... wenn mir selbst die worte fehlen - um das neujahrs-thema no.1 - sie wissen schon, was ich meine ... - zu kommentieren - möchte ich wenigstens mein blog mit dem kommentar einer frau dazu füttern - der mir aus der seele spricht - eben auch weil die eigenen worte fehlen ...
Übergriffe in Köln
Endlich sagt's mal keiner
Ein Kommentar von Barbara Hans | SPIEGEL ONLINE
Der nordafrikanische Mann ist kriminell, die deutsche Frau wehrlos, Köln kein sicherer Ort. Mit diesen Zuschreibungen werden die Übergriffe der Silvesternacht verhandelt, das Geschehen wird kategorisiert, die Komplexität kaschiert. "Wir nehmen es nicht hin, dass sich nordafrikanische Männergruppen organisieren, um wehrlose Frauen mit dreisten sexuellen Attacken zu erniedrigen", sagt der nordrhein-westfälische Innenminister Jäger. Harte Zuweisungen suggerieren schnelle Lösungen. Die Sätze fallen, um das Geschehen zu verkürzen. Die verbale Verstümmelung dient der Selbstvergewisserung: Wer sind wir und wenn ja wie viele?
Die Nacht zum Feiern, überladen mit Böllern, Sekt und Erwartungen, wird zu einer Nacht zum Fürchten. Die Arglosigkeit der Betroffenen macht die Übergriffe, so planvoll und strukturiert sie offenbar durchgeführt worden sind, noch perfider. Die Täter haben das Gewusel und die Feierlaune ausgenutzt. Vor dem Kölner Hauptbahnhof wurden die Frauen gedemütigt, um den Moment der Überraschung für Diebstähle zu nutzen.
Die ersten Ermittlungen offenbaren eine unheilvolle Mischung: sexuelle Erniedrigung, Gewalt, Übergriffe, Macht. Die Begriffe rufen Konnotationen hervor und die Konnotationen Bilder. Stereotype sind nicht per se schlecht, sie erleichtern uns den Alltag. Wir bewegen uns leichter in einer Welt, in der wir glauben zu wissen, was wir zu erwarten haben.
Vorurteile aber sind negative Stereotype, sie behindern den Alltag. Die Kölner Silvesternacht berührt Kernthemen der Vorurteilsforschung: Religion, Herkunft, Geschlecht, Sexualität. Die Vorurteile sagen nicht nur etwas aus über die anderen, die Angreifer vor dem Bahnhof. Sie sagen immer auch etwas aus über uns selbst. Die Ursuppe der Identität hat viele Zutaten, Vorurteile gehören dazu.
Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers betont, es gebe in Köln keinen rechtsfreien Raum. Das klingt, als würde er jemandem widersprechen. Und es klingt nach Kraft und Stärke. Doch hat überhaupt jemand behauptet, in Köln gebe es rechtsfreie Räume?
Die frühere Familienministerin Kristina Schröder, CDU, schreibt auf Twitter, "gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen" in der "muslimischen Kultur" seien "tabuisiert" worden. Das klingt nach: Endlich sagt's mal einer. Und die eine, das bin ich. Doch besteht tatsächlich eine gesellschaftliche Übereinkunft, über muslimische Männlichkeitsbilder - sofern es die denn gibt - zu schweigen?
Beide, Albers wie Schröder, folgen einem Muster: Sie konstruieren eine vermeintliche Sorge, ein vermeintliches Tabu, um sie schließlich heldenhaft zu brechen. Der Polizeipräsident steht für die Sicherheit, Schröder für die Courage, den Mund aufzumachen. Alles schweigt, eine spricht. Es geht dabei nicht um den Inhalt. In Wahrheit geht es um den Sprecher und seine Überlegenheit. Frau Schröder grenzt sich ab vom vermeintlich selbstzensierenden Mainstream. Und von den Medien, die angeblich versuchen vorzugeben, was dieser Mainstream zu denken hat.
Hinter dem vermeintlichen Tabu offenbart sich die eigentliche Frage: In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? Stimmt es, dass Männlichkeitsideale nicht kritisch diskutiert, dass Wahrheiten zensiert werden? Die Überhöhung legitimiert scheinbar die Unterstellung. Die Angst wird postuliert, um sie zu widerlegen. Das Tabu konstruiert, um es zu brechen. Die Unterstellung dient dann vor allem einem: der Abgrenzung. Aber sie verhindert die Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Problemen und Ängsten.
E-Mail: Barbara_Hans@spiegel.de