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Werden & Vergehen - Wisch & weg -
Alles oder Nichts
Sandbilder - sind Bilder aus farbigem Sand, die zumeist in symbolischen Handlungen, Gebeten oder Heilzeremonien Verwendung finden. Die Bekanntesten sind die der Tibeter. Im tibetischen Buddhismus werden detailreiche Sandmandalas geschaffen. Diese werden rituell wieder zerstört, um die Vergänglichkeit des Seins zu symbolisieren.
Buddhistische Mönche aus Tibet arbeiten oft Tage und Wochen daran, gefärbtenSand zu einem Mandala zu arrangieren, der komplexen geometrischen Repräsentation eines Kosmos – und es nach seiner Fertigstellung völlig zu zerstören. Das Wegwischen der in langwieriger Arbeit entstandenen Kunstwerke ist Teil des Prozesses selbst und gehört unbedingt dazu. Die Mönche schaffen diese Kunst als etwas Flüchtiges und Vergängliches, um den Vorrang des kreativen Prozesses im Hier & Jetzt gegenüber dem geschaffenen Produkt zu verdeutlichen: Denn künstlerische Aktivität hat wie das Spiel auch in ihrer reinen Form keinen anderen Zweck als sich selbst. Es geht nicht darum, Kunst herzustellen, sondern darum, voller Konzentration in jenem wunderbaren Zustand zu verweilen, in dem Kunst unvermeidlich entsteht - von Moment zu Moment ...
Sandmandala & "Gestalt" - nunc|hic - dem Jetzt & Hier auf den Grund gehen
Die Gestaltarbeit nach Laura & Fritz Perls & Paul Goodman spürt nach einem sensibilisierenden Gewahrsein-/"awareness"-Training - mit dem Fokus auf den Augenblick - auf das Jetzt & Hier (nunc|hic) - Wahrnehmungsbruchstücke auf, die manchmal vielleicht auch nur die Größe eines Sandkorns im ersten Moment haben - eine Empfindung - ein Erspüren - eine Be-Rührung - eine Gestimmtheit ... - der Sandkorn startet als erstes 3-D-Pixel - und dann gesellen sich Sandkorn zu Sandkorn und Farbe zu Farbe - und Form zu Form - und Muster zu Muster - wie die Vorläufer der Pixel: die Rasterpunkte beim alten Zeitungsfoto ... - die sich durch Hirnoperationen mit der Tendenz zur "sinnvollen" Vervollständigung - hin zu einer "Gestalt" - zu einem "Ganzen" ergänzen - aus den vielen bunten Sandkörnern entsteht in mühevoller Kleinstarbeit das wohlgestaltete abgerundete Mandala in Teamarbeit: Die Einzelelemente (hier: Sandkörner) werden in der komplexen Wahrnehmung mit allen Sinnen und Empfindungen zu möglichst sinnvollen Ganzheiten, zu "Gestalten" (hier: Mandala) verbunden.
Wahrnehmung, soziales Leben und Eigenexistenz sind immer Ausdruck einer komplexen Sinngebung. Das „Ganze“ ist immer mehr bzw. anders als die Summe seiner Einzelelemente: das alte Zeitungsfoto bildete ein Ab-bild einer bestimmten Außenszene für den Betrachter - und war so ein "sinnvolles" Mehr als ein Haufen von bestimmten schwarzen und weißen aneinandergereihten Punkten ... Und genau diese Erkenntnis wird durch die Mönche aus Tibet beim "gestalten" eines Sandmandalas auch symbolisch so deutlich vorgeführt: Aus diesen vielen Millionen bunten Sandkörnern entsteht eine komplexe, in sich abgerundete und "geschlossene""Gestalt": das Mandala, das nach seiner "Zusammenstellung" dann wieder zerstört wird, die in sich selbst abgeschlossene Gestalt tritt zurück und vergeht im Grund - um einer neuen Wahrnehmung Raum zu geben - usw. - nochmal und nochmal und nochmal ...
werden ... - foto: dpa|hamburger abendblatt |
Also etwa so, wie das Bewusstsein aus einem Ton, den es hört, eine Melodie formt - die als "Ohrwurm" nach einem "Thema", nach einem abschließenden Crescendo etwa, nach einem eingängigen Akkord strebt - und danach wieder vergeht, weil eine andere Melodie den Platz als "Ohrwurm" eingenommen hat ...»Auch auf der emotionalen Ebene hat der Mensch die Tendenz, Dinge zu vervollständigen«, so meint der Gestaltbegriff - und so modelliert sich ein Sandmandala - immer wieder anders, immer wieder neu, mit immer neuen Ideen und Intentionen und Dynamiken ...
