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ja - geht's noch ???: hexenverbrennung - bücherverbrennung - poesie-fassadenübermalung - update jetzt mit exkurs zur "konkreten kunst"

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Der "sexistische" Text des Gedichts „avenidas“ von Eugen Gomringer lautet auf Deutsch: 

Alleen  
Alleen und Blumen

Blumen 
Blumen und Frauen 

Alleen 
Alleen und Frauen

Alleen und Blumen und Frauen 
und ein Bewunderer. 


An der Hochschule steht der spanische Originaltext.



Eugen Gomringer, einer der Begründer der 'Konkreten Poesie' muss mit 93 Jahren erleben, wie eins seiner Schlüsselwerke der schwadronierenden Zeitgeist-Wut anheimfällt - foto: nach iconnote.blogspot.com


BEGRÜNDER DER KONKRETEN POESIE

Der Schriftsteller Eugen Gomringer, Sohn eines Schweizers und einer Bolivianerin, wurde vor 93 Jahren in Bolivien geboren. Er gilt als Begründer der Konkreten Poesie. Sein Gedicht „avenidas“ ist für ihn ein Schlüsseltext. Eugen Gomringer lebt in Rehau, Oberfranken.

Die Alice-Salomon-Hochschule vergibt seit dem WS 2006/2007 einen Poetikpreis, Eugen Gomringer erhielt diesen 2011. Er schenkte der Hochschule daraufhin das Gedicht, das diese an ihrer Fassade zur Geltung brachte. 2016 beklagte sich der Asta in einem Offenen Brief darüber.


ALICE SALOMON POETIK PREIS

Mit der Einführung des ersten Masterstudiengangs "Biografisches und Kreatives Schreiben" in Deutschland im Wintersemester 2006/07 vergab die Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH) erstmalig den Alice Salomon Poetik Preis. 

Der Preis ist mit einer Alice Salomon Poetik Dozentur verbunden und wird alle zwei Jahre an Künstlerinnen und Künstler vergeben, die durch ihre besondere Formensprache und Vielfalt zur Weiterentwicklung der literarischen, visuellen sowie akustischen Künste beitragen und dabei immer interdisziplinär arbeiten und wirken. Der Preis ist mit 6.000 Euro dotiert.


Der Masterstudiengang "Biografisches und Kreatives Schreiben" greift die in den USA erforschten gesundheitsfördernden Wirkungen und kreativen Potentiale des Schreibens auf. Er befähigt Studierende Schreibtrainings durchzuführen und mit Schreibgruppen biografisch zu arbeiten.





Gomringer-Gedicht: 

Die Alice-Salomon-Hochschule entscheidet gegen die Kunst

"Alice-Salomon-Hochschule entscheidet sich für die Kunst auf ihrer Südfassade“ ist die Pressemitteilung überschrieben, mit der die Hochschule am Dienstag ihre Entscheidung bekanntgibt, das Eugen-Gomringer-Gedicht von dieser Fassade zu tilgen.

Der Akademische Senat, bestehend aus Hochschulprofessoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern, solchen aus der Verwaltung sowie Studentenvertretern, hatte am Vormittag entsprechend abgestimmt. Künftig soll ein Gedicht der Lyrikerin Barbara Köhler die Fassade zieren. Köhler ist wie Gomringer Trägerin des Poetikpreises, den die Hochschule in Hellersdorf seit einigen Jahren vergibt.

Der Abstimmung vorausgegangen sei ein Beschluss der Hochschule, die Fassade neu zu gestalten und anschließend ein demokratischer Prozess, heißt es weiter. Kein Wort über die heftige öffentliche Diskussion über das Gedicht, kein Wort von Sexismus, von Zensurvorwürfen gegen die Hochschule, von der Freiheit der Kunst.

Den Ball flach halten, lautet offenbar die Devise: 
  • Es muss renoviert werden, und das kann man doch als Gelegenheit nutzen, mal ein anderen Preisträgertext zu präsentieren. Das ist der Tenor. Gomringers Text werde ja auf einer Tafel an der Fassade angebracht. Kein Wort von einem Dissenz mit dem Dichter. Dabei gibt es diesen sehr wohl.

