz zur bergpredigt - zur "reich-gottes-lehre mitten unter uns" - kein satz zur "goldenen regel" - matth. 7,12: „alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ - kein wort zu markus 12,29ff: „ ... du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft - als zweites kommt hinzu: du sollst deinen nächsten lieben wie dich selbst. kein anderes gebot ist größer als diese beiden.“
die großen "christlichen" kirchen feiern die geburt jesu zu weihnachten, tod und "auferstehung" zu ostern (= das leere grab) und die ausgießung des heiligen geistes zu pfingsten: aber es gibt kein großes kirchliches fest oder ritual zum gedenken an das "leben" jesu: etwa ein regelmäßiges "bergpredigt-fest" oder ein regelmäßiges kirchliches "friedensfest" - oder ein großes "integrations-festmahl"mit (nicht für) armen, kranken, mittellosen menschen und - aktuell - flüchtlingen ... - oder eine art "gleichnis-börse", die auf eine verständliche gleichnishafte darstellung komplizierter glaubensinhalte abhebt ... - nach art des „speakers corner“ im englischen hyde-park etwa - jedoch ist in dieser hinsicht schon das immer populärer werdende pilgern zu nennen - oder ein "wüstentag" oder auch die (straßen-)"exerzitien", die jedoch auf die initiative einzelner zurückzuführen sind ...
so gesehen sind die sogenannten "christlichen" kirchen also eigentlich "paulinische" kirchen und haben mit dem, was von jesus im neuen testament überliefert ist, in ihren theologischen kernaussagen und konsequenzen nur noch wenig gemein ... - wie auch der ehrentitel "christus" selbst (= der gesalbte gottes) für diesen jesus aus nazareth hauptsächlich im theologiegebäude des paulus kreiert wird ...und genau deshalb haben sich aktuell initiativen gefunden, die dem tatsächlichen leben jesu und seiner "reich-gottes"-lehre in den verfassten bestehenden "christlichen" kirchen wieder mehr raum geben wollen ... - da sind zum beispiel die:
in der letzteren initiativgruppe hat eine arbeitsgruppe zusammengesessen, die sich zum ziel setzte, die jesus-botschaft vom schon gegenwärtigen "reich gottes" einmal ganz ohne christliche oder irgendwie theologische bezüge darzustellen – und das in einfacher und kurzer sprache ... - auch vielleicht als initialzündung für ein credo der menschen, die der kirche fernstehen oder sich gar "atheisten" schimpfen ... : - prüfen sie selbst - inwieweit das gelungen scheint:
Es ist nur wenig von Jesus überliefert, was wir als historisch gesichert ansehen können. Dieses Wenige zeigt aber schlüssig, wie er die Welt verstanden hat: Sie ist in ihrer einzigartigen Schönheit so angelegt, dass alle genug haben und ein gutes Leben führen können. Wir brauchen nicht auf irgendeine Vollendung in ferner Zukunft zu warten.
Das Gute dieser Welt beruht auf der Verbundenheit allen Lebens. Wir sind Teil davon: mitten drin. Wir stehen nicht über anderen Lebewesen, sondern auf gleicher Ebene mit ihnen. Was wir nicht erleiden wollen, wollen auch unsere Mit-Wesen nicht erleiden. Wenn wir ihnen schaden, schaden wir mittelbar auch uns. Diese Binsenweisheit haben wir Menschen fortgesetzt missachtet und tun es noch immer. In unserer global vernetzten Welt mit ihrer hoch entwickelten Wissenschaft ist das offensichtlicher und bedrohlicher als je zuvor. So sind die damaligen Auffassungen des Jesus von Nazaret, die er in seinen Worten vom Reich Gottes beschrieben hat, heute im Grunde aktueller denn je.
Wir müssen umdenken. Dazu müssen wir in den Gesamtzusammenhang der Welt hinein finden und von dort her handeln, anstatt uns über die Welt zu erheben. Wir wollen
- das Welt-Ganze staunend und voller Achtung wahrnehmen,
- unser Leben und das, was uns leben lässt, dankbar genießen und uns daran freuen,
- der Gewalt gegen Menschen, Tiere, Pflanzen und die Erde insgesamt widerstehen, ohne selbst gewalttätig zu werden,
- strukturelle Gewalt überwinden, die durch die Herrschaft von Menschen über Menschen aufgerichtet wird,
- einander zugewandt und solidarisch zusammenarbeiten,
- uns der Vorstellung verweigern, dass allein Geld die Welt regiert,
- prüfen, ob wir tatsächlich brauchen, was wir besitzen oder wollen,
- alles weiterreichen, was wir nicht mehr brauchen,
- sorgsam und verantwortlich mit unserer Zeit umgehen, unseren materiellen Möglichkeiten, unserer Kraft und allem anderen, was uns zur Verfügung steht.
Solche Leitlinien ergeben sich wie von selbst, sobald wir unsere Verbundenheit mit der Welt in uns spüren. Nicht mehr und nicht weniger hat Jesus damals wohl sagen wollen.