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Vernetzung | Ein modernes elektronisches Missverständnis ...

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Auf den "NachDenkSeiten" stieß ich auf einen sehr lesenswerten und tatsächlich äußerst "nachdenkenswerten" Artikel von Götz Eisenberg, * 1951 in Arolsen/Hessen, Sozialwissenschaftler, Publizist und Gefängnispsychologe, über die allseits so positiv bewertete "VERNETZUNG" (http://www.nachdenkseiten.de/?p=17857), den der zuständige NachDenkSeiten-Redakteur Wolfgang Lieb dort eingestellt hat - und den ich hier auszugsweise wiedergeben möchte.



„Alles ist miteinander vernetzt, 
aber die Entfernungen zwischen den Menschen 
werden immer größer.“
(Moritz Rinke)

Als ich dem Verleger meines letzten Buches davon erzählt hatte, dass ich am Abend einen bekannten Schriftsteller zu einer Lesung im Gefängnis erwartete, sagte er am Telefon zu mir: „Sie sind aber gut vernetzt.“ Ich erschrak. Ich würde nie auf die Idee kommen, mich als jemanden zu bezeichnen, der „gut vernetzt“ ist, und sagte dann nach einer kleinen Pause: „Nun ja, im Laufe der Jahre lernt man ein paar Menschen kennen.“

Ich habe gelernt, bei der Verwendung von Metaphern Vorsicht walten zu lassen. Man muss immer darauf achten, in welchen Kontext man sich damit begibt und welche Deutungsmuster man übernimmt. Wer herausfinden will, was eine Katze ist, sollte auch die Mäuse fragen, und wer wissen möchte, was Vernetzung ist, sollte auch die Fische fragen. Die sind die wahren Vernetzungsexperten und können einem ein Lied singen von der Vernetzung, die sie geradewegs in die Fischfabrik und – zu Fischstäbchen gepresst und paniert – in die Bratpfannen führt. Wie kann ein Mensch sich darüber freuen, wenn er vernetzt ist oder wird?



Die Leidenschaft, mit der die Leute gegenwärtig ihre Vernetzung und Selbstenthüllung via soziale Netzwerke betreiben, ist für mich einer der rätselhaften Züge der Gegenwart. Schon Spinoza hatte sich gefragt, warum die „Menschen … für ihre Knechtschaft kämpfen, als sei es für ihr Heil“. Orwell hätte sich eine derartige freiwillige Datenabgabe und Offenlegung noch der intimsten Lebensbereiche in seinen schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen können und alle bisherigen Diktaturen waren stümper- und lückenhaft im Vergleich mit den heutigen Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten. 

Während man bei Polizei und Justiz darüber diskutiert, elektronische Fußfesseln zur Verbrechensbekämpfung einzusetzen, reißen sich die Leute um GPS-Handys, die ihre ständige Ortung möglich machen. Das herrschende System hat es geschafft, dass die Leute ihre umfassende Kontrolle in eigene Regie nehmen. 
...

Es geht um die Etablierung neuer und universaler Überwachungssysteme. 

Vernetzung ist der Zentralbegriff einer geschmeidigen Herrschaft, die sich als Technik und Sachzwang tarnt. Vernetzung ist für die meisten Leute ein positiver Topos, während der „böse Blick“ des Kritikers in ihr ein neues „Dispositiv der Macht“ im Sinne Foucaults erblickt. Die Macht, die ehedem darauf fußte, dass sie zerteilte, zerlegte, segregierte, stellt nun auf einer höheren Ebene zwischen den Segregierten und Atomisierten auch wieder Verbindungen her, telekommunikative Vernetzungen, die zugleich der Kontrolle von Herrschaft unterliegen und ihrer Aufrechterhaltung und Verfeinerung dienen. Geschickter und perfider geht’s kaum. 
„Alles ist miteinander vernetzt“, stellt Moritz Rinke fest, „aber die Entfernungen zwischen den Menschen werden immer größer.“ 

Vernetzung ist eine Erscheinungsform dessen, was Henri Lefèbvre als Entfremdung zweiten Grades beschrieben hat: Die Menschen haben das Bewusstsein ihrer Entfremdung eingebüßt und fühlen sich in ihr heimisch. Damit ist Entfremdung auf eine zynisch-perverse Art und Weise aufgehoben. Statt dass die Subjekte sich die entfremdeten Gestalten ihrer gesellschaftlichen Praxis wieder aneignen, gehen sie selbst in den Formen der Entfremdung auf und erleben die Funktionsimperative des Systems als ihre ureigensten Impulse und intimsten Leidenschaften. 

Ich weiß, dass vom Arabischen Frühling bis hin zu Stuttgart 21, Occupy und den aktuellen Protesten gegen die Zerstörung des Gezi-Platzes in Istanbul sich viele Bewegungen der Vernetzung bedienen. Hier erhält der Begriff des sozialen Netzwerks endlich einen Hauch von Wahrheit und Realität. Dennoch bleibe ich dabei: Es müsste auch ohne Vernetzung gehen. Wir hängen nicht nur an der Strippe, sondern am Tropf und an der Leine! Wir dürfen die Formen unserer Gesellschaftlichkeit nicht aus den Händen von Facebook und Twitter entgegennehmen. Die neuen Formen der Vergesellschaftung, die sich in den aktuellen sozialen Bewegungen herausbilden und die etwas qualitativ Neues vorwegnehmen sollen, können nicht die Gesellschaftlichkeit digitaler Netze, sondern müssen aus Fleisch und Blut sein und auf leiblicher Anwesenheit basieren. 

Brüderlichkeit und Solidarität entstehen von Angesicht zu Angesicht, indem ich mich im anderen erkenne und alle gemeinsam die Erfahrung einer Kraft machen, von der sie gestern noch nicht wussten, dass sie über sie verfügen – nicht in der Einsamkeit vor der Tastatur oder dem Touchscreen. Aus dieser erwachsen lediglich neue Formen des Autismus, keine solidarischen Verkehrsformen.

Seit Anfang Juni 2013 wissen wir dank der Enthüllungen des couragierten Ex-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden, dass, wer auf elektronischem Weg Daten übermittelt und über Rechner kommuniziert, unfreiwillig mit dem amerikanischen Militärgeheimdienst NSA zusammenarbeitet, der unter dem Code-Namen Prism diese Daten weltweit sammelt, nach bestimmten Algorithmen auswertet und auf diese Weise Profile erstellt. Die Überwachung geht über die Registrierung von Telefongesprächen und E-Mails weit hinaus und erfasst auch die Daten der Internetkonzerne und somit die sozialen Netzwerke. Ein anderer ehemaliger Mitarbeiter des amerikanischen Militärgeheimdienstes sagt, dass die nach dem 11. September 2001 möglich gewordene Überwachung des Datenverkehrs ohne richterlichen Beschluss besser sei als alles, „was der KGB, die Stasi oder die Gestapo und SS je hatten.“ Ein Kontrollfanatiker wie Jeremy Bentham, der Ende des 18. Jahrhunderts das Panoptikum ersann, das im Namen des anbrechenden Zeitalters der Arbeitsdisziplin die gleichzeitige Überwachung vieler Menschen durch wenige Überwacher ermöglichen sollte, hätte sich die heutigen Überwachungspraktiken in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können.
  • auf Augenhöhe, 
  • gut aufgestellt, 
  • zielführend und 
  • vernetzt sein, 
  • ins Boot geholt oder 
  • in die Spur gebracht werden: 
all das will ich nicht und kann es bald nicht mehr hören. Widerlich diese Sprache, abstoßend und ekelerregend.

Text aus NachDenkSeiten: Götz Eisenberