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Ab in den Papierkorb
Ist das verbraucht - oder kann das weg ... ???
Aktion: Zahlreiche Leser haben uns ihre "überflüssigen Worte" geschickt. "Sozusagen" und "nichtsdestotrotz" führen die Liste an
Von Stefan Brams | NW
Auf der Frankfurter Buchmesse konnten Gäste "überflüssige Worte"abgeben. Der Künstler Dirk Hülstrunk hatte die Aktion in seinem "Büro für überflüssige Worte"gestartet. Die Berichterstattung über Hülstrunks Aktion hatten wir zugleich mit einem Aufruf an unsere Leser verbunden, uns ihre "überflüssigen Worte" zu schicken. Mehr als 30 Leser haben mitgemacht. Hier eine Auswahl der Leser-Vorschläge.
Führte Hülstrunks Hitliste das Füllwort "eigentlich"an, so landete bei unseren Lesern "sozusagen" ganz vorne. Günter Sahm hat beobachtet, dass SPD-Chef Gabriel es "fast in jedem zweiten Satz verwendet". Für Sahm ist es schlicht "Wortmüll, der ab in den Korb gehört". Monika Höhne hat festgestellt, dass Kanzlerin Merkel sprachlich zumindest ganz nah bei ihrem Vize ist und ebenfalls nicht auf "sozusagen" verzichten mag. Verwendet werde es von ihr "wie immer ohne sinnvollen Zusammenhang". Für Eva Steffens ist es schlicht ein "Graus" und Renate Schröder findet es "entsetzlich - ein Wort ohne jede Aussage".
Uta Ulrich aus Detmold mag das Wort "oft" nicht, das sie zudem "unschön falsch" findet. Sie plädiert dafür, es durch "häufig" zu ersetzen. Ihre Begründung: Letzteres sei wunderbar zu steigern: "häufig, häufiger, am häufigsten. Und wie ist es mit ,oft?: etwa oft, öfter, am öftersten? Sogar der Rechner unterstreicht es als falsch."
Bernhard Zurheide gibt "nur" und "auch" ab. Mit "nur" werde versucht, die größten Gemeinheiten und Schlechtigkeiten herunterzuspielen". Und "auch" ist für ihn ein "typisches Mitmach- und Mitläuferwort"."Ich wollte nur auch mal eine Mail an Sie senden", schließt er seine Zuschrift augenzwinkernd.
Monika Höhne macht es kurz: "Der Ausdruck ,sag ich mal'ist genauso beliebt wie überflüssig!". Monika Hüls hält das Wort "superlecker" für überflüssig, "weil es nur wenig aussagt". Und da man es überall liest, nehme man es kaum noch ernst. Und so entgehe einem vielleicht, "dass sich mal auch etwas wirklich besonders Schmackhaftes dahinter verbirgt".
In dem Satz "Ich kann leider nicht persönlich kommen", hält Ursula Mecking das "persönlich" für überflüssig. "Vielleicht unpersönlich?", fragt sie zurück.
Wilfried Thiede hat beobachtet, dass offenbar kein Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit mehr ohne Forderung nach einem "neuen Narrativ" auskommt. Er mutmaßt, dass es offensichtlich den "Paradigmenwechsel" abgelöst hat. Zudem kritisiert er, dass "zeitgleich" das treffendere "gleichzeitig" abgelöst hat und mutmaßt: "Möglicherweise ist es aus dem Sportteil der Zeitungen in den allgemeinen Sprachgebrauch herübergeschwappt."
Für Sigrid Tenge-Erb ist die Satzeinleitung "ich denke""eine überflüssige und zugleich arrogante Einleitung zur Darstellung einer persönlichen Meinung". Liesel Schmüser hat sich angewöhnt während eines Gesprächs im Freundes- oder Familienkreis Füllwörter mitzuzählen. Vor allem "im Prinzip", "halt", "lange Rede kurzer Sinn" sind ihr dabei als häufig benutzte Füllwörter negativ aufgefallen.
Manfred Düscher stößt die Formulierung"Würde ich sagen" negativ auf, "denn entweder ich sage etwas oder eben nicht und komme nicht so pflaumenweich daher". "Wörter" hält er auch für überflüssig, weil "Worte" der korrekte Plural sei.