„Ich bin entsetzt“

„Wir sind schon traurig“, ist der erste Satz seiner Frau am Telefon. Der Dichter lebt mit seiner Familie im oberfränkischen Rehau. Am 20. Januar ist er 93 Jahre alt geworden. Dann spricht Gomringer. „Das ist ein Eingriff in die Freiheit von Kunst.“ Ende der Woche will er sich mit seinem Anwalt beraten. Müsse es weg, solle das Gedicht weiterhin auf einem Plakat an der Hochschulwand präsentiert werden, fordert er, dazu ein Plakat mit einer klaren Begründung der Entfernung in deutscher und englischer Sprache.

Gomringer verschickte am Mittwoch noch einen Kommentar in Gedichtform, darin heißt es: „vielen Bürgerinnen und Bürgern/ Freundinnen und Freunden/ der Dichtkunst/ sind Begründung und/ Eingriff in das/ Verhältnis im sozialen Leben/ zu Kunst und Poesie unverständlich/ und unverantwortlich“. Dann erzählt er noch von seiner Geburtstagstorte. Seine Tochter, die Dichterin Nora Gomringer, hatte sie mit dem Fassadengedicht verziert.

„Ich bin entsetzt“, sagt Thomas Wohlfahrt, der Leiter des Hauses für Poesie in Berlin, das mit der Hochschule bei der Vergabe des Poetikpreises kooperiert. Bisher jedenfalls. Denn die Kooperation will Wohlfahrt aufkündigen. „Der Künstler ist beschädigt, der Preis ist denunziert.“ Und die Frage ist ja tatsächlich, welcher Autor die Auszeichnung in Zukunft noch entgegennehmen würde.

"Klassische patriarchale Kunsttradition"

So schön könne die Welt sein, wenn man sie sich schönredet, sagte Wohlfahrt noch in Bezug auf die Mitteilung der Hochschule. Wie wahr. Denn angefangen hat alles ja keineswegs mit einem Renovierungsvorhaben, sondern mit einem Sexismusvorwurf gegen das Gedicht, einem Unwohlsein der in der Mehrheit weiblichen Studenten an dieser Hochschule, die Sozialarbeiter ausbildet, Kindheitspädagogen, Pflegemanager.

Der Asta hatte 2016 einen Offenen Brief geschrieben: Das Gedicht reproduziere „eine klassische patriarchale Kunsttradition, in der Frauen ausschließlich die schönen Musen sind“. Die Studenten bezogen sich auf die neben der Hochschule gelegene U-Bahnstation, den Platz vor der Hochschule. Frauen fühlten sich hier oft unwohl, Station und Platz seien vor allem zu späterer Stunde männlich dominiert. „Dieses Gedicht dabei anzuschauen, wirkt wie eine Farce und eine Erinnerung daran, dass objektivierende und potentiell übergriffige und sexualisierende Blicke überall sein können.“

Eine Entscheidung gegen die Kunst

Welcher Text von Barbara Köhler die Fassade ab Herbst 2018 ziert, wurde nicht bekanntgegeben. Die Lyrikerin hatte der ASH bei einer Podiumsdiskussion im November angeboten, ihr eines ihrer Gedichte zu schenken. „Ich möchte meinen Vorschlag als etwas verstanden wissen, das neben das demokratische Prozedere die Kunst setzt“, sagte sie. Was damals wie eine ironische Spitze gegen ein demokratisches Verfahren mit dem Ziel der Tilgung eines Gedichts wirkte, war wohl erschreckenderweise ernst gemeint.

Die Entscheidung der Alice-Salomon-Hochschule ist keine Entscheidung für die Kunst, es ist eine nicht nachvollziehbare Ermächtigung von Menschen, die alles auf sich beziehen, denen eine Assoziation genügt, um etwas unter Diskriminierungsverdacht zu stellen.

Im Licht der #MeToo-Debatte erscheint einem das Austragen des Machtkampfs zwischen den Geschlechtern anhand eines Gedichts noch absurder. Die Entscheidung ist keine für die Kunst, es ist eine gegen die Kunst, die doch eine Tochter der Freiheit ist.


– Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/29546600©2018

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im mittelalter war es die hexenverbrennung, im "dritten reich" verbrannte man die bücher unliebsam gewordener schriftsteller - und 2018 wird ein unschuldiges luftig und schön gestaltetes gedicht der "konkreten poesie" an einer hochschulfassade in berlin übermalt, weil es von irgendwelchen verbrämten engstirnigen "kunstbanaus-inn-en" auf den "gender"-index gesetzt wurde - weil man glaubt - kulturelle kunst-entwicklung mit fassadenfarbe übertünchen zu können ... - das ist unfassbar - das ist kulturell-künstlerische geschichtsklitterung ... - ja das ist schon eine kulturschande ...

die namenspatronin der hochschule, alice salomon, hat selbst herabwürdigungen durch andersdenkende in deutschland aber auch in den usa erlebt: 1933 hatten die nationalsozialisten die international bekannte wegbereiterin sozialer arbeit aus allen öffentlichen ämtern gedrängt. vier jahre später wurde die inzwischen 65-jährige nach verhören durch die gestapo zur emigration gezwungen.
  • ihre jüdische Herkunft,
  • ihre christlich-humanistischen ideen,
  • ihr eintreten für eine pluralistische berufsarbeit,
  • ihr offener pazifismus,
  • ihr internationales auftreten 
waren sicherlich dafür die motive.

sie emigrierte über england in die usa und lebte zurückgezogen dort in new york. 1939 wurden ihr dort die beiden doktortitel aberkannt. in der neuen heimat konnte alice salomon ihre berufliche karriere nicht fortsetzen. sie konnte ihre autobiografie, begleitet von vertröstungen, zusagen und absagen, dort zu lebzeiten nicht mehr veröffentlichen - und erst im Jahr 1983 gelang das dann wieder in deutschland - 35 jahre nach ihrem recht einsamen tod in den usa.

und an einer hochschule mit dieser namenspatronin erdreistet man sich nun, dies "schlüsselwerk der konkreten poesie" (gomringer) als erzeugnis aus "einer klassischen patriarchalen kunsttradition," zu bezeichnen "in der frauen ausschließlich die schönen musen sind“ ... - ja - allmählich sieht man und frau sie tatsächlich kommen": das gedicht entstand 1951 - 6 jahre nach dem 2. weltkrieg: die frauen mussten sich damals noch eine "arbeitserlaubnis" von ihrem ehemann holen - und es gab kaum ausbildungsberufe für frauen - sie durften eventuell am band serienfertigung verrichten oder vielleicht noch als trümmerfrauen mit aufräumen und aufbauen - adolf hitler wenigstens hatte den frauen noch kurz zuvor ihre rolle in der küche am herd und in der kindererziehung fest zugeschrieben, sie sollten bewusst nicht in die "arbeitsdomäne" des mannes eindringen ... - 

und all dieser tatsächliche horror war erst 6 jahre her - und wenn man sich dann den übersetzten text mal interessehalber durch eine andere brille betrachtet, sind ihm doch viele gleichberechtigte und emanzipatorische, freiheitliche züge durchaus immanent - obwohl die wortbedeutung und die übersetzung bei einer "konkreten poesie-arbeit"überhaupt keine rolle spielen: die dort genannten "frauen" hocken nämlich nicht hinterm ofen und erziehen voller unterwürfiger inbrunst ihre kinder, während der mann vielleicht draußen in der welt sich ergeht und arbeitet: die frauen in dem übersetzten gomringer-text flanieren ganz selbstverständlich über die von trümmern geräumten straßen und alleen - und nehmen teil, haben sich die welt selbstverständlich und gleichberechtigt erobert und aufgeräumt - und bleiben trotzdem in dieser ihrer eroberung und alltags-emanzipation so schön wie die blüten der blumen - immer noch oder eben vielleicht - auch als vertriebene und heimatlose nach dem krieg oder warten eben noch auf den mann, bis der hoffentlich aus der kriegsgefangeschaft heimkehrt - ja - wenn ich als schnöder mann überhaupt dieses attribut "schöne frau" nochverwenden darf - aber "das wird man ja wohl noch sagen dürfen" ... - bei der entstehung des gedichtes war ich immerhin schon 4 jahre alt - 

aber - 

ich weiß gar nicht, ob das gedicht jemals aus seinem kunsthistorischen kontext heraus betrachtet und "analysiert" wurde - aber es ist ja eine hochschule, die sich auch mit "kreativem schreiben" beschäftigt - und von daher ihren "poetik-preis" vergibt.

das gedicht "avenidas" ist ja ein beitrag aus der "konkreten poesie"

die konkrete poesie ist eine avantgardistische strömung der literatur, welche sich mit experimenteller dichtung befasst. die konkrete poesie versucht, die sprachlichen elemente aus ihrem sinn zu lösen. unterscheiden lassen sich dabei akustische dichtung (wort-wiederholungen - vielleicht rhytmisch intoniert - wie "avenidas-avenida") ... und auch visuelle poesie: dabei werden oft wort-"spielereien" aus ihrem zusammenhang geholt und auch typo-grafisch besonders angeordnet - z.b als runde endlos-nonsens-lautmalereien usw. 

wörter, buchstaben oder satzzeichen werden aus dem zusammenhang der sprache herausgelöst und treten dem betrachter „konkret“, d. h. für sich selbst stehend, gegenüber. diese sprachliche demonstration soll ein gegenpol zur sprachlichen reizüberflutung sein. 

der spanische text steht also ohne jede sinnübersetzung als neutrale lautmalerei dort an der wand: "avenidas" ist avenidas ist avenidas und bleibt avenidas - und hat mit "alleen" oder "straßen" erst einmal gar nichts gemein - "flores" hat nichts mit "blumen" zu tun, sondern bleiben flores - und "mujeres" sind nicht etwa "frauen" - sondern einfach mujeres: also - worüber regen sich diese beleidigten möchtegern-expert-inn-en auf ? - 

was ist in deutschland - in berlin - an der fassade einer hochschule, die sich auch mit "kreativem schreiben" beschäftigt, mit den zusammengesetzten buchstaben m-u-j-e-r-e-s "sexistisch"??? - nein: das erst einmal völlig abstrakte wort "mujeres" ist diesmal alles aber gerade nicht eine "schöne muse" - sondern einfach "mʊ'xeɾɛs" - nicht mehr - und nicht weniger - und so können wir das gesamte gedicht laut für laut durchdeklinieren: das ist "konkrete poesie" - kerl/frau mensch nochmal - wenn du verstehst was ich meine - 
aber das sollte ja an einer hochschule möglich sein ... - liebe frauen - so leid es mir vielleicht tut - aber ihr seid diesmal gar nicht gemeint - es macht euch niemand an: 
da ergibt sich an der fassade aus m-u-j-e-r-e-s - wenn - ja wenn man es ausspricht: "mʊ'xeɾɛs" - da ist nichts anzügliches, doppeldeutiges, das hat keine hintergedanken - das ist zunächst nur reine lautmalerei: da könnte auch "muh-kuh" stehen oder "straßenbahn-schaffner" oder ganz ein fach: "bö - bö-wö-rö-pö" ...

um noch einmal auf die historische einordnung zurückzukommen: gleichzeitig mit der "konkreten poesie" entwickelte sich auch die "konkrete malerei" - eng verwandt mit der "informel-malerei" - besonders auch in deutschland. 

direkt nach dem krieg musste man gerade auch durch solche experimentelle avantgardistische - eben oft ungegenständliche (!) abstrakte (!) kunst die "realistische" sinnlich-figürliche - tatsächlich oft frauen herabsetzende - üppig gegenständlich schwelgende ns-kunst überwinden:  und deshalb auch im gomringer-gedicht für den nicht-spanier im vorübereilen an der fassade erst einmal eine "abstrakte sprache" in "abstrakten" zeichen, die aber buchstaben sein könnten ...).

gomringer war eine zeitlang auch der sekretär des konkreten malers max bill, von dessen kunst-philosophie er bestimmt beeinflusst war - und umgekehrt.

um auch bildlich (ein bild sagt mehr als 1000 worte) das gedicht "avenidas" richtig zu verstehen und einzuordnen - besonders auch aus seinem kontext heraus - hier noch einmal hoffentlich erläuternde 3 bildbeispiele:


das gedicht entstand 1951 - da waren solche straßenbilder wie hier gerade vielleicht mal überwunden in den großstäden:  und da schwirrten dann vielleicht vokabeln wie "avenidas" im kopf herum ...



ein werk des informel-künstlers hann trier, 1956 - es geht nicht mehr darum: was will uns dieses bild  "sagen" - 
sondern es geht um den duktus der zeichen und ihre ausstrahlung ...




hier ein ausstellungsplakat vom konkreten bild-künstler max bill, der mit gomringer zusammenarbeitete: die flächen und zeichen strukturen sich zu mustern, die sich durchdringen und verschlingen: wer denkt da an dreiecke und karo ???
















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