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becquerel - ist das eine margarine ???...

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feldhamster - Singdrossel

„Wir brauchen 
eine mittlere Katastrophe“

Peter Berthold ist Ornithologe und Bestsellerautor. 
Unser Autor JĂŒrgen Roth hat mit ihm ĂŒber die Chlorophyll-Krankheit, das langsame Sterben des Feldhamsters und die Idiotie der Monokulturen gesprochen.


Im ersten Stock des Instituts in Radolfzell werden zwei Balistare in einer Voliere gehalten. Von diesen Vögeln leben in freier Wildbahn nur noch etwa hundert Exemplare und Peter Berthold hofft, dass die zwei irgendwann einmal brĂŒten. In seinem Arbeitszimmer nebenan unterhalten wir uns ĂŒber die – nicht nur hierzulande – katastrophalen ökologischen VerhĂ€ltnisse und Entwicklungen.

Ich habe mich auf unser GesprĂ€ch recht ordentlich vorbereitet, aber wĂ€hrend der Herfahrt dachte ich: Vorbereitung schön und gut, doch man muss ja bloß schauen. Man fĂ€hrt durch Landschaften, die nicht nur ausgerĂ€umt, sondern geradezu gepeinigt, gequĂ€lt wirken. Erst hinter Stuttgart wurde es ein wenig besser, hatte ich den Eindruck. 
Ja. Wir haben viele Landstriche, die inzwischen wie ökologische WĂŒsten aussehen. Das einzige, was aus der Landschaft an, sagen wir mal: NatĂŒrlichkeit noch herausleuchtet, ist die Farbe GrĂŒn, weil wir Gott sei Dank noch keinen Chlorophyll-Zerfall oder keine Chlorophyll-Krankheit haben. Es ist gar nicht lange her, dass eine grĂ¶ĂŸere Abordnung einer großen Partei hier im Institut war, und die Leute sagten: „Sagen Sie mal, Herr Berthold, es ist doch bei uns alles grĂŒn!“ – Ja, grĂŒn ist es Gott sei Dank schon noch. Aber das ist nur die TĂŒnche. Wir haben so viele Gebiete, in denen wir zwar noch grĂŒne Wiesen haben, aber wenn Sie in die Struktur der Wiese hineinschauen, sehen Sie, dass das im Grunde nur noch eine ProduktionsstĂ€tte entweder fĂŒr Kuhfutter oder fĂŒr Bioenergie ist. Mit Wiese hat das nichts mehr zu tun. Gott sei Dank ist das GrĂŒn noch da. Es wĂŒrde uns eigentlich noch fehlen, dass wir eine Chlorophyll-Krankheit bekommen – was man nicht ausschließen kann.

Inwiefern könnte das passieren? 
Zum Beispiel durch einen Gendefekt. Es könnte auch durch genetische Manipulationen von Pflanzen passieren. Dann könnte die Produktion von Chlorophyll zerstört werden. Über Transgene könnte diese Krankheit in andere Pflanzen hineingeraten. Man stelle sich beispielsweise mal vor, der Mais bei uns wĂ€re nicht mehr homogen grĂŒn, sondern wĂŒrde langsam panaschiert – bekĂ€me also weiße Flecken –, und das Weiß nĂ€hme zu, zehn Prozent, zwanzig Prozent, dreißig Prozent, achtzig Prozent. Sie können sich vorstellen, was dann los wĂ€re. Denn nur die grĂŒne Blattmasse ist in der Lage, zu assimilieren und etwas VernĂŒnftiges fĂŒr uns zu produzieren. Das wĂ€re schon ein heftiger Schlag ins Kontor. (Lacht.)

Warum lachen Sie da? 
Wissen Sie, das, was bei uns im Lande zur Zeit, ja seit etlichen Jahrzehnten passiert, kann man ja nur mit viel Humor ertragen. NĂ€hme man das alles ganz tierisch ernst, mĂŒsste man sich jeden Morgen vor dem FrĂŒhstĂŒck die Kugel geben.




Ich wollte Sie das tatsĂ€chlich fragen – und ich möchte Ihnen weiß Gott nicht zu nahe treten –: warum Sie offenbar nicht depressiv werden. 
Das ist vielleicht eine glĂŒckliche Veranlagung. Und ich muss auch sagen, dass ich meine Lebens- und Überlebensangst im Hinblick auf das Leben auf der Erde, diese BefĂŒrchtungen, die ich frĂŒher hatte, abgestreift habe. Es gab eine schlimme Zeit, in der Politiker und auch der Papst sagten, dass der Mensch jetzt leider Gottes so mĂ€chtig geworden und so fehlgeleitet ist, dass er in der Lage ist, durch sein Atomwaffenarsenal das Leben auf der Erde zumindest theoretisch auszurotten. Ich habe mir das damals vorgestellt: dass so was möglich wĂ€re. Wir waren ja mal nahe dran: Schweinebucht, Kubakrise, SĂ€belrasseln und so weiter. Damals war die gĂ€ngige Meinung, dass, sollten all die Atomsprengköpfe gezĂŒndet werden, außer verbrannter Erde nichts ĂŒbrigbliebe. Das hat sich inzwischen Gott sei Dank als absolute Spinnerei erwiesen.