In gestalttheoretischer Sprache ausgedrückt, taucht mit einem entstehenden Bedürfnis eine zunächst noch offene Gestalt aus dem (Hinter-)Grund auf und wird im Vordergrund zur Figur, und zwar solange, wie sie nicht geschlossen ist. Die abgeschlossene Gestalt - hier also: das vervollständigte Sandmandala - kann dann zurück in den Grund eintauchen - als bunter Sand nach der Fertigstellung des Mandalas in einen Fluss oder ins Meer gestreut werden, aus dem die Millionen oder gar Milliarden Sandkörner ursprünglich angespült wurden - und einer neuen Wahrnehmung einem neuen sich daraus entwickelnden Bedürfnis - einem neuen Mandala - in einer neuen werdenden Gestalt Platz machen.
Symbolik für Leben & Tod
Dies versteht die Gestalttherapie als Fähigkeit des Organismus zur Selbstregulierung - und ich empfinde das ganze als"handfeste" Symbolik auch für Leben und Tod - für Werden und Vergehen (Stichwort: Seebestattungen ...): das neue Leben, der neue Mensch entwickelt sich embryonal: aus Spermium und Eizelle formt sich nach und nach die "Gestalt" - die Person - die nach einem oft langen gelebten Leben wieder vergeht - zurück "auf den ewigen Grund" (Winnetou sagte: "in die ewigen Jagdgründe" ...), aus dem sie einst herausgetreten ist - um einer neuen Gestalt Platz zu machen ... Nur der Geist (= das Ganze ist immer mehr als die Summe seiner Teile - die Bibel ist mehr als ein Haufen Papier im Ledereinband mit Goldschnitt und gedruckten Lettern auf dünnem Bibelpapier - z.B.) bleibt und potenziert sich und wächst mit jedem gelebten Leben in genau diesen hinzutretenden Nuancen ...: also der ganze Kosmos in all seiner immer wieder sich selbst erneuernden Lebensenergie und seinem Zugewinn an Geistesdynamiken - als ein "Riesen-Sandmandala" im ständigen Werden & Vergehen ... Denn kein Sandkorn wird tatsächlich vergehen ("nichts geht verloren - nichts kommt hinzu" ...), sondern bildet irgendwann einmal wieder neue und andere abgeschlossene Sandmandala-Gestalten - aber ganz anders als zuvor - in einem anderen Muster - einer anderen Farbe - einem anderen Sosein ...
- Ist dieser sichtbar gemachte Kreislauf-Prozess nicht einfach nur - wunderbar ... ???
Figuren, die nach Abschluss drängen
Aus einem permanenten »Wahrnehmungsstrom« kristallisieren sich Figuren heraus, die abgeschlossen werden wollen. Erinnerungen an Ereignisse zum Beispiel, die unaufgelöst geblieben sind und die aktuelle Beziehungsgestaltung stören (z.B. ein verdrängtes "Familiengeheimnis"). Im gegenwärtigen Augenblick der Therapie können sie sich in einer Geste zeigen oder einer Handlung: Wer sich nicht traut, während der Sitzung seine Jacke auszuziehen, hat womöglich auch in Paarbeziehungen die Tendenz, aus lauter Rücksichtnahme die eigenen Bedürfnisse zu ignorieren. »Der Schlüssel zu Veränderungen liegt immer in uns selber«, sagt die Gestalttherapie - "wir sind die einzigen Experten für unsere Leiden" ...
... & vergehen - foto: gero helm / waz fotopool |
Angeregt durch diese Beiträge wurden sie zu meiner Lektüre für diesen Artikel: Psychotherapie Aktuell - Wie das innere Erleben heilt - von Anita Rüffer | publik-forum 02/2016 - und: "Wisch und Weg" - Im Bilde - Bild und Text zur Entstehung eines Sandmandalas | ebenfalls: publik-forum 02/2016 - sowie WIKIPEDIA - Gestalttherapie ...
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P.S. ich will mit diesem beitrag hier nicht dem augenblicklichen trend folgen, angesichts der flüchtlingskrisen einfach in neue "innerlichkeit" abzutauchen - einfach zu "flüchten" vor der flucht und abzuhauen - und zu "soften"- wie das vielleicht zeitschriften wie "flow" permanent tun u.a. - die aber erstaunlich hohe auflagen mit diesem augen-zu-und-durch und eiapopeia-was-raschelt-im-stroh erzielen ...
nee - ich will nur fingerzeige geben, wie man sich auch "wappnen" kann - ganz ohne gaspistole und pfefferspray - um den "nächsten" auch tatsächlich wahrzunehmen und vielleicht in einen guten kontakt zu kommen - und zu lernen - und "wenn das nicht gelingt kann man auch nichts machen" (sagt fritze perls in seinem "gestaltgebet") - dann gelingt es vielleicht beim nächsten "nächsten" ... ja - und wie man die eigenen re-aktionen auf diesen verheerenden zeitgeist augenblicklich in die eigene wahrnehmung bekommt - nicht verdrängen und abstoßen - sondern aushalten - und mitgehen - und dem nächsten sagen, was sache ist - auch dem pegida und afd-blubberer - die haben doch auch nur schiss... S!