Interview: "Kommissar Faber ist kein Psycho"
Herr Hartmann, wie essen Sie eigentlich Ihre Pommes am liebsten?
JÖRG HARTMANN: (lacht) Ich muss gestehen, ich habe schon lange keine mehr gegessen. Aber wenn, dann finde ich es eigentlich mit allem am besten - also rot-weiß, die volle Ladung.
Ihre Eltern hatten schließlich mal eine Frittenbude im Ruhrgebiet. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit?
HARTMANN: Ich fand meine Kindheit in Herdecke wirklich großartig. Wir hatten damals hinter dem Haus einen großen Obstgarten, er war sehr verwinkelt und in den Gärten der Nachbarn hatten wir unsere Geheimwege. Die Frittenbude haben meine Eltern aber aufgegeben, als ich in die Schule kam. Ich kann mich dort noch an einen Raum erinnern, der war ganz hinten und nicht sonderlich charmant - aber dort habe ich immer gespielt.
Sie sind also Kind des Ruhrgebiets und die meisten denken bei Ihnen wahrscheinlich sofort an Kommissar Faber aus dem Dortmunder Tatort. Der wird oft als "Psycho" bezeichnet. Fühlen Sie sich darauf reduziert?
HARTMANN: Ihn als Psycho zu bezeichnen, finde ich sehr grenzwertig. Solche Schlagworte entstehen schnell. Das finde ich aber nicht gut, denn es kann Menschen abwerten, die ein Problem haben. Und dieser Faber hat nun mal ein Problem - seine Familie wurde umgebracht. Aber zu der Frage: Die Gefahr ist schon da, dass einem das anhängt. Dieses: Das ist doch der Typ, der immer die angeknacksten Kerle spielt, diese Psychos eben oder den unsympathischen Stasi-Offizier. Diese Denke ist leider weit verbreitet, auch bei den Entscheidungsträgern. Da würde man sich manchmal wünschen, dass sie in den Köpfen etwas freier sind.
Was bedeutet das für Sie?
HARTMANN: Man muss mit jeder Rolle zeigen, dass man natürlich auch andere Farben kann. Damit die Leute das dann endlich verstehen.
Und würden Sie gerade gerne einen anderen Charakter spielen und können es nicht?
HARTMANN: Die Möglichkeiten, die einem gegeben werden, sind nicht so üppig gesät, wie man es gerne hätte. Ich würde es natürlich gerne. Das ist mein Job, das ist das, was ich an meinem Beruf so liebe: die absolute Verwandlung. Ich versuche es mit jedem Film, ein paar sind sozusagen gerade noch in der Pipeline. In denen bediene ich auch andere, komödiantische Facetten. Wenn ich immer dasselbe machen würde, würde ich mich auch irgendwann langweilen.
Sie haben gesagt, Kommissar Faber wird oft falsch dargestellt. Wie ist er denn und was mögen Sie an ihm?
HARTMANN: Seine Kompromisslosigkeit, seine Art zu Recherchieren. Diese Kompromisslosigkeit zeigt er gegenüber anderen, aber auch gegenüber sich selbst. Er schont sich nicht. Ich mag aber mittlerweile auch seine spezielle Art des Humors, die im nächsten Teil mal wieder etwas stärker zum Tragen kommt. Und als Schauspieler liebe ich es, in die Welt dieser Figur einzutauchen, die nichts mit mir zu tun hat. Weil diese Schwere, die der Faber hat, die habe ich nicht.
Mögen die Zuschauer ihn mittlerweile mehr als am Anfang?
HARTMANN: Ich sage mal ganz klar: Ja. Viele, die am Anfang skeptisch waren, haben ihn mittlerweile mehr verstanden und lieb gewonnen. Ich denke, viele erkennen in ihm auch die eigenen Fehlbarkeiten. Und bei der Premiere des neuen Tatortes in Dortmund habe ich gemerkt, wie sehr die Zuschauer an diesen Figuren hängen. Sie wollen wissen, wie es mit ihnen weitergeht, das ist toll.
Bekommen Sie noch viele Rückmeldungen, dass Ihre Polizeiarbeit unrealistisch ist?
