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MARIA
Schuldige Unschuld
Von Alan Posener | welt.de
Nein, sie war nicht die Demütige, Sanfte, die eine europäische Männerfantasie uns übermittelt und die Sigmund Freud mit den Worten dekonstruierte: „Jeder Mann will ja, dass seine Mutter Jungfrau sei.“ Wieso starb Marias Sohn in Jerusalem an einem römischen Kreuz, an das als Grund für die Strafe genagelt wurde, er habe sich zum „König der Juden“ erklärt? Weil die Mutter eine Revolutionärin war.
Von ihr sind wenige Worte überliefert. Hier ein paar schnippische Worte an den schönen jungen Mann, der sie als Engel besucht, dort die Aufforderung an den Sohn, beim Fest in Kana für mehr Wein zu sorgen. Worte, an denen ewig herumgedeutelt wird. Dabei sagt sie selbst überdeutlich, als sie ihre Kusine Elisabeth besucht, was sie, die Schwangere bewegt:
„Der Mächtige hat Großes an mir getan,
und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht
über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:
Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind.
Er stürzt die Mächtigen vom Thron
und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben
und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an
und denkt an sein Erbarmen,
das er unseren Vätern verheißen hat,
Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.“
Es gibt einen jüdischen Witz über Jesus: „Woher weiß man, dass Jesus Jude war? Nun, er wohnte zu Hause, bis er 30 war; er arbeitete im Geschäft seines Vaters. Und seine Mutter hielt ihn für Gott.“ Nein, nicht für Gott. Die 14-jährige Miriam wusste ja, wo er herkam, wenn sie es vielleicht ihrem Mann verschwieg. Was übrigens nichts zur Sache tut. Wie schrieb Joseph Ratzinger, nachmals Benedikt XVI., über den ganzen im Kern paganen Jungfrauen-Mumpitz: „Die Gottessohnschaft Jesu beruht nach dem kirchlichen Glauben nicht darauf, dass Jesus keinen menschlichen Vater hatte; die Lehre vom Gottsein Jesu würde nicht angetastet, wenn Jesus aus einer normalen menschlichen Ehe hervorgegangen wäre.“
Nicht für Gott hielt Maria ihren ersten Sohn, jüdischer Witz hin, unklare Vaterschaft her. Das wäre für eine jüdische Frau ja Blasphemie gewesen, und davon ist in ihrem Triumphgesang auch keine Rede. Wohl aber von einem Rächer und Revolutionär, der die Mächtigen stürzen würde. So erzog sie ihn denn auch, zum Tribun, nicht zum Tischler. Und ihre anderen Söhne auch, die Jesus schließlich zum verhängnisvollen Gang in die Hauptstadt drängten. In Nazareth wäre der Sohn der Maria fast gelyncht worden, in Jerusalem fiel er den Römern in die Hände, die ihn zur Abschreckung öffentlich hinrichteten. An seinem Martyrium, das wusste sie, hatte auch sie ihren Anteil Schuld. Solche Mütter gibt es auch heute.
Sie gab nicht auf. Die Bibel berichtet, dass sie und ihr Sohn Jakobus eine Stütze der frühen Kirche waren, als sie noch eine urkommunistische jüdische Sekte war. Den Begründer des Christentums, den Ex-Rabbiner Paulus, traf sie nie, und er erwähnt in seinen Briefen nicht einmal ihren Namen. Die Umdeutung ihres Scheiterns als Sieg, des Mordes an ihrem Sohn als freiwilliges Opfer, das war die Sache dieser taffen und auch furchtbaren Frau bestimmt nicht.
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ich wollte für diesen text so eine mittelmeer-/nahost-maria malen - eher eine freiheitskämpferin aus dem aramäischen palästina vor 2000 jahren - mit dunklerem teint und schwarzen augen: selbstbewusst und mit stechendem intelligenten blick - wie er heute bei freheitskämpferinnen in diesem raum auch noch vorzufinden ist ...
ich danke alan posener für diesen text, der mir als protestant die mutter jesu näher gebracht hat - auch luther verehrte ja maria - erst späterhin hat der protestantismus sie mehr oder weniger outhesourct ...
ich vergesse das oft, dass jesu mutter ihn sicherlich erzogen und beeinflusst hat zu dem, was er wurde und ist. denn auch ein "sohn gottes" kommt nicht "fertig" zur welt: er brauchte einnordungen, zurechtfindungen, anstöße - in die richtung, die er dann gegangen ist ...
dafür gab es ja keine blaupause - seine denke war ja etwas neues - nie dagewesenes: das auflehnen gegen vermeintliche autoritäten - aber ohne gewalt, sondern mit überzeugungsarbeit - so wie es sich im magnificat der maria bereits andeutete ...
maria musste jesus ja die ängste gegenüber weltliche autoritäten nehmen - nur gott allein ... !!! und musste ihm das mutige voranschreiten beibringen. der zauderer joseph war dazu weniger geeignet. er war eher zuständig für ein aufmaß, für planungen, für praxis, für eine materialbeschaffung, für sein handwerk - maria aber dachte, knobelte - war die theoretikerin: "sie behielt alle diese worte und bewegte sie in ihrem herzen": sie wägte ab, sie war die politisch denkende ...
das sonnig lächelnde barocke puttchenmuttchen, was man oft im weihnachtsmotiv vorfindet, ist dann auch eine verklärung und ein irrläufer geworden: ein übermuttchen - aber sie hatte die faust in der tasche - und auch nach der ermordung ihres ältesten verzog sie sich in der synagoge nicht schweigend auf die empore, wo saulus/paulus sie hinverorten wollte: nein - sie mischte sich mit ihren übriggebliebenen söhnen und vielleicht auch töchtern vehement mit ein: auch, um diese unsäglichen "sühneopfer-tod"-fantasien dieses paulus von tarsus abzuwehren ... -
maria - ein vorbild für eine selbstbewusste weiblichkeit - bereits vor 2000 jahren ... wir müsssen sie befreien aus ihrem heiligenschrein und all ihrem goldlametta und weihrauchgekröse: venceremos ... - S!