Meret Oppenheim
Selbstportrait seit 50.000 v. Chr. bis X
Meine Füße stehen auf von vielen Schritten
abgerundeten Steinen in einer Tropfsteinhöhle.
Ich lasse mir das Bärenfleisch schmecken.
Mein Bauch ist von einer warmen
Meeresströmung umflossen, ich stehe in den
Lagunen, mein Blick fällt auf die rötlichen Mauern einer Stadt.
Brustkorb und Arme stecken in einem
Panzer aus dicht übereinandergenähten
Lederschuppen. In den Händen halte ich
eine Schildkröte aus weißem Marmor.
In meinem Kopf sind die Gedanken
eingeschlossen wie in einem Bienenkorb.
Später schreibe ich sie nieder.
Die Schrift ist verbrannt als die Bibliothek
von Alexandrien brannte.
Die schwarze Schlange mit dem weißen Kopf
steht im Museum in Paris.
Dann verbrennt auch sie.
Alle Gedanken, die je gedacht wurden,
rollen um die Erde in der großen Geistkugel.
Die Erde zerspringt, die Geistkugel platzt,
die Gedanken zerstreuen sich im Universum,
wo sie auf andern Sternen weiter leben.
click here und als youtube-video hier |
heute war ich in ahlen im kunstmuseum, wo eine tolle ausstellung gezeigt wird mit vielen werken von meret oppenheim (1913-1985), einer sehr vielseitigen künstlerin, die besonders dem surrealismus zugetan war (ihre "pelzbezogene Kaffeetasse" mit untertasse und löffel ist ja eine bekannte kunstikone geworden ...) - und mit künstlern wie andré breton, man ray und max ernst zusammenarbeitete ...
dieses gedicht hier ist mein favorit aus der ausstellung - und ich wollte es mit euch teilen...
ich konnte meret oppenheims original-"zeichnung" dazu - von der in der google-literatur die rede ist - leider nicht auftreiben trotz stundenlanger suche - nur ein schlecht wiederzugebener druck auf einer runden gestanzten gefransten scheibe - der seite einer gedichtmappe ... (bei interesse bitte nachgoogeln ...)
deshalb habe ich in meinem S!-bild-archiv nach abbildungen gefahndet, die nach meinem empfinden dem text in etwa entsprechen ... S! (s.o.)