HARTMANN: Das hat sich gelegt. Natürlich hat das mit dem Job des Polizisten nichts - na ja, ich will nicht sagen nichts zu tun, denn es hat damit ja was zu tun - aber es ist natürlich nie der Anspruch gewesen, 100 Prozent reale Polizeiarbeit abzubilden. Ich glaube auch nicht, dass der Zuschauer das erwartet. Und wenn der WDR drei Tatort-Formate bringt, muss man sich ja auch irgendwie abgrenzen.
Drei WDR-Tatorte und 22 Tatort-Teams insgesamt, ist das zu viel?
HARTMANN: Das ist für jemanden, der da mitmischt, natürlich schwierig zu sagen. Aber man muss aufpassen: Schnell ist etwas überreizt. Und wenn auf allen Ebenen immer mit dem Gleichen geworben wird, dann ist der Zuschauer irgendwann gesättigt.
In letzter Zeit hat man das Gefühl, dass die Konkurrenz unter den Kommissaren und Schauspielern zunimmt. . .
HARTMANN: So etwas interessiert mich nicht. Mich interessiert nur diese Rolle, unser Dortmunder Format. Ich bin froh, das machen zu dürfen, aber ich möchte mich nicht nur darüber definieren. Ich gucke nicht jeden Sonntag Tatort, die Zeit habe ich ganz ehrlich gar nicht. Und ich muss auch keinen Kommentar zu irgendwelchen Kollegen abgeben.
Das machen ja auch genügend Zuschauer im Netz.
HARTMANN: Dieser Wahnsinn, alles sofort bewerten zu müssen und sofort nach dem Ende eine Meinung dazu haben zu müssen, das finde ich schon eine Krankheit unserer Zeit. Aber man sollte die Kommentare im Internet auch nicht überbewerten. Für die meisten ist der Tatort etwas, über das man sich dann montags unterhält - wie ein Fußballspiel.
Komissar Faber und der Stasi-Offizier Kupfer, wie schaffen Sie es, sich in diese besonderen Charaktere einzufühlen?
HARTMANN: Ich versuche immer, mir eine Biografie zu der Figur zu bauen. Die erschließe ich mir aus dem Text, der im Drehbuch steht. Ich muss herauskriegen: Was ist das für einer? Warum ist der so und warum geht er so mit den Menschen um? Wie war seine Kindheit? Auch wenn der Zuschauer das noch nicht weiß. Ich spiele also nicht nur die Situation, die da gerade im Drehbuch vorgegeben ist, sondern versuche, an den Kern zu kommen. Bei Faber war das wirklich Arbeit. Und bei dem Stasi-Offizier in Weissensee war es wichtig, zu verstehen, warum die Menschen so denken: Warum will der die DDR mit allen Mitteln erhalten? Dafür habe ich viel in Büchern, Stasi-Akten und Doktorarbeiten gelesen.
Die Rolle des Stasi-Offiziers Kupfer war Ihr Durchbruch im Fernsehen. Da waren Sie 40. Das ist jetzt nicht sehr alt. . .
HARTMANN: . . . aber es ist auch nicht blutjung, machen wir uns nichts vor (lacht)!
Das haben Sie gesagt, aber warum sind Sie so spät vom Theater zum Fernsehen gegangen?
HARTMANN: Ich bin 2009 mit 40 weg von der Schaubühne und na ja - ich wollte schon immer drehen. Mich hat die Arbeit vor der Kamera schon immer interessiert, weil ich auch glaubte, dass sie ganz gut für mich ist. Das Spielen auf der Bühne hat mich irgendwann genervt, weil ich immer vergrößern musste, um auch beim Zuschauer in Reihe Zehn anzukommen. Ich wollte mein Spiel kleiner halten. Und die Kamera sieht nun mal alles. Zunächst wollte ich natürlich mein Handwerk am Theater lernen und ich liebe das auch. Aber als es dann auf die 40 zuging, dachte ich: Oh Junge, jetzt komm mal aus dem Quark, sonst ist der Zug vielleicht abgefahren.
Und dann?
HARTMANN: Ich habe lange überlegt, ob ich meine Stelle an der Schaubühne aufgeben soll. So eine Entscheidung trifft man nicht mal eben so. Ich habe es gemacht - und dann wollte es der Zufall einfach so, dass dieses Casting für Weißensee kam. Das war ein großes Glück, das sollte irgendwie so sein.
Sind Sie ein Serien-Gucker?
HARTMANN: Ich bin kein Serien-Junkie. Ich habe es bis heute noch nicht mal geschafft, Breaking Bad zu gucken. Und wenn es dann so einen riesigen Hype gibt, langweilt mich das eher. Dann habe ich aus Prinzip so eine komische innere Antihaltung: Ich muss jetzt nicht auch noch das konsumieren. All diese Serien sind so aufgebaut, dass man immer weitergucken muss, aber bei vielen wiederholt es sich oft ab einem gewissen Punkt. Das ist mir zu viel Zeit. Ich habe drei Kinder - dann lernt man, den abgeschlossenen, zweistündigen Film zu schätzen. Es gibt natürlich tolle Serien, aber ich bin nicht anfällig, süchtig zu werden. Obwohl. . . das stimmt nicht, vor Jahren war ich es bei "Six feet under".
Warum funktionierte Weissensee so gut, im Gegensatz zu anderen deutschen Serien?
HARTMANN: Es wird schnell gesagt: Das war ein Quotenmisserfolg. Aber wenn in Anführungsstrichen nur zwei Millionen eine Serie gucken - das ist doch wahnsinnig viel. Auch in Amerika gucken, verglichen mit der Bevölkerungszahl, oft nicht mehr diese Serien im Fernsehen. Aber sie werden dann halt weltweit geguckt, das ist bei uns schwieriger. Warum Weissensee dann so gut funktioniert hat, ist schwer zu sagen. Vielleicht, weil man über diese private Familiengeschichte viel über die DDR erfahren konnte. Und qualitativ ist es einfach gut gemacht.
Den Tatort-Fans müssen Sie jetzt zum Schluss natürlich noch verraten, was sie bei "Zahltag" erwartet.
HARTMANN: Der Fall spielt im Rocker-Milieu. Es gab eine Schießerei auf offener Straße am helllichten Tag, auch Passanten kommen zu Schaden. Wie die Rocker miteinander verquickt sind, beruht auf Tatsachen. Die andere Geschichte ist, dass die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Faber weiter verhandelt wird und es steht die Frage im Raum, ob er suspendiert wird. Ich bin sehr gespannt, wie die Leute reagieren werden, denn diese Geschichte hat dann nichts mit dem aktuellen Fall zu tun.
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© 2016 Neue Westfälische, Samstag 08. Oktober 2016
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also ich freu mich auf den "tatort" aus dortmund heute abend - mehr noch als auf ein x-beliebiges länderspiel ...
diese "kommissar-faber-rolle", wie sie der jörg hartmann gibt, ist einfach klasse ... - also da schalte ich eher bei "wilsberg" oder bei kriminalhauptkommissar frank thiel und rechtsmediziner professor dr. karl-friedrich boerne aus münster weg - das ist mir zuviel oberflächlicher klamauk bzw. krimikomödie...
faber hingegen ist tiefsinnig, voller emotionen, voller psychologischen verwicklungen - eine echte krimi-tragödie, ein psycho-thriller zumeist.
und die art und weise wie er mit seiner krimikollegin martina bönisch (anna schudt) die jeweiligen taten in der pantomime und stegreif-rekonstruktion auf der suche nach motiven fast "ganz in echt" nachinszeniert ist einfach unübertrefflich - und getragen von echter empathie ... für mich ist das immer ganz großes kino ... S!
Zwei Fernsehrollen machten den Schauspieler Jörg Hartmann bekannt: Die des Dortmunder Tatort-Kommissars Faber und die Rolle des Stasi-Offiziers Falk Kupfer in der Erfolgsserie Weissensee.
Die Charaktere findet der 47-Jährige immer noch spannend - aber er hat keine Lust, darauf reduziert zu werden. Doch das ist manchmal gar nicht so einfach.
Das Gespräch führt Anne Wunsch | NW
S!|art: Kommissar Faber |
JÖRG HARTMANN: (lacht) Ich muss gestehen, ich habe schon lange keine mehr gegessen. Aber wenn, dann finde ich es eigentlich mit allem am besten - also rot-weiß, die volle Ladung.
