toll - da fängt das neue jahr ja mit der endlich wieder genesenen digital-ausgabe von "welt.edition" sehr gut an: mit einer tollen "anleitung, kunst einfach zu genießen".(zum weihnachtsfrei hatte sich die "welt.edition" mit dem 23.12. - bis heute abend [02.01.18] - von meinem rechner verabschiedet - und anderen ging es laut einem anruf bei der "welt" heute morgen wohl ebenso - aber ne entschuldigung des werten herrn poschardt suche ich nun vergebens - obwohl ich ja auch für die "edition" meine abo-gebühren bezahlt habe - oder ... ?!?!)...
und ehe ich nun copyright-probleme mit den im original-artikel gezeigten kunstwerken bekomme (siehe dazu auch den link des original-artikels) spicke ich diese anweisung mit meinen künstlerischen ergüssen - bei denen ich auch nicht immer sagen kann, was ich euch damit sagen will: ich künstele einfach vor mich hin - ohne absicht - sicherlich aus einer stimmung heraus - aber das bild formt sich erst in den verschiedenen stadien seiner entstehung ...
manchmal steht ein politikum im hintergrund - oder ein sonstiger frust - oder ein frohsinn - oder dieses gefühl: wess' des herz voll ist - dess' geht der mund über - oder mein paint-shop-pro und noch so ein paar filter-sammlungen oder der kameraauslöser oder oder oder ...
manchmal kritzele ich auch mit dem tintenstift auf einem blatt klopapier und scanne das ein - und färbe das ein - und vergrößere und lasse eine andere skizze oder eine landschaft durchscheinen - oder oder oder - einfach aus spaß anner freud - und der freud hätte sicherlich seinen großen spaß daran ... -S!
Vor Kunst haben viele Leute Angst. Zu kompliziert, zu elitär, ohne Hilfe nicht verständlich. Totaler Quatsch. Unsere Autorin wünscht sich mehr Party im Museum.
Eine Anleitung, Kunst einfach zu genießen.
Von Amely Deiss | Kunstpalais der Stadt Erlangen - für "welt.edition"
Stellen Sie sich vor, Sie gehen auf eine Party. Sie kennen die Gästeliste, Sie haben sich über jeden Gast informiert. Sie haben recherchiert, wer was beruflich macht, wer was gerne isst, wer mit wem befreundet ist und in welchem Fach wer promoviert hat. Dann stehen Sie da mit Ihrem Glas Sauvignon Blanc.
Sie können jetzt gut voraussagen, wer die gleichen Interessen hat wie Sie, und mit wem Sie gar nichts gemeinsam haben. Wahrscheinlich unterhalten Sie sich dann nur mit Menschen, die ihnen gefühlt nahestehen. Sie werden sich nicht blamieren. Sie werden nach Hause gehen und werden glauben, die Welt sei in Ordnung.
Absicherung ist nicht nötig
Aber war das dann eine gute Party? Und muss auf einer Party die Welt nicht immer etwas aus den Fugen geraten? Ist nicht der entscheidende Moment der, in dem etwas passiert, das man nicht vorher recherchieren, planen oder auswendig lernen konnte? Der Moment, in dem Wissen zu Nichtwissen, wo aus einer Erwartungshaltung Neugier und daraus Exzess wird. Aber die Frage ist auch: Würden Sie jemals auf eine Party gehen, wenn Sie sich immer derart darauf vorbereiten müssten?
Mit der Kunst ist das bei vielen Menschen leider so: Ohne umfassende Absicherung trauen sie sich gar nicht erst ran. Und das ist totaler Quatsch.
Ein verbreiteter Satz, der zwar gut gemeint, aber wahnsinnig unnötig ist: „Wenn, dann schau ich mir die Ausstellung mal mit einer Führung an, sonst verstehe ich ja nichts.“ Oder: „Toll, was Sie da erzählt haben, ohne Sie hätte ich damit gar nichts anfangen können.“
Es geht auch um Spaß
Ich versichere Ihnen, dass das nicht stimmt. Wieso nur trauen sich offene, kluge, interessierte Menschen beim reinen Gedanken an eine Kunstausstellung so wenig zu? Wieso haben Sie sonst zu so vielem eine Meinung, aber bei Kunst sagen sie: Versteh ich nicht. Vor allem: VERSTEHEN. Warum denken so viele, Kunst müsse man unbedingt und zuallererst verstehen?
Etwas verstehen zu wollen, ist natürlich ein ehrenwerter Ansatz. Aber auch einer, der einem den Zugang unnötig erschwert oder schlimmstenfalls versagt. Es schadet nicht, etwas zu wissen, bevor man ins Museum geht. Aber eine Ausstellung muss nicht weniger Spaß machen, wenn man nichts über Kunst weiß.
Sprachlos vor einer Skulptur
„Modern Art / makes me / want to rock out!“ So beginnt der Song „Modern Art“ der Band Art Brut. Eddie Argos singt davon, wie ihn das Blau auf einem Bild des Malers David Hockney, das er in der Tate Gallery sieht, zum Ausrasten bringt: „Sweet Jesus, my heart is beating faster and faster. I’m palpitating, I’m sweating, I just can’t help myself.“
Herzklopfen von einer Fotografie? Sprachlos vor einer Skulptur? Schweißausbrüche wegen Malerei? Man ist so sehr an die rationale Auseinandersetzung mit Kunst gewöhnt, dass der intuitive Zugang zu banal erscheint. Anders als bei Musik fällt es Menschen bei Kunst schwer, sich einfach fallen zu lassen.
Man muss sich aber eben nicht in einem Labyrinth aus Kunstgeschichte, Querverweisen und Fußnoten zurechtfinden, um die Schönheit abstrakter Malerei zu sehen, oder den Mindfuck einer Videoarbeit zu verarbeiten. Es ist zwar spannend, die Betrachtung mit Hintergrundwissen anzureichen, aber es ist genauso legitim und sinnvoll, einfach nur zu fühlen. Und da gibt es kein Richtig oder Falsch.
Nichtwissen ist kein Hindernis
Aus der Schule kennen wir noch die Frage wenig ambitionierter Deutschlehrer: „Was will uns der Autor damit sagen?“ Es ist ein Glück – aber auch Grundvoraussetzung, dass Künstler bei und mit ihrer Kunst denken. Es ist wunderbar und ebenso Bedingung, dass Kunsthistoriker und Kuratoren ihre Arbeit auch als Reflexion sehen – aber das heißt nicht, dass jeder Ausstellungsbesucher partout diese Gedanken teilen muss. Das wollen weder Künstler noch Kuratoren.
Ein Ausstellungsbesuch muss nicht ein Lernen von Stilen und Schulen, von Gattungen, Techniken und Diskursen sein. Das ist interessant, und je mehr man weiß, desto leichter kann man Werke einordnen, Vergleiche und Parallelen ziehen. Es ist tatsächlich sogar schön, etwas über Kunst zu wissen. Und doch ist es eben nicht nötig. Es ist nicht Voraussetzung dafür, dass einem Kunst etwas bringt, dass sie einen berührt, dass sie einen bereichert.
Tiefe des Gefühls
Sie müssen nichts von Abstraktion wissen, damit es Ihnen den Atem verschlägt, wenn Sie sehen, wie in einem Bild von Rupprecht Geiger Neonfarbe so auf Neonfarbe trifft, dass es wehtut. Sie brauchen keinen Kunstgeschichte-Abschluss, um von einer Videoinstallation von Candice Breitz Gänsehaut zu bekommen, weil 25 Engländer, die sich nie real getroffen haben, gleichzeitig einen John-Lennon-Song singen. Und Sie müssen keine Ahnung von Performancekunst haben, um von einer Installation von Anne Imhof so gefesselt zu sein, dass sie sich schon seit zwei Stunden sagen „fünf Minuten bleibe ich noch“.
Man kann immer noch tiefer gehen, Hintergründe, Verbindungen, Biografisches durchleuchten. Verstehen. Aber die Tiefe des Gefühls, die Leidenschaft, die bekommt man einfach so, wenn es einen packt, im Affekt sozusagen: Die Intensität. Die Größe. Den Wahnsinn. Die Liebe. Den Hass. Die Unendlichkeit.
Auf den ersten Blick entsteht dadurch kein Erkenntnisgewinn im Sinne einer traditionellen Bildanalyse oder Interpretation. Aber wer sagt denn, dass einen die Betrachtung von Kunst auf ästhetischer Ebene nicht vielleicht noch viel weiter bringen kann?
Kunst zulassen
Ein Detail in einem Werk, das mich zum Stehenbleiben bringt, findet ein anderer bestimmt gerade abstoßend. Oder einfach langweilig. Wie ja zum Glück auch nicht jeder denselben Menschen liebt. Auch in der Kunstbetrachtung geht es schließlich immer irgendwie um Beziehung. Um kunsthistorisch relevante Bezüge, Verbindungen zu aktuellen Themen, Verweise innerhalb einzelner Werkgruppen – aber natürlich auch, und eigentlich zuallererst, um die persönliche Beziehung des Betrachters zum Werk. Die baut sich auf und wird gespeist durch Anziehung und Abneigung, durch spontane Sympathie oder Antipathie, die sich verfestigen oder ins Gegenteil wandeln kann.
