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die vergangenheit "be-greifbar" machen

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Spurensuche im Lager

Anschauungsunterricht: Schüler beschäftigen sich in Gedenkstätten und Museen mit der NS-Vergangenheit

Von Joachim Göres | NW

Ein kleines, verrostetes Metallteil liegt in einer Vitrine. Wer näher kommt, kann darunter lesen: "Lippenstift einer Gefangenen des KZ Ravensbrück vor 1945." Zusätzlich erfährt der Besucher in der Dauerausstellung der heutigen Gedenkstätte, dass solche Lippenstifte von Frauen in Ravensbrück benutzt wurden, um gesünder auszusehen - so wollten sie sich vor der drohenden Selektion und Ermordung schützen. "Ein Lippenstift wirkt an diesem Ort irritierend, berührt einen und kann zum Nachdenken anregen", sagt die Ausstellungskuratorin Andrea Hauser. Wie sie beschäftigen sich viele Fachleute in Museen und Gedenkstätten mit der Frage, was das langsame Aussterben der Zeitzeugen für die Präsentation von Originalgegenständen aus der NS-Zeit bedeutet. 


Lippenstiftreste in Ravensbrück - Bild DPA

Im einstigen Mannschaftsstammlager Senne waren mehr als 300.000 sowjetische Soldaten sowie Kriegsgefangene aus anderen Ländern unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert - bisher konnten mehr als 15.000 Tote identifiziert werden. In der heutigen Gedenkstätte Stalag 326 können Schüler ab der 9. Klasse nach einer kurzen Einführung über die Geschichte des Lagers sich selber auf die Spur nach einem Thema ihrer Wahl begeben. "Wir erleben dabei immer wieder, dass historische Gegenstände wie Erkennungsmarken oder von den Gefangenen hergestelltes Essgeschirr die Motivation der Schüler erhöhen. Sie erzeugen eine ganz andere Spannung und wirken plastischer", sagt Victoria Evers, pädagogische Mitarbeiterin der Gedenkstätte. Schüler könnten die Gegenstände auch in die Hand nehmen. "Vorher müssen sie Handschuhe anziehen. Sie arbeiten wie richtige Forscher - wir erklären ihnen, dass die Handschuhe wichtig sind, damit keine Bakterien an die Objekte kommen", sagt Evers.

Historischer Moment: Befreiung des Stalags 326 durch US-Truppen Anfang April 1945. - © Dokumentationsstätte Stalag 326 (VI K) Senne

Zu den erhaltenen Objekten in der Gedenkstätte zählen auch Strohkästchen, die Gefangene bastelten, um sie gegen Lebensmittel bei der einheimischen Bevölkerung einzutauschen. "Diese Objekte spielen in der gegenwärtigen Ausstellung aus dem Jahr 2000 eine untergeordnete Rolle. Wir überarbeiten die Ausstellung, durch die solche Gegenstände eine größere Beachtung finden und in der auch neue Forschungsergebnisse präsentiert werden sollen", sagt Evers, nach deren Angaben der Eröffnungstermin der neuen Ausstellung noch offen ist.

Klar sei, dass in diesem Jahr ein neues Projekt für Schüler ab der 3. Klasse starten werde. Unter dem Titel "Antons Schuhe" erfahren Mädchen und Jungen von einem sowjetischen Kriegsgefangenen in Stukenbrock-Senne, dessen Familie in der Heimat seine Schuhe nicht anrührte - sie wurden für die Rückkehr Antons aufgehoben. Anton kam aber nie wieder zurück, sondern starb in Stukenbrock-Senne.

"Vor zwei Jahren waren Angehörige hier, die uns diese Geschichte erzählten und die die Schuhe von Generation zu Generation weitergeben. Die Schüler können bei uns zum Beispiel herausfinden, warum 70 Jahre alte Schuhe aufbewahrt werden und wie Menschen einst im Stalag gelebt haben. Sie bestimmen dabei selbst, welches Thema sie besonders interessiert, können sich frei bewegen, Informationen sammeln und stellen dazu eine eigene Ausstellung zusammen", sagt Evers.

Lange Wartezeit für Gruppen 
In die Gedenkstätte Bergen-Belsen kommen jährlich rund 250.000 Besucher, darunter zunehmend Gruppen - im vergangenen Jahr alleine 129 Gruppen mit mehr als 3.000 Personen aus Nordrhein-Westfalen. 
Die Wartezeit für Gruppenführungen beträgt ein Jahr.  
Zum Einstieg können Schüler alte Aktenordner aus dem KZ oder Funde aus dem Lager wie Löffel oder Schüsseln in die Hand nehmen. 
Die Gedenkstätte Bergen-Belsen liegt 60 Kilometer nordöstlich von Hannover.
© 2018 Neue Westfälische, Freitag 02. Februar 2018
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auch die vielen tausend stolpersteine allerorten sind ja jeweils kleine "gedenkstätten": "hier wohnte" ... - 

man muss also nicht unbedingt die dokumentationsstätten der kz und lager und vernichtungsstätten besuchen, um sich auch "hautnah" mit der deutschen vergangenheit und ihrem ns-gräuel vor ca.70-80 jahren zu beschäftigen. diese "vergangenheit" besteht neben den opferzahlen in den lagern und kz der gedenkstätten auch aus den vielen hunderttausend und millionen von einzelbiografien - und den namen dieser opfer, die wir dem vergessen entreißen sollten. diesen "stummen zeugen" können wir "sprache" verleihen.

so schätzen historiker, dass beispielsweise jeder 8. erwachsene deutsche in irgend einer weise mit der ns-"euthanasie" verbandelt ist - um wieviel mehr ist das dann bei den opfern des holocaust und der anderen verbrechen der fall. erinnerungsarbeit ist also auch immer die eigene familiengeschichtliche aufarbeitung: wie war das mit großtanten, uropa, großeltern, eltern und verwandten im "dritten reich" - und eben nicht nur auf der "opfer"-seite ... 

ns-deutschland - das waren nicht die anderen - das waren nicht irgendwelche schemen und geister "von früher" - nein - das war und ist - wie wir nicht erst seit dem 24. september 2017 ja wissen - mittlerweile wieder mitten unter uns allen: dafür muss man neugierig werden und die augen offenhalten - denn im theaterstück "der aufhaltsame aufstieg des arturo ui" - von bertolt brecht heißt es - zu recht:  "der schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch." ...

in letzter zeit wird william faulkners:"das vergangene ist nicht tot - es ist nicht einmal vergangen ..."  oft als abgegriffene plattitüde bezeichnet - doch ist die wahrheit eben wirklich so ganz simpel und einfach: jeder kann in seiner familie in den alten fotokästen und urkunden und unterlagen und vielleicht auch schon von papa digitalisiert im rechner nachschauen, wie das war - und sich an die recherche zur eigenen familiengeschichte machen - und vor allen dingen: fragen und reden!... 

wir sind nur ein glied in der kette von generationen: "es" ist also tatsächlich nicht einmal vergangen" - sondern lebt ja in uns - die ängst der altvorderen an der front, in den bombennächten und vielleicht auch in den lagern, anstalten und vernichtungsstätten leben ja in unseren spiegelneuronen mit uns fort und fort ... vieles an vergangenheitsbewältigung ist deshalb auch prophylaxe und schutz vor persönlichen überraschungen ... 

die vergangenheit "be-greifbar" machen: erst dann können wir sie integrieren ... - statt sie abzuspalten, von wo sie uns noch weiter pisacken kann...-S!



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