Religionen für die Schöpfung
Das Abrahamische Forum diskutierte über Naturschutz und stellte Projekte von Kirchen, Moscheen und Synagogen vor
Der Frankfurter Zoodirektor Manfred Niekisch stimmte beim Dialogforum »Religionen und Naturschutz« die siebzig Teilnehmer auf das Thema ein. Die Erde erlebe gerade die »sechste Aussterbewelle«, sagte er im Hinblick auf den dramatischen Rückgang der Artenvielfalt, diesmal »eine vom Menschen gemachte«. Es gebe eine »Krise der Biodiversität, wie wir sie noch nie hatten«. Das Abrahamische Forum, das zu dem Treffen eingeladen hatte, wurde 2001 von Angehörigen verschiedener Religionen gegründet, um sich für ein »friedliches Zusammenleben« einzusetzen. Angesichts der dramatischen Umweltprobleme befassen sie sich seit einiger Zeit auch mit dem Naturschutz. Für den Rückgang der Artenvielfalt machen die Religionsvertreter die die »Ressourcen überbeanspruchenden Formen des Wirtschaftens, Produzierens und Konsumierens, soziale Ungerechtigkeit« und den »Unfrieden in der Welt« verantwortlich, so schrieben die Gläubigen aus neun Religionen nach dem ersten Dialogforum in Bonn vor zwei Jahren. Auch der Klimawandel sei gravierend. »Menschen verlieren ihre Lebensgrundlagen und sind zur Flucht gezwungen.«
Doch was kann ein kleiner Kreis wie das Abrahamische Forum dagegen ausrichten? Es gründet ein bundesweites Netzwerk, schickt Teams in Schulen, um mit Jugendlichen über Religion und Naturschutz zu reden, und es initiiert »Religiöse Naturschutzwochen« wie kürzlich in Darmstadt – mit Debatten über die Umweltenzyklika »Laudato Si’« von Papst Franziskus oder das Naturverständnis der Religionen, mit Meditation im Freien und Baumpflanzaktionen. Die nächste Naturschutzwoche wird 2018 in Osnabrück sein.
Alle zwei Jahre laden die Religionsvertreter außerdem zum Dialogforum ein. Diesmal wurden unter anderem »Best-Practice«-Beispiele präsentiert, die zeigen, wie rund um Moscheen, Kirchen und Synagogen »Orte der biologischen Vielfalt« entstehen können. Die evangelische Gemeinde Steeden im Dekanat Runkel bei Limburg etwa hat Wiesenblumen an der Kirche ausgesät, wo vorher Rasen war. Mitglieder der jüdischen Gemeinde Augsburg pflanzten Kräuter und Gemüse, und zwar in Weinkisten, weil unter dem Rasen Rohre verlaufen. Die Gläubigen können sich im Sommer nach dem Gottesdienst im Garten versammeln und frischen Minztee genießen. Beim Dialogforum stellten sich auch Initiativen vor. Die Umweltschutzorganisation NourEnergy berät ehrenamtlich muslimische Gemeinden bei der Nutzung der Solarenergie. Sie engagiert sich auch für ein Projekt in Afghanistan, wo ein Waisenhaus in Kabul einen Brunnen und eine Fotovoltaikanlage bekommen soll. Zahlreiche Kirchengemeinden beteiligen sich außerdem am Umweltzertifizierungsprogramm Grüner Hahn. Das alles verändert nicht die Welt, aber es schafft Gemeinschaftserlebnisse und lässt das Umweltbewusstsein wachsen. Das ist, wie bei der Tagung gesagt wurde, auch bei Pfarrern und Imamen nicht immer vorhanden.
Naturschutz ist jedoch noch mehr, als in der Erde zu wühlen, Nistkästen aufzuhängen und Fotovoltaikanlagen zu installieren. Er bringt Menschen aller Kulturen und Religionen zusammen, denn »Natur ist das Größte, was uns verbindet«, sagte ein Vertreter der Jesiden. Insofern ist Naturschutz auch ein Friedensprojekt, wie bei der Tagung betont wurde. Manfred Niekisch sieht darin zugleich »eine Überlebensaufgabe der Menschheit«. Der biblische Satz »Macht euch die Erde untertan« brauche eine »moderne Interpretation«, sagte der Zoodirektor. Die Tagung zeigte, wie die aussehen kann. Markus Dobstadt
www.abrahamisches-forum.de
Text: Publik-Forum 22 | 2017 - S. 14/15 unten