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der arme zungenwurm

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Dorothea Grünzweig erhält Kurt Sigel-Lyrikpreis

„Feine Sprachbilder“: Die Lyrikerin Dorothea Grünzweig erhält den mit 4000 Euro dotierten Kurt Sigel-Lyrikpreis des deutschen PEN-Zentrums.


Die Lyrikerin Dorothea Grünzweig erhält den mit 4000 Euro dotierten Kurt Sigel-Lyrikpreis des deutschen PEN-Zentrums. Die Jury lobte in einer Mitteilung vom Dienstag Grünzweigs feine Sprachbilder. Dadurch lasse sie die Leser „Tod, Trauer, Verlassenheit und die wuchernde Natur neu sehen“. Grünzweigs Texte seien findig und originell. Die Lyrikerin wurde 1952 im baden-württembergischen Korntal geboren. Seit 1998 lebt sie in einer Kommune in Finnland. Stifter des Preises ist der Frankfurter Schriftsteller Kurt Sigel. Die Auszeichnung, die alle zwei Jahre vergeben wird, soll am 26. April bei der Jahrestagung der Schriftstellervereinigung in Göttingen verliehen werden. (dpa|tagesspiegel)

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Die Wiederkunft der Orgeln

I

Es ist ein Pflock in uns getrieben
auch wenn wir neben und
nicht im Gefängnis leben
ein Pflock aus Tönen
so laufen wir nicht fort

Die Kathedralen sind herangerückt
wir sind gebettet an Kathedralen
auf die wir lauschen weil sie im Innern

                     Orgeln schlagen

Wir lauschen
hier sind die Muscheln an unserem Kopf
die wir wie schwere Krüge
stützen müssen
wir gehen in die Orgelhocke
in die Orgelknie
vertraut schon unserem Kindesbein
ein einziges Neigen und
                     Beugen vor der Musik
II

Sonnenorgeln
Schattenorgeln der Kathedralen
wir lauschen im Licht
der Sonnenorgeln lauschen
im Schatten der Schattenorgeln
stemmen die Muscheln
dass sie nicht brechen

werden den Tonpflock nicht
ausziehn und uns an Orgelstatt
an anderes halten
werden nicht
         aufstehn verleugnen gehen

III             

Die Schattenorgeln 
sind dicht bei den Sonnenorgeln
der Abstand beträgt einen Viertelton
so wie wir 
dicht beim Gefängnis
dicht bei den Kathedralen wohnen
mit einem kleinen Dazwischen 
das abwehrt die Macht 
der Deckungsgleiche

ein Reibungsraum ist vorhanden
wo alles Abgeblühte Öde
zu Sand zermahlen wird damit
wirs nur noch
              wegzublasen brauchen

IV

Das Orgeln ist kein Trostgesang
kein Hirtenaug uns ruhig zu weiden
kein Winterweizen der sich dann
emporlebt wenn
die Eisschicht bricht

es ist ein ungebärdiges Gestehn
 von Wünschen von Verzweiflung

            ein Stampfen  Schlagen  Schreien
                  Lustschluchzen Lobschluchzen aus Brustwerk Hauptwerk
                             gegen den Himmel ein Jagen über Tod- und Auferstehungsgrenzen

ist Löschung unsrer Augen

V

Wir hören sind betört
sind hörig reine Form Spiralen

bald von Orgeln hochgerissen
bald gestaucht
Orgeln die wie’s am Anfang war

in offene Kindsgemüter                                                                        
das Majestätische in Überlebensgrösse
gleich einem Vormund eintreten

                                     Orgeln ihr
 Brausen bei den Fruchtgewässern
vor unserem Anfang schon uns in
das Fleisch gesenkt

                           als ein Organ
                              als das Geschlecht 
                                  als unsere Orgelleiblichkeit und jetzt
                                                                   durch Orgeln wiederkünftig

in den herangerückten Kathedralen 
werden auch wir
weil wir dafür geschaffen sind
wir werden auch geschlagen
     
VI

Der arme Zungenwurm
wie er
sich krümmt und windet 
weil er ins Wortreich will
bei diesem Toben
        
und ist es ihm verwehrt

(Quelle: lyrikline)

Dorothea Grünzweig - S!|bearbeitung nach einem Privatfoto im tagesspiegel


Dorothea Grünzweig

* 25.12.1952, Korntal bei Stuttgart , Deutschland
lebt in: Dorf in Südfinnland, Finnland

Nach ihrem Studium der Germanistik und Anglistik verbrachte sie zunächst einige Jahre in England und Schottland. Danach unterrichtete sie sieben Jahre lang in einem Internat in Süddeutschland. Seit 1989 lebt Grünzweig in Finnland, wo sie neun Jahre an der Deutschen Schule Helsinki tätig war.

1997 erschien ihr erster Gedichtband ...



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