Ihre Eltern hatten schließlich mal eine Frittenbude im Ruhrgebiet. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit?
HARTMANN: Ich fand meine Kindheit in Herdecke wirklich großartig. Wir hatten damals hinter dem Haus einen großen Obstgarten, er war sehr verwinkelt und in den Gärten der Nachbarn hatten wir unsere Geheimwege. Die Frittenbude haben meine Eltern aber aufgegeben, als ich in die Schule kam. Ich kann mich dort noch an einen Raum erinnern, der war ganz hinten und nicht sonderlich charmant - aber dort habe ich immer gespielt.
Sie sind also Kind des Ruhrgebiets und die meisten denken bei Ihnen wahrscheinlich sofort an Kommissar Faber aus dem Dortmunder Tatort. Der wird oft als "Psycho" bezeichnet. Fühlen Sie sich darauf reduziert?
HARTMANN: Ihn als Psycho zu bezeichnen, finde ich sehr grenzwertig. Solche Schlagworte entstehen schnell. Das finde ich aber nicht gut, denn es kann Menschen abwerten, die ein Problem haben. Und dieser Faber hat nun mal ein Problem - seine Familie wurde umgebracht. Aber zu der Frage: Die Gefahr ist schon da, dass einem das anhängt. Dieses: Das ist doch der Typ, der immer die angeknacksten Kerle spielt, diese Psychos eben oder den unsympathischen Stasi-Offizier. Diese Denke ist leider weit verbreitet, auch bei den Entscheidungsträgern. Da würde man sich manchmal wünschen, dass sie in den Köpfen etwas freier sind.
Was bedeutet das für Sie?
HARTMANN: Man muss mit jeder Rolle zeigen, dass man natürlich auch andere Farben kann. Damit die Leute das dann endlich verstehen.
Und würden Sie gerade gerne einen anderen Charakter spielen und können es nicht?
HARTMANN: Die Möglichkeiten, die einem gegeben werden, sind nicht so üppig gesät, wie man es gerne hätte. Ich würde es natürlich gerne. Das ist mein Job, das ist das, was ich an meinem Beruf so liebe: die absolute Verwandlung. Ich versuche es mit jedem Film, ein paar sind sozusagen gerade noch in der Pipeline. In denen bediene ich auch andere, komödiantische Facetten. Wenn ich immer dasselbe machen würde, würde ich mich auch irgendwann langweilen.
Und als Schauspieler liebe ich es, in die Welt dieser Figur einzutauchen, die nichts mit mir zu tun hat. Weil diese Schwere, die der Faber hat, die habe ich nicht.
Sie haben gesagt, Kommissar Faber wird oft falsch dargestellt. Wie ist er denn und was mögen Sie an ihm?
HARTMANN: Seine Kompromisslosigkeit, seine Art zu Recherchieren. Diese Kompromisslosigkeit zeigt er gegenüber anderen, aber auch gegenüber sich selbst. Er schont sich nicht. Ich mag aber mittlerweile auch seine spezielle Art des Humors, die im nächsten Teil mal wieder etwas stärker zum Tragen kommt. Und als Schauspieler liebe ich es, in die Welt dieser Figur einzutauchen, die nichts mit mir zu tun hat. Weil diese Schwere, die der Faber hat, die habe ich nicht.
Mögen die Zuschauer ihn mittlerweile mehr als am Anfang?
HARTMANN: Ich sage mal ganz klar: Ja. Viele, die am Anfang skeptisch waren, haben ihn mittlerweile mehr verstanden und lieb gewonnen. Ich denke, viele erkennen in ihm auch die eigenen Fehlbarkeiten. Und bei der Premiere des neuen Tatortes in Dortmund habe ich gemerkt, wie sehr die Zuschauer an diesen Figuren hängen. Sie wollen wissen, wie es mit ihnen weitergeht, das ist toll.
Bekommen Sie noch viele Rückmeldungen, dass Ihre Polizeiarbeit unrealistisch ist?
