Emojis und ihre Missverständnisse
Kommunikation: Kaum eine Nachricht ohne lachendes Gesicht oder gereckten Daumen. Die runden Symbole sollen unseren Texten mehr Bedeutung verleihen, ohne dass sie wortgewaltig werden. Doch die 1.800 Motive bergen auch Fallstricke
Von Kim A. Zickenheiner | NW
Ist das nun ein breit grinsendes, zufriedenes Gesicht oder eine zähnefletschende Grimasse? Das Emoji mit der Bezeichnung "grinsendes Gesicht mit lächelnden Augen" verwirrt viele Nutzer, denn auf iPhones sieht es ganz anders aus als auf vielen anderen Smartphones - und soll doch eigentlich das gleiche sein. Emojis: Die kleinen, bunten Symbole haben massenweise Eingang in die alltägliche Kommunikation gefunden, aber führen häufig zu Missverständnissen. Brauchen wir den Einheitslook?
Die Erwartung in der Kommunikation sei, dass eine Botschaft so ankomme, wie man sie verschicke, sagt Medienpsychologin Sabrina Eimler, Professorin an der Hochschule Ruhr-West. "Wenn die Symbole dann unterschiedlich aussehen, ist das ein Problem. Da führt die technische Infrastruktur zu Fallstricken." Und die Rolle der Symbole ist nicht zu vernachlässigen. "Man achtet sehr stark auf nonverbale Kommunikation - und am Bildschirm fallen Emojis darunter."
Für manchen war der Untergang des Abendlandes eingeläutet, als die Oxford-Wörterbücher das Emoji "Gesicht mit Tränen der Freude" zum "Wort des Jahres 2015" machten. Doch es gibt kein Entkommen vor den bunten Symbolen, und das Wort des Jahres ist auf vielen Plattformen das meistgenutzte Emoji unter den 1.800 Symbolen. Auf Instagram fand sich 2015 in fast der Hälfte aller Texte ein Emoji, bei Facebooks Messenger in jeder zehnten Mobilnachricht.
Aber Missverständnisse gibt es häufig. Forscher der Universität von Minnesota ließen kürzlich 300 Probanden eine Reihe von beliebten, menschlichen Emojis interpretieren. Die Uneinigkeit war groß, und zwar auch, wenn es um ein und dasselbe Emoji einer bestimmten Plattform ging. Welche Stimmung soll es nun ausdrücken? Größer noch war das Verwirrungspotenzial, wenn dann die verschiedenen Darstellungen dazukamen.
Die Empfehlung der US-Forscher: standardisierte Emojis. Tatsächlich gibt es eine Organisation, die sich um Standards kümmert. Das Unicode-Konsortium sorgt dafür, dass sich Computer gegenseitig verstehen, es erstellt Richtlinien für den Text in jeder modernen Software. Auch Emojis fallen darunter - allerdings nur grob. Denn wie "auf dem Boden rollend vor Lachen" in einem Programm von Samsung oder Facebook tatsächlich aussieht, entscheiden die Firmen selbst. So kommen die Stile zustande: Apples Design ist glänzend und schattiert, Googles matt und mit einheitlichen Farben.
Immerhin: "Der Trend geht eindeutig zu einer größeren Ähnlichkeit der Darstellungen", sagt Jeremy Burge, Betreiber des Online-Nachschlagewerks "Emojipedia". Android plane etwa, seine "Blob"-Emojis menschlicher zu machen und Apple anzugleichen.
Müssen Emojis denn überhaupt eine universelle Sprache sein? Das Unicode-Konsortium winkt ab. "Emojis sind keine wirkliche Sprache. Sie haben keine Grammatik oder Vokabular, so dass sie keine geschriebene Sprache ersetzen können."
Quelle: © 2016 Neue Westfälische, Mittwoch 06. Juli 2016
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"Emojis sind keine wirkliche Sprache", sagt das "Unicode-Konsortium" - aber was will uns diese Aussage sagen ... ??? Ich finde, Emojis sind eine Mimik-Sprache - sind erste "MindMaps" für die Begegnung mit der Welt da draußen - nach dem Knurren und Schnurgeln noch drinnen - die Sprache mit Kleinstkindern: das lächelnde Gesicht der Mama und des Papas strahlt "Liebe-Sicherheit-Geborgenheit" aus - und schafft damit die Voraussetzungen für ein "Urvertrauen". Bei häufig wechselnden Bezugspersonen lässt sich ein solchen Urvertrauen kaum anbahnen. Das Baby reduziert das komplex lächelnde Gesicht in all seinen Zügen zu einem ganz speziellen "Bedeutungs-Emoji" um - und wahrscheinlich (es kann uns das noch nicht verraten) sehr karikaturistisch und comic-haft: die Augen werden zu Kuller-Augen, deren Nuancen natürlich noch nicht differenziert werden können - und der liegende nach oben gebogene Halbmond-Mund ist eben ein Lächeln - ganz so wie im Leben ...
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MindMap |
Natürlich wird ein japanisches Baby kulturbedingt andere Emoji-Karikatur-Zeichen lernen und internalisieren als vielleicht das Kleinkind in Equador ... Sie können uns das leider nicht allgemeinverständlich übermitteln - und wir interpretieren nur ihre Reiz-Reaktions-Schematas, die uns darauf Hinweise geben können ...
Auf alle Fälle - so glaube ich - sind Emojis ganz tief eingeprägte sich immer mehr differenzierende uns profilierende Zeichen, mit denen der Mensch allmählich beginnt, in Kommunikation zu treten - in eine erste stumme Zeichensprache ... - zu deren vielschichtigen Bedeutungsanteilen uns wahrscheinlich gehörlose Menschen noch viel mehr "sagen" könnten ...
Wie Verkehrszeichen mit zum Teil multikulturell psychologisch ausgetüftelten Ver- und Gebots-Bedeutungen versehen - bringen sie uns zum abrupten Innehalten oder zeigen uns, wo und wie es lang geht: Zeichen und Emojis helfen uns zur Orientierung in dieser komplexen und komplizierten Welt - wir dürfen sie nicht unterschätzen ...
Die Comic-"Sprache" war auch mal so ein warnender erhobener Zeigefinger der Pädagogen: Sie hat sich in den Einwort-zeichenhaften-Sätzen Heranwachsender durchgesetzt: "Eeeiii Alter, Schnauze": da weiß doch jeder, was gemeint ist... - Und dieses "super"-schnelle zeichenhafte Gequatsche der jungen Generation in den Einwortsätzen und der maskenhaften Mimik dazu, spart beim Handy und beim Skypen einfach auch Übertragungsmasse und damit Kohle ...
"Fasse Dich kurz" stand anno dunnemals in den Telefonzellen zu lesen ... - und wenn Du nicht mehr weiterweißt, mal es auf: Ein MindMap ist auf alle Fälle mehr als ein paar Sprechblasen auf Papier - aber das ist wieder ein ganz anderes Thema ... S!