"Dämlich" findet Peter Sewerin "nichtsdestotrotz" und "zeitnah". Ersterem schließt sich auch Christine Reuner an und bringt zudem ihre Abscheu gegenüber dem Wort "Erwartungshaltung" zum Ausdruck. Für Brigitte Nischik ist "nichtsdestotrotz" ein "Dada-Wort, das sich in die deutsche Sprache eingeschlichen hat." Eveline Taut hält "von daher gesehen" für überflüssig und Bianca Radau findet "bio" sogar "völlig überflüssig". "Ich frage mich jedes Mal von welchem Agrarplaneten die Produkte stammen sollen und wie viele Lichtjahre der wohl entfernt ist".
Jakob Geier regt sich über die inflationäre Verwendung von "definitiv" auf, "an dessen Stelle doch ein einfaches ,Ja? genügen würde".
Das Wort "immer" möchte Maria Ast gestrichen wissen. Ihre Begründung: ",Immer? kann nur Enttäuschung, Frust, Unfrieden produzieren - weil wir es mit etwas Absolutem gleichsetzen. Freiheit und Frieden, Versöhnung, Verständnis und Veränderung ist mit ,immer? nicht zu erreichen."
Zum Schluss dieses Artikels sei Sabine Hütwohl zitiert. Sie empfiehlt uns Abschied zu nehmen von "mal gerade eben". Denn alles, was wir "mal gerade eben" machen wollen, klappt sowieso nicht, wie wir uns das in dem Moment wünschen. Irgendwas kommt immer dazwischen. Dazu fehlt dann wohl doch schlicht die Konzentration, die jede Tätigkeit für sich scheinbar braucht. So führen diese Worte ständig zu enttäuschten Erwartungen, zu Frust." Und wer will das schon. Daher ab in den Papierkorb damit.
© 2016 Neue Westfälische, Montag 31. Oktober 2016
ich habe bereits am 21.10. in diesem blog (link) über das "büro für überflüssige worte" vom künstler dirk hülstrunk berichtet - und von einer ganzen reihe von wortschrott - und möchte deshalb diese leserbefragung der nw hinzufügen ... -
wiederum muss ich in diesem zusammenhang auf den ollen luther verweisen, der ja derzeitig in aller munde ist: er hat ja bei der übersetzung der bibel gern "dem volk auf das maul geschaut" - der publizist bruno preisendörfer meint zu luther: "Luther war ein wortgewaltiger Mensch, bisweilen auch ein echter Abkanzler, der mit viel Einfallsreichtum auf allen Ebenen herumpolterte – womit er gewissermaßen dem "Sound" seiner Zeit entsprach, der kulturgeschichtlich als Grobianismus charakterisiert worden ist. Gegen diesen Grobianismus gab es damals schon Kampfschriften, die ihrerseits so wortgewaltig wie wortgewalttätig waren", - und deshalb werden wir auch 500 jahre später immer wieder inflationäre und falsche benutzung von worten hören - jeweils in wellen - wie wir es ja schon von der mode und den sitten kennen.
zur zeit wundert man sich ja allerseits über die "verrohung" der sprache: und mit all diesen vermeintlichen füllseln zeichnet sich eben auch eine "hochsprache" aus - mit "lügenpresse - halt die fresse" ist eben auch ein selten erreichter tiefpunkt in bildung, "deutscher" (!) sprachverschlankung und denkfaulheit erreicht - in diesem unserem lande ...
neben dem wort "grenze", über das ich mich ja schon ausgelassen hatte - muss ich das wort "gerne"diesem wort- und sinnschrott hinzufügen ...: an jeder discounterkasse, in jedem restaurant, bei jedem friseur, bei jeder weiteren dienstleistung wird dieses wort geradezu reflexiv und tatsächlich inflationär verwandt: und dadurch gerät der tatsächliche sinn z.B. in "ich hab dich zum fressen gern" völlig in misskredit...
liebe dienstleiter: verzichtet in euren serviceschulungen auf dieses "unwort" - das wort "gerne" habt ihr in seiner schönen freundlich vereinnahmenden bedeutung endgültig verbrannt ... S!
die überflüssigsten worte aus dem "büro"... |