Aber das muss man zulassen.
Als ich 14 war, hing in meinem Zimmer die Reproduktion eines bekannten Werkes der Präraffaeliten: Die Ophelia von Millais. Es war kein besonders guter, aber dafür ein ausgesprochen günstiger Druck. 1 Präraffaelit für 2 Mark. Auf dem Umschlag stand irgendetwas zum Bild, was, weiß ich heute nicht mehr.
Aura und Gefühl
Mir ging es nur um diese geheimnisvolle, unheimliche, erotische Aura dieses Bildes. Wie die Ophelia im Wasser lag – in ihrer Verletzlichkeit und trotzdem mächtig – das passte zu meinem Teenagergefühl wie die Musik von Tracey Chapman, deren Texte ich nicht wirklich verstand, und von der ich zudem glaubte, sie sei ein Star aus den Siebzigern wie Janis Joplin.
Aber das war – zumindest im Hinblick auf mein Gefühl zu der Musik – ja auch völlig egal. Ich glaube nicht, dass ich der Kunst von John Everett Millais oder Tracey Chapman damit gerecht geworden bin. Aber ich weiß, dass ihre Werke mein Leben besser gemacht haben.
Jede Zeit hat ihre Songs. „Was hörst du so?“ war in meiner Jugend eine der zentralen Fragen. Die Antwort darauf konnte entscheiden, wer bester Freund oder erste Liebe wurde. Aber wieso hat mich eigentlich nie jemand gefragt: „Was ist dein Lieblingsbild?“ Denn jede Zeit hat doch auch ihre Bilder. Darin zeigt sich ein grundsätzliches Problem der Kunstrezeption. Bei Musik ist es egal, ob man den Text genau versteht, man erlaubt sich, einfach zu fühlen. In der Kunst aber sucht man immer die Metaebene.
Schlaumeier machen Kunst kaputt
Woran liegt das? Musik wird gehört, Kunst (meist) angeschaut. Betrachtet man ein Bild, kann man gleichzeitig darüber sprechen. Meistens ist ja der Austausch über Kunst, das gemeinsame Entdecken und Interpretieren der Spaß daran. Aber wir nehmen uns mit dem selbst auferlegten Zwang, Kunst sofort einordnen zu müssen, die Chance, sie zu fühlen, statt zu denken.
Besucht man mit Freunden ein Konzert, ist der verbale Austausch über die Musik auf die Pause und die Zeit danach beschränkt. Wer während des Konzerts darüber spricht, kann kein Herz haben und verpasst zwangsläufig in diesem Moment etwas. Musik lassen wir erst auf uns wirken und lassen uns damit auf sie ein. Bei Kunst aber fühlen wir uns genötigt, schnellstmöglich etwas Schlaues dazu zu sagen. Und das macht so viel kaputt.
Magie des Umstands
Die Magie der Kunst ist auch eine Magie des Umstands. Findet man das Werk alleine, an einem Tag, als man, von einem Regen überrascht, in einer venezianischen Kirche Schutz sucht? Oder muss man vier Stunden anstehen, und wird mit Dutzenden anderen Besuchern daran vorbeigeschoben? Ist man bei der ersten Begegnung in der schmerzhaftschönen Depression tiefen Liebeskummers? Ist man beruflich mit einer Delegation Konferenzteilnehmern unterwegs? Auch die Liebe zur Kunst ist nicht vorhersehbar. Wann es einen trifft, kann man nie sagen – aber man fühlt es sofort.
Eine gute Party braucht gute Drinks und gute Gespräche – Menschen, die etwas gemeinsam haben, Menschen, die grundverschieden sind, aber sich eben doch bereichern. Dann entdeckt man an sich ganz neue Seiten. Mit dem einen Gast macht man vielleicht nur einen schnellen Scherz. Vielleicht führt man mit einem anderen aber auch ein Gespräch, das einen richtig weiterbringt, oder man lacht mit jemandem zusammen so, dass man gar nicht mehr aufhören kann.
Vielleicht trinkt man nur ein Glas und hat ein bisschen Spaß beim Tanzen – oder man trifft die interessantesten Leute und bleibt die ganze Nacht. Wichtig für eine gute Party ist vor allen Dingen erst mal, dass man hingeht und unvoreingenommen schaut, was der Abend so bringt. Auch ohne vorher viel zu wissen über die Gastgeber, die Location und die anderen Gäste.
Mit Kunstwerken funktioniert es auch, dieses Partyprinzip.
Die Autorin leitet das Kunstpalais der Stadt Erlangen.
Text: © WeltN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten | Bildmaterial: aus dem gut gefüllten archiv von S!NEDi|art