HARTMANN: Das hat sich gelegt. Natürlich hat das mit dem Job des Polizisten nichts - na ja, ich will nicht sagen nichts zu tun, denn es hat damit ja was zu tun - aber es ist natürlich nie der Anspruch gewesen, 100 Prozent reale Polizeiarbeit abzubilden. Ich glaube auch nicht, dass der Zuschauer das erwartet. Und wenn der WDR drei Tatort-Formate bringt, muss man sich ja auch irgendwie abgrenzen.
Drei WDR-Tatorte und 22 Tatort-Teams insgesamt, ist das zu viel?
HARTMANN: Das ist für jemanden, der da mitmischt, natürlich schwierig zu sagen. Aber man muss aufpassen: Schnell ist etwas überreizt. Und wenn auf allen Ebenen immer mit dem Gleichen geworben wird, dann ist der Zuschauer irgendwann gesättigt.
In letzter Zeit hat man das Gefühl, dass die Konkurrenz unter den Kommissaren und Schauspielern zunimmt. . .
HARTMANN: So etwas interessiert mich nicht. Mich interessiert nur diese Rolle, unser Dortmunder Format. Ich bin froh, das machen zu dürfen, aber ich möchte mich nicht nur darüber definieren. Ich gucke nicht jeden Sonntag Tatort, die Zeit habe ich ganz ehrlich gar nicht. Und ich muss auch keinen Kommentar zu irgendwelchen Kollegen abgeben.
Das machen ja auch genügend Zuschauer im Netz.
HARTMANN: Dieser Wahnsinn, alles sofort bewerten zu müssen und sofort nach dem Ende eine Meinung dazu haben zu müssen, das finde ich schon eine Krankheit unserer Zeit. Aber man sollte die Kommentare im Internet auch nicht überbewerten. Für die meisten ist der Tatort etwas, über das man sich dann montags unterhält - wie ein Fußballspiel.
Komissar Faber und der Stasi-Offizier Kupfer, wie schaffen Sie es, sich in diese besonderen Charaktere einzufühlen?
HARTMANN: Ich versuche immer, mir eine Biografie zu der Figur zu bauen. Die erschließe ich mir aus dem Text, der im Drehbuch steht. Ich muss herauskriegen: Was ist das für einer? Warum ist der so und warum geht er so mit den Menschen um? Wie war seine Kindheit? Auch wenn der Zuschauer das noch nicht weiß. Ich spiele also nicht nur die Situation, die da gerade im Drehbuch vorgegeben ist, sondern versuche, an den Kern zu kommen. Bei Faber war das wirklich Arbeit. Und bei dem Stasi-Offizier in Weissensee war es wichtig, zu verstehen, warum die Menschen so denken: Warum will der die DDR mit allen Mitteln erhalten? Dafür habe ich viel in Büchern, Stasi-Akten und Doktorarbeiten gelesen.
Die Rolle des Stasi-Offiziers Kupfer war Ihr Durchbruch im Fernsehen. Da waren Sie 40. Das ist jetzt nicht sehr alt. . .
HARTMANN: . . . aber es ist auch nicht blutjung, machen wir uns nichts vor (lacht)!
Das haben Sie gesagt, aber warum sind Sie so spät vom Theater zum Fernsehen gegangen?
HARTMANN: Ich bin 2009 mit 40 weg von der Schaubühne und na ja - ich wollte schon immer drehen. Mich hat die Arbeit vor der Kamera schon immer interessiert, weil ich auch glaubte, dass sie ganz gut für mich ist. Das Spielen auf der Bühne hat mich irgendwann genervt, weil ich immer vergrößern musste, um auch beim Zuschauer in Reihe Zehn anzukommen. Ich wollte mein Spiel kleiner halten. Und die Kamera sieht nun mal alles. Zunächst wollte ich natürlich mein Handwerk am Theater lernen und ich liebe das auch. Aber als es dann auf die 40 zuging, dachte ich: Oh Junge, jetzt komm mal aus dem Quark, sonst ist der Zug vielleicht abgefahren.
Und dann?
HARTMANN: Ich habe lange überlegt, ob ich meine Stelle an der Schaubühne aufgeben soll. So eine Entscheidung trifft man nicht mal eben so. Ich habe es gemacht - und dann wollte es der Zufall einfach so, dass dieses Casting für Weißensee kam. Das war ein großes Glück, das sollte irgendwie so sein.
Sind Sie ein Serien-Gucker?
HARTMANN: Ich bin kein Serien-Junkie. Ich habe es bis heute noch nicht mal geschafft, Breaking Bad zu gucken. Und wenn es dann so einen riesigen Hype gibt, langweilt mich das eher. Dann habe ich aus Prinzip so eine komische innere Antihaltung: Ich muss jetzt nicht auch noch das konsumieren. All diese Serien sind so aufgebaut, dass man immer weitergucken muss, aber bei vielen wiederholt es sich oft ab einem gewissen Punkt. Das ist mir zu viel Zeit. Ich habe drei Kinder - dann lernt man, den abgeschlossenen, zweistündigen Film zu schätzen. Es gibt natürlich tolle Serien, aber ich bin nicht anfällig, süchtig zu werden. Obwohl. . . das stimmt nicht, vor Jahren war ich es bei "Six feet under".
Warum funktionierte Weissensee so gut, im Gegensatz zu anderen deutschen Serien?
HARTMANN: Es wird schnell gesagt: Das war ein Quotenmisserfolg. Aber wenn in Anführungsstrichen nur zwei Millionen eine Serie gucken - das ist doch wahnsinnig viel. Auch in Amerika gucken, verglichen mit der Bevölkerungszahl, oft nicht mehr diese Serien im Fernsehen. Aber sie werden dann halt weltweit geguckt, das ist bei uns schwieriger. Warum Weissensee dann so gut funktioniert hat, ist schwer zu sagen. Vielleicht, weil man über diese private Familiengeschichte viel über die DDR erfahren konnte. Und qualitativ ist es einfach gut gemacht.
Den Tatort-Fans müssen Sie jetzt zum Schluss natürlich noch verraten, was sie bei "Zahltag" erwartet.
HARTMANN: Der Fall spielt im Rocker-Milieu. Es gab eine Schießerei auf offener Straße am helllichten Tag, auch Passanten kommen zu Schaden. Wie die Rocker miteinander verquickt sind, beruht auf Tatsachen. Die andere Geschichte ist, dass die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Faber weiter verhandelt wird und es steht die Frage im Raum, ob er suspendiert wird. Ich bin sehr gespannt, wie die Leute reagieren werden, denn diese Geschichte hat dann nichts mit dem aktuellen Fall zu tun.
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INFO
Jörg Hartmann ist 47 Jahre alt. Er wurde in Hagen geboren und wuchs in Herdecke im Ruhrgebiet auf. Mittlerweile lebt er mit seiner Familie in Potsdam. Seine Schauspielausbildung absolvierte er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Von 1999 bis 2009 war er festes Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne, an der er jetzt auch wieder arbeitet. Für seine Rolle als Stasi-Offizier Falk Kupfer in der ARD-Fernsehserie Weissensee bekam er 2011 den Deutschen Fernsehpreis. Im Dortmunder Tatort-Team ist er seit 2012 als Kriminalhauptkommissar Peter Faber zu sehen. Am Sonntag, 9. Oktober, wird der neue Dortmund-Tatort "Zahltag" um 20.15 Uhr in der ARD gezeigt.
© 2016 Neue Westfälische, Samstag 08. Oktober 2016
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also ich freu mich auf den "tatort" aus dortmund heute abend - mehr noch als auf ein x-beliebiges länderspiel ...
diese "kommissar-faber-rolle", wie sie der jörg hartmann gibt, ist einfach klasse ... - also da schalte ich eher bei "wilsberg" oder bei kriminalhauptkommissar frank thiel und rechtsmediziner professor dr. karl-friedrich boerne aus münster weg - das ist mir zuviel oberflächlicher klamauk bzw. krimikomödie...
faber hingegen ist tiefsinnig, voller emotionen, voller psychologischen verwicklungen - eine echte krimi-tragödie, ein psycho-thriller zumeist.
und die art und weise wie er mit seiner krimikollegin martina bönisch (anna schudt) die jeweiligen taten in der pantomime und stegreif-rekonstruktion auf der suche nach motiven fast "ganz in echt" nachinszeniert ist einfach unübertrefflich - und getragen von echter empathie ... für mich ist das immer ganz großes kino ... S!