Wirklich? ErklĂ€ren Sie’s mir bitte. 
Tschernobyl zum Beispiel. Das war natĂŒrlich ein Hammerschlag. Ich war damals gerade an der ungarischen Grenze, auf einem Kongress. Zum GlĂŒck war die Frau des Biologen, bei dem ich wohnte, Physikerin. Die hat sofort einen GeigerzĂ€hler besorgt und gemessen, und sie hat gesagt: „Oh, wir haben ein RiesenglĂŒck! Das zieht alles obendrĂŒber. Wenn du nach Hause kommst, wird es bei dir allerdings schaurig aussehen.“ So war es auch. Hier, in Oberschwaben und so weiter, war der ganze Fallout runtergekommen, dort war gar nichts passiert. Forscher vom Centre national de la recherche scientifique in Paris haben sofort nach der Katastrophe damit begonnen, in Tschernobyl biologische Untersuchungen durchzufĂŒhren. Denn die haben gesagt: Das ist eine einmalige Chance. Das war natĂŒrlich schon ein mutiger Einsatz, in diesem verstrahlten Gebiet zu forschen. Aber auf Grund dieser Forschungen wissen wir seit einiger Zeit, dass dort eine der vitalsten MĂ€usepopulationen lebt, die man sich nur vorstellen kann.

Und wie ist die zustande gekommen? 
NatĂŒrlich hat es auch die MĂ€use erwischt, so, wie es im inneren Bereich die OrtsansĂ€ssigen erwischt hat – bis auf einige Ă€ltere Omas, die bis heute dort leben und sagen: „Nee, ich geh’ nicht weg.“ Die sind zum Teil gut beieinander und essen jeden Tag ihr verstrahltes GemĂŒse. Ab einem bestimmten Alter, wenn man GlĂŒck hat, passiert da ja nicht allzuviel. Und Gendefekte kann man vernachlĂ€ssigen, die alten Leute pflanzen sich eh nicht mehr fort. Die MĂ€use haben vielleicht mehr gelitten als einige der Einwohner. Aber es sind einzelne MĂ€use ĂŒbriggeblieben. Und von den RĂ€ndern her sind natĂŒrlich neue MĂ€use eingewandert. Die wussten ja nicht, was da drinnen los ist. Von denen hat es ebenfalls wieder viele erwischt, aber andere eben nicht. Daraus ist im Laufe der Zeit eine MĂ€usepopulation entstanden, die, erstens, gegen die Strahlung weitgehend unempfindlich ist und, zweitens, die höchstmögliche genetische DiversitĂ€t aufweist. Weil jede Maus, die da reinkommt, kommt aus einer anderen Population und bringt Gene mit, die hier gar nicht oder kaum vertreten waren. So kommt eine wilde Mixtur von Genen zustande, die es da vorher nicht gegeben hat. Das ist eine unglaublich interessante Geschichte! Und den MĂ€usen geht es gut, die pflanzen sich fort, inzwischen auch Wildschweine und Hirsche und so weiter. Also, wenn wir sĂ€mtliche Atomwaffen, die wir haben, gleichzeitig zĂŒnden wĂŒrden – vielleicht passiert’s ja demnĂ€chst, kann heute Nachmittag noch passieren, weiß man ja nicht –, dann wĂŒrde das beispielsweise die Algen und Bakterien und Seegurken im Atacamagraben vor Chile ĂŒberhaupt nicht interessieren. Bis dort, in achttausend Meter Tiefe, mal irgendwas hinkĂ€me, wĂ€re hier oben inzwischen das meiste abgebaut. Und außerdem hĂ€tten wir den MĂ€useeffekt. Das heißt, fĂŒr die Evolution wĂŒrde sich eine unglaubliche, interessante neue Basis ergeben. Das einzige wĂ€re: Wir wĂ€ren da sicherlich nicht dabei.

Was vielleicht kein Schaden wÀre. 
Das wĂ€re fĂŒr das Gesamtgebilde Leben auf der Erde sehr wahrscheinlich kein Schaden. Denn im Augenblick muss man schon sagen 
 Ich habe nicht gezögert, in meinem neuen Buch vom „Homo horribilis“ und vom „Homo suicidalis“ zu sprechen, obwohl „suicidalis“ noch relativ bescheiden ist, denn das wĂ€re ein Mensch, der einsieht, dass er eigentlich weg sollte, um keinen weiteren Schaden anzurichten, der nĂ€hme sich vornehm zurĂŒck. Wenn das viele machen wĂŒrden, wĂŒrden wir sozusagen fĂŒr den Rest der Evolution unter Aspekten der BiodiversitĂ€t rosigen Zeiten entgegengehen, um es mal ganz sarkastisch zu formulieren.

Sie zitieren auch Elizabeth Kolbert aus deren Buch 'Das sechste Sterben': Der Mensch sei „der Affe mit dem Wahnsinnsgen“. Wir beobachten ein Artensterben im Zeitraffer, unendlich viel schneller als in der Kreidezeit geht das vonstatten. 
Ja. Das ist eine galoppierende Schwindsucht. Das, was wir im Augenblick erleben, ist beispiellos. Deshalb fĂ€ngt jetzt auch ein großer Teil der Bevölkerung an, mindestens unruhig zu werden. Die Menschen spĂŒren, dass etwas im Gange ist, allein durch die HĂ€ufung entsprechender Meldungen. Eigentlich hört man tagtĂ€glich vom Artensterben, vom Bienensterben, von fehlenden BestĂ€ubern, der Obstbau ist infrage gestellt und so weiter. Bisher waren die Hiobsbotschaften eher mit Themen wie Altersarmut und Gesundheitswesen verknĂŒpft, aber jetzt erfahren die Leute, dass der ganze Garten Eden zu bröckeln beginnt. „Hach, solange es so schön grĂŒn ist, ist alles Ordnung“ – das verfĂ€ngt nicht mehr.

Eine Fichtenmonokultur ist auch schön grĂŒn. 
NatĂŒrlich. In der sehen viele Menschen auch gar nichts Schlimmes. Viele wĂŒrden sagen: „Ha! Da hat’s schöne ChristbĂ€um‘ drin! Und da isch Holz drin fĂŒr die Fensterrahme‘ von meine‘ Enkel. Und auch a gute‘ Verdienscht! Des is‘ im Augenblick die beste Geldanlage. So ‚ne Fichtenschonung is‘ viel besser, als Geld auf die Sparkasse bringe‘.“ Man muss schon ziemlich viel Waldökologie betreiben, um jemandem klarzumachen, dass eine Fichtenmonokultur auch eine mittlere Katastrophe ist.


Kiebitz


Ich wollte mit Ihnen am Anfang eigentlich ĂŒber den Kiebitz reden. 
Ah ja!

Der Kiebitz ist aus meiner Sicht einer der anrĂŒhrendsten und fĂŒrsorglichsten Vögel der Flur, also unter den sogenannten Offenlandbewohnern. Anfang der achtziger Jahre hat man im Sommer auf dem Land ĂŒberall Kiebitze gesehen. 
Überall!

Ich habe seit fĂŒnfzehn Jahren keinen mehr gesehen. Können Sie anhand des Kiebitzes erklĂ€ren, was gerade geschieht? 
Sicher. Der Kiebitz war zum Beispiel hier in der Bodenseeregion ein Alltagsvogel. Um den hat man sich nicht groß geschert, denn der hat fast ĂŒberall gebrĂŒtet. Wenn ich ins Auto gestiegen bin, standen im FrĂŒhjahr die Kiebitze in den PfĂŒtzen auf den Äckern, das waren die DurchzĂŒgler. Kaum waren die weg, hat man diese Papierfetzen gesehen, das waren die balzenden Brutvögel – ein Vogel, der wie selbstverstĂ€ndlich zur Landschaft gehörte. NatĂŒrlich hat man schon damals alte Leute getroffen, die gesagt haben: „FrĂŒher hat’s viel mehr gebe‘!“ Das wusste man. Das war das Goldene Zeitalter, in dem alles, in AnfĂŒhrungszeichen, noch in Ordnung gewesen war. Doch uns – auch mir – haben die Kiebitze gereicht, die wir hatten – wĂ€hrend jetzt ein FrĂŒhjahr verstreicht, ohne dass ich, wenn ich nicht gerade mit dem Zug nach Nord- oder Ostdeutschland fahre, einen einzigen Kiebitz sehe oder höre. Ich nehme den Kiebitz nicht mehr wahr – außer, dass er fehlt. Das ist einer dieser großen Schreckensmomente, in denen sich die riesigen Verluste zeigen.

NatĂŒrlich wissen wir, warum die Kiebitze weg sind. Wir haben ja erlebt, wie das passiert ist. Hier zum Beispiel, in der NĂ€he des Instituts, haben wir eines der großen alten Naturschutzgebiete, schon 1938 eingerichtet, der grĂ¶ĂŸte Teil der Gemeinde Möggingen ist ja Naturschutzgebiet. Da hinten im Ried haben immer Kiebitze gebrĂŒtet. Vor ungefĂ€hr zwanzig Jahren, ich könnte nachgucken, wann genau, haben sie aufgehört zu brĂŒten. In diesem Gebiet ist frĂŒher im Winter mal ein einzelner Bauer zu Fuß unterwegs gewesen, mit einer HandsĂ€ge ĂŒber der Schulter und einer Axt, und der hat an einer Hecke ein bisschen Brennholz geschnitten und geschlagen, das er spĂ€ter mit dem Pferdefuhrwerk heimgeholt hat. Das war alles. Wenn Sie heute im Januar, Februar, MĂ€rz an einem schönen Sonntag rausgehen, sind in demselben Gebiet, in dem frĂŒher dieser einzelne Mensch gelaufen ist, unter UmstĂ€nden zweihundertfĂŒnfzig Leute unterwegs und mindestens fĂŒnfzig Hunde in allen GrĂ¶ĂŸen und Schattierungen, die sich fast alle unangeleint im Naturschutzgebiet herumtreiben. Wenn da ein einziger Kiebitz noch irgendwo sitzt, der sich vielleicht ĂŒberlegt, ob er hier brĂŒten könnte, dann steigt der auf, macht seinen „WhÀÀÀhh! WhÀÀÀhh!“-Warnruf, fliegt weiß Gott wie weit, hat fast keine Möglichkeit, irgendwo zu landen, weil ĂŒberall Leute unterwegs sind, und verlĂ€sst das Gebiet. Der wird nie und nimmer in diesem Gebiet anfangen zu brĂŒten. Denn freilaufende Hunde, das heißt fĂŒr ihn: Das ist Wolfsgebiet, das regelmĂ€ĂŸig bestrichen wird, und wenn er dort ein Gelege hat, wird das von den Viechern gefunden und aufgefressen. Das ist fĂŒr ihn völlig indiskutabel. Das NĂ€chste ist: Er findet kein Futter. Alles, was an grĂ¶ĂŸeren Insekten und Larven notwendig wĂ€re, um einen Kiebitz zu ernĂ€hren, gibt es ja nicht mehr. Die Flur ist im Grunde genommen eine nahrungsarme WĂŒste geworden, in der keinerlei Futter mehr vorhanden ist. Beides zusammen ist fĂŒr den Kiebitz dermaßen lebensfeindlich, dass er ĂŒberall flĂ€chendeckend verschwunden ist.

Sie sprechen in Ihrem Buch von der „Verunruhigung der Landschaft“, von dieser pestilenzialischen Freizeitgesellschaft. Die Menschen haben keinerlei GespĂŒr mehr dafĂŒr, dass es RuherĂ€ume geben muss. In Naturschutzgebieten kann man ja im Grunde alles machen. Und dazu kommt, dass massiver Holzeinschlag erlaubt ist, intensive Landwirtschaft 
 
Ganz genau. Vieles von dem, was ich im Buch beschreibe, geht auf Beobachtungen in diesem Gebiet hier zurĂŒck. Ich habe extra ZĂ€hlungen machen lassen, wie viele Leute und Hunde hier herumlaufen. Die Zahlen, die ich genannt habe, sind der Normalfall.

Wenn Sie das Wort „Hunde“ in den Mund nehmen, muss ich natĂŒrlich auch das Wort „Katzen“ in den Mund nehmen. Ich habe bei Ihnen gelesen, und ich war sehr beeindruckt, dass hierzulande nach – wohlgemerkt vorsichtigen – SchĂ€tzungen jedes Jahr dreißig Millionen Vögel von freilaufenden Hauskatzen gemeuchelt werden. Das entspricht der Zahl der Vögel, die pro Jahr im gesamten Mittelmeerraum zuzĂŒglich Ägypten gefangen und verspeist werden. Das ist ein Riesentabu. FrĂŒher wurden Katzen nur auf Bauernhöfen gehalten, damit sie die MĂ€use und Ratten fressen. 
NatĂŒrlich. Bis in die fĂŒnfziger Jahre war die Katze ĂŒberlebensnotwendig. Auf den Kleinbauernhöfen hielt man rund um die verschiedenen Tennen fĂŒr den Hafer, die Gerste, den Weizen fĂŒnf, sechs, sieben, acht, neun, zehn Katzen, die die MĂ€use kleinhielten. Die hĂ€tten nĂ€mlich die HĂ€lfte der Ernte vernichtet. Die Katzen waren stĂ€ndig beschĂ€ftigt – und zwar ausschließlich auf dem Hof! Die mussten nicht rausgehen, um Rotkehlchen zu jagen. FĂŒr die war es viel einfacher, die Massen von MĂ€usen zu fangen. Und jetzt hockt die Katze in einem Einfamilienhaus, das so steril ist, dass in hundert Jahren keine Maus reinkommt, und wenn je eine reinkĂ€me, mĂŒssten fĂŒnf Handwerker anrĂŒcken und das letzte Loch suchen, bevor die Leute das Haus ĂŒberhaupt wieder betreten wĂŒrden. Eine Maus im Haus ist fĂŒr manche Leute schlimmer als ein geordneter Einbruch. „Die Maus! Um Gottes willen, wo ist die denn reingekommen?!“

Hier im Institut halten Sie ein Paar Balistare. Der Balistar ist eine der am stĂ€rksten gefĂ€hrdeten Vogelarten der Welt. Sie haben Ihre Dissertation ĂŒber den Star geschrieben. Der Star ist ein Allerweltsvogel, der in den vergangenen zwanzig Jahren unter BestandsrĂŒckgĂ€ngen außerordentlich gelitten hat.  
Insgesamt ist der Star seit 1800 um etwa siebzig Prozent zurĂŒckgegangen, im gesamten Verbreitungsgebiet von Mittelfinnland bis Norditalien. Beim Star fĂ€llt’s besonders auf, weil wir frĂŒher gerade hier am Bodensee massenhafte Ansammlungen hatten: drei große SchlafplĂ€tze mit jeweils bis zu ĂŒber einer Million Vögeln. Da hielten abends die Autos, und die Leute stiegen aus und haben angesichts dieser gewaltigen Starenwolken nur noch Bauklötze gestaunt. Vögel, Vögel, Vögel, wie bei Hitchcock. Und heute fliegen da noch ein paar hundert Vögel in kleinen Pulks, die niemand mehr wahrnimmt. Nicht umsonst ist der Star Vogel des Jahres 2018 geworden. Wenn ein Vogel Vogel des Jahres wird, steht es nicht gut um ihn.

Rebhuhn

Das Rebhuhn. 
Oje.

Das Rebhuhn ist im Grunde der Grubenvogel der Kulturlandschaft. An keinem anderen Vogel kann man deutlicher zeigen, wie die agrarischen RÀume runtergewirtschaftet, planiert und von den letzten Resten an Kleinhabitaten befreit worden sind. Das Rebhuhn ist praktisch vom Aussterben bedroht. 
Das wird demnĂ€chst aussterben, keine Frage. Die paar RestbestĂ€nde, die wir haben, sind nicht zu halten. Gerade dieses Projekt bei Göttingen, das ich in meinem Buch lobend erwĂ€hne und ein bisschen als HoffnungstrĂ€ger herausstelle, das klingt auf dem Papier alles ganz gut, aber wenn Sie es vor Ort ansehen, muss man sagen: Pfffffft. DemnĂ€chst vorbei. Nichts zu machen. Diese paar kleinen Eckle und Streifle. Die haben da oben hervorragende Böden, von der Kategorie der Magdeburger Börde, das sind mit die besten Böden in Deutschland, und es werden auf jedem Quadratmeter ZuckerrĂŒben und Weizen und anderes angebaut. Da ist kaum ein Landwirt bereit, regelmĂ€ĂŸig Streifen, Brachen ĂŒbrigzulassen. Der sieht sofort, wie viele Euro im Geldbeutel fehlen. Und die meisten sagen sich auch: Damit werden wir das Rebhuhn eh nicht retten. Womit sie recht haben. Es gibt eine zweite Art bei uns, der es Ă€hnlich miserabel geht, die aber nicht so stark in den GemĂŒtern verankert ist: Das ist der Feldhamster. Der Feldhamster kam frĂŒher ĂŒberall vor.

In Nordrhein-Westfalen ist er ausgestorben. 
Wir haben noch einige ganz winzige Restpopulationen. Eine ist in der Gegend von Heidelberg, wo man versucht, die Feldhamster auf einigen geschĂŒtzten Äckern durch Umsetzen und andere StĂŒtzmaßnahmen zu erhalten. Der Feldhamster wird wahrscheinlich auch nicht zu retten sein. Das Rebhuhn war natĂŒrlich immer ein SympathietrĂ€ger, ein nettes Vögelchen, schmeckt gut und war hĂŒbsch anzusehen, wĂ€hrend beim Feldhamster viele gesagt haben: „Ha! Um den isch eigentlich net schad‘.“

Braucht’s den? Braucht’s den Feldhamster? 
„Der hat uns g’nug wegg’fresse‘.“ Dem trauert eigentlich niemand nach. Dem Rebhuhn schon. Also, wenn ich jetzt ein Rebhuhn sehen wollte, bis zum Jahresende, mĂŒsste ich die nĂ€chsten Tage mit verschiedenen Leuten telefonieren und mir einen detaillierten Plan machen, wo ich dann hinfahren wĂŒrde, um dort hoffentlich tatsĂ€chlich ein Rebhuhn zu sehen. Man hĂ€tte sich niemals vorstellen können, dass es mal soweit kommt.

Ich habe mir die aktuelle Rote Liste der Brutvögel ausgedruckt. Die wird von der Bundesregierung und nicht von einer Naturschutzorganisation veröffentlicht, wobei Sie schreiben, dass die Roten Listen wie die Arbeitslosenstatistiken mittlerweile von amtlicher Seite geschönt werden. 
Das ist so. Das ist seit geraumer Zeit ein Riesenproblem, weil da immer das Bundesamt fĂŒr Naturschutz (BfN) mit drinhĂ€ngt, also das Merkel-Amt. FrĂŒher war das eine selbstĂ€ndige Einrichtung, die Bundesforschungsanstalt fĂŒr Naturschutz und Landschaftsökologie, ein großes Gebilde, besetzt mit hochkarĂ€tigen Leuten. Das wurde in der Merkel-Ära, als sie Bundesumweltministerin war, runtergestuft auf das heutige BfN. Das ist fĂŒr die Roten Listen zustĂ€ndig. Ich war lange in diesem Rote-Listen-Gremium. Wenn wir gesagt haben: „Diese Art muss in die Rote Liste rein, der geht es schlecht“, dann hieß es stĂ€ndig: „Ja, aber die Datenlage gibt das eigentlich noch nicht her. Wir wĂŒrden vorschlagen, wir lassen sie diesmal noch draußen. Und die in Nordrhein-Westfalen haben noch gar keine Mitteilung gemacht, dass es RĂŒckgĂ€nge gibt.“ Es wurde immer versucht, die Zahlen an der Obergrenze des Möglichen zu halten. Die Wirklichkeit ist wesentlich schlechter als das, was die Roten Listen wiedergeben. Die werden aus politischen GrĂŒnden frisiert.

Wenn man in den Vögeln Bioindikatoren sieht, zu Recht – bahnt sich da ein Ökozid an? 
Wenn die nĂ€chsten zwanzig Jahre nicht ganz gewaltig gegengesteuert wird, wird ein Biozid, ein Ökozid eingetreten sein. Dann werden wir das allermeiste verloren haben, und das wird irreversibel sein. Ich versuche ja zusammen mit der Heinz-Sielmann-Stiftung gegenzusteuern, mit dem Biotopverbund Bodensee. Wir haben ganz gute Fortschritte gemacht, fast hundert Biotope haben wir angelegt, und wir kriegen dort viele interessante Arten rein, TeichrohrsĂ€nger und SumpfrohrsĂ€nger und Teichhuhn und Wasserralle, die alle noch einigermaßen gut vertreten sind. Aber es ist schon jetzt so, dass wir in ein solches Biotop beispielsweise keinen einzigen Kiebitz mehr reinkriegen, weil die Population in ganz Baden-WĂŒrttemberg inzwischen so ausgedĂŒnnt ist, dass nirgendwo mehr Restpopulationen sind, die sagen könnten: „Mensch, das ist ein Klas sehabitat! Da gehen wir hin.“ Gibt’s nicht mehr. Das gilt fĂŒr den Kiebitz, das gilt unterdessen fĂŒr das Braunkehlchen – keine Chance, irgendwoher ein Braunkehlchen zu bekommen und davon zu ĂŒberzeugen, dass da ein schönes Habitat ist, in das es reingehen könnte. Das gilt fĂŒr die Bekassine – keine Chance. Das gilt fĂŒr den Großen Brachvogel – ĂŒberhaupt kein Gedanke daran! Man kann froh sein, wenn man in so einem neueingerichteten Gebiet irgendwann mal sagen kann: Es sind ein paar Rastvögel fĂŒr zwei, drei Tage da. Das ist schon eine Seltenheit. Und diese Arten, die wir auch mit Renaturierungsmaßnahmen nicht mehr zurĂŒckholen können, nehmen laufend zu. Wenn wir so weitermachen, werden wir in zehn oder zwanzig Jahren sagen: Wir können so viele Schutzgebiete einrichten, wie wir wollen, dort werden wir nur noch ganz wenige Arten ansiedeln können, weil der Rest derart dezimiert ist, dass er verschwindet oder bereits verschwunden ist.

JĂŒngst sind die einschlĂ€gigen Studien abermals publik geworden: Insektensterben – ein RĂŒckgang der Biomasse in den vergangenen dreißig Jahren um achtzig Prozent; exponentieller Anstieg des Vogelschwunds seit den sechziger Jahren. 
Richtig. Von 1800 bis Ende der FĂŒnfziger schleichend, um zirka fĂŒnfzehn Prozent, von da an sturzbachartig.

Eine amerikanische Studie hat ermittelt, dass die SeevogelbestĂ€nde in den vergangenen sechzig Jahren um siebzig Prozent eingebrochen sind. Und es geht nicht nur um die Vogel- und InsektenbestĂ€nde, sondern um Amphibien, Reptilien, Fische und sĂ€mtliche Wirbeltiere, von Algen et cetera gar nicht zu reden. Es ist ein flĂ€chendeckendes, rasendes Artensterben im Gange, das mit Sonntagsreden, ein paar Verordnungen und Kongressen politisch verwaltet wird. Zugleich wird allerorten permanent die Wachstumsideologie blindwĂŒtig weiterpropagiert. Wachstum ist ein Mordauftrag. 
Das ist es letztlich. Aber (lacht) nicht nur in Bezug auf die Gesamtheit der wildlebenden Pflanzen und Tiere, sondern auch auf uns. Zweifellos. FrĂŒher war es so: Mein Nachbar hatte Bienen, mein Vater hatte Bienen, ĂŒberall waren Bienen. Wenn so einen Baum am Nachmittag nach einer Frostnacht die Sonne zwei Stunden lang beschienen hat, war in null Komma nix der ganze Baum mit Bienen bereichert, und die haben alle BlĂŒten bestĂ€ubt, die gerade offen waren. Wenn heute die Sonne scheint, eine Stunde, zwei Stunden, und Sie stehen unter dem Baum und gucken, dann kann es sein, dass Sie plötzlich feststellen: „Jessas Gott! Der Herrgott hat eine Biene geschickt!“ Und die ist jetzt grad da oben drin und geht da rĂŒber und da hinten durch.

Eins, zwei, drei, vier, fĂŒnf, sechs, sieben Äpfel! 
Und dann kommen Wolken. Sonne geht weg. Biene fliegt zurĂŒck zu ihrem Stock. Und da oben sind fĂŒnf oder sieben BlĂŒten bestĂ€ubt, von denen nachher zwei abfallen, und Sie haben keinen Ertrag mehr. Und genau das ist dieses Jahr passiert. Die SchĂ€den, die wir hier heuer hatten, sind dem SpĂ€tfrost nur zu einem ganz geringen Teil anzulasten. Die HauptgrĂŒnde sind, ad eins, die Idiotie dieser Monokulturen und, ad zwei, der inzwischen gravierende Insektenmangel. Wenn wir mit diesen Monokulturen so weitermachen wie jetzt, werden die BĂ€ume im Zuge der KlimaerwĂ€rmung sukzessive frĂŒher blĂŒhen, und die Chance, dass da SpĂ€tfröste reinfahren, wird jedes Jahr einen Zacken grĂ¶ĂŸer. Das haben mittlerweile sogar die hiesigen Obstbauern kapiert. Und wenn noch weniger Insekten vorbeikommen als bisher, ist irgendwann Schluss. Manche Bauern haben bereits gesagt, noch ein solches Jahr, dann hören sie auf. Es gibt Obstbauern, die haben ihr Gut mit 500.000 Euro Schulden belastet. Einen hundertprozentigen Ernteausfall wie dieses Jahr können die einmal wegstecken, aber kein zweites Jahr. Dann werden alle BĂ€ume rausgerissen, dann machen die was anderes. Und jetzt kommt das NĂ€chste: Weil es selbstverstĂ€ndlich immer zu einem Befall mit SchĂ€dlingen kommen kann, der auf den Äpfeln Flecken oder sonstwas zur Folge hat, werden unsere Obstbaukulturen am Bodensee in der Regel im Mittel mindestens fĂŒnfundzwanzig Mal pro Jahr gespritzt. FĂŒnfundzwanzig Spritzungen, vom Januar bis zum Juli, August. FĂŒnfundzwanzig Spritzungen. Bei diesen Spritzungen werden alle Insekten – Schwebfliegen, Hummeln und dergleichen mehr – umgebracht, so dass in diese Obstanlagen auch keine Meisen mehr reingehen. FrĂŒher haben die Bauern noch NistkĂ€sten reingehĂ€ngt. Heute machen sie’s nicht mehr. Da kommt nie ein Vogel. Was soll der Kram? Der hat ja nichts zu fressen. Sie haben also keinen einzigen Vogel mehr zur SchĂ€dlingsbekĂ€mpfung, Sie bringen nach den Bienen auch noch die letzten bestĂ€ubenden Arten um, und dadurch wird diese Obstanlage immer unproduktiver. Wir haben zwei Ecken in der Welt, in denen das Ende der Fahnenstange bereits erreicht ist: China und Kalifornien. Da sitzen jetzt die Leute in den BĂ€umen und bestĂ€uben die BlĂŒten von Hand, mit einem Pinsel. FĂŒr den Bodensee droht deshalb das Schreckgespenst, dass in zehn bis zwanzig Jahren der Obstanbau beendet ist. Schluss. Aus. Fertig. Mit der Art von ökologischer Misswirtschaft, die wir hier betreiben. Und dasselbe gilt natĂŒrlich fĂŒr alles andere. Das gilt fĂŒr die Böden, auf denen wir Mais anbauen.

Erosion pro Hektar im Jahr: zehn Tonnen. 
Genau. Wir haben heute auf Maisfeldern zehn, zwanzig Tonnen Abtrag pro Jahr! Und hier haben wir inzwischen siebzig Prozent Mais. Das sind alles Böden, die demnĂ€chst der Versteppung und der Winderosion anheimfallen. Wenn wir da nicht Humus aufbringen, nĂŒtzt der KunstdĂŒnger gar nichts mehr. Und dann sind die Weißpflanzen halt nur noch zwanzig Zentimeter hoch. Die kann man vergessen. Damit kann man keine Biogasanlage mehr betreiben. Und so weiter und so fort.

Es laufen Agrartechnologen herum – Sie beschreiben das in Ihrem Buch –, die sagen, wir brauchen total entleerte Vier-fĂŒnf-Komponenten-Zuchtlandschaften. Der Boden wĂ€re ein Substrat, eine Art NĂ€hrlösung, der Rest wĂ€re scheißegal. Es gibt Schwein, Rind, Huhn, Mais 
 
Das hat man unter Mao in China versucht.

Das ist interessant. Denn unter Mao sind ja die Sperlinge planmĂ€ĂŸig ausgerottet worden. Ich hatte mir notiert: Was Mao schaffte, sind wir im Begriff zu schaffen. 
Da sind wir dabei. Wir sind dicht dran.

Das ist doch ein Wahnsinn. Das ist doch auch ökonomischer Wahnsinn. 
Absolut. Gar keine Frage.

Wie reagiert die Politik? 
Von der Bundesregierung kommt wenig bis nichts. Was glauben Sie, was die Frau Hendricks machen könnte? Nichts. Das einzige, was sie machen kann, sind solche Geschichten wie diese an der Macht der Agrarlobby sofort krachend gescheiterte Plakataktion. „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein.“ Sie hatte ja vor, fĂŒr zwei Millionen Euro solche Plakate zu drucken, um die Landwirtschaft aufzuschrecken und die Bevölkerung zu sensibilisieren. Was soll die arme Sau sonst machen? Erstens ist sie von der SPD, die sowieso nichts zu sagen hat, und, zweitens, wenn sie was macht, sagen die LĂ€nder: „Halt amal! Naturschutz ist LĂ€ndersache! Da lassen wir uns vom Bund nicht reinreden.“ Und wenn sie in Berlin um Geld nachfragt, sagt der SchĂ€uble: „Mir habe’ nix! Mir brauche’ die schwarze Null.“ Die hĂ€ngt in allen Seilen drin. Die wird froh sein, wenn sie den Job los ist. Das ist eine der undankbarsten Aufgaben, die es gibt. Jetzt hĂ€tte die Bundesregierung die Möglichkeit, ĂŒber diese Misere des Artensterbens, des RĂŒckgangs an BiodiversitĂ€t, des Zerfalls unserer Böden, der Verseuchung des Grundwassers – das alles ist so weit fortgeschritten – eine breite Diskussion zu beginnen. Das wĂŒrde ein so gewaltiger Dialog, ja Polylog! Da trĂ€ten immer mehr Probleme zutage. Und zum Schluss wĂŒrde natĂŒrlich die große Frage auftauchen: Was kann man dagegen machen, und was kostet das? Und da kĂ€men BetrĂ€ge raus, die wĂŒrden in die Hunderte von Milliarden gehen. Und die Bevölkerung wĂ€re so was von aufgeschreckt und alarmiert und auf der anderen Seite wĂŒtend und frustriert, weil natĂŒrlich, wollte man da wirklich drangehen, einschneidende Maßnahmen unvermeidbar wĂ€ren. Das einzige, was wirklich was bringen wĂŒrde, ist: Wir brauchen mittlere Katastrophen. Mittlere Katastrophen. Eine ganz große Katastrophe wĂŒrde natĂŒrlich auch alles erledigen, aber die wĂ€re fĂŒr uns das Unangenehmste. Wir brauchen mittlere Katastrophen. Nehmen wir zum Beispiel noch mal Tschernobyl. Da ging ja doch ein heftiger Ruck durchs Land, da ist doch manchem siedend heiß unterm Arsch geworden. Damals wusste zum Beispiel fast jeder, was ein Becquerel ist. Fragen Sie mal heute, was ein Becquerel ist. Da wĂŒrden manche sagen: „Ou, ich glaub’, das ist irgendeine Hefe zum Zopfbacken.“

Das ist eine Margarine. 
Becel, Bececerel, genau. LĂ€ngst weg. Alles den Bach runter. Heute macht man höchstens Witze im Gasthaus: „Ha, da gibt’s noch so Wildschweine aus der Pfalz, die sind noch hochgradig angereichert.“ – „Ojo, do hascht den Vorteil, die muss ma’ net so lang brate‘, die sin’ schneller gar als die andern.“ Fukushima war schon etwas krĂ€ftiger und hat immerhin dazu beigetragen, die Energiewende einzuleiten. So, und wenn jetzt Fessenheim oder einer der belgischen Schrottreaktoren in die Luft flöge, wĂ€re das zwar fĂŒr Europa natĂŒrlich nicht besonders angenehm, aber dann wĂŒrde vieles passieren. Und bevor das nicht der Fall ist, wird wenig passieren.

Sie sehen schwarz. 
Ich sehe nicht schwarz, sondern ich sehe das ganz realistisch. Es ist immer dann etwas in die Wege geleitet worden, wenn es irgendwo richtig geklemmt hat. Vorher sind altbekannte verschiedene MentalitĂ€ten verbreitet. Die Älteren sagen: „Ich seh’s ja, aber fĂŒr uns reicht’s noch.“ Und viele andere sind einfach ignorant oder haben einfach noch nicht den Durchblick. Die glauben noch, sie leben in einer einigermaßen intakten Welt, und man wird’s schon richten können, wenn Not am Mann ist.


Zur Person 
Peter Berthold ist einer der renommiertesten Ornithologen weltweit. Vor allem seine Forschungen zum Vogelzug sind bahnbrechend. 
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Von 1981 bis 2005 war Berthold Professor fĂŒr Biologie an der UniversitĂ€t Konstanz, von 1998 bis zu seiner Emeritierung leitete er das Max-Planck-Institut fĂŒr Ornithologie in Radolfzell. 
Seit 2005 arbeitet er in enger Kooperation mit der Heinz-Sielmann-Stiftung an der Schaffung des Biotopverbunds Bodensee. Er sieht in solchen engmaschigen Renaturierungen die einzige Möglichkeit, das rasante Arten- und Vogelsterben möglicherweise doch noch aufzuhalten. Sein aktuelles Buch heißt „Unsere Vögel – Warum wir sie brauchen und wie wir sie schĂŒtzen können“ (Berlin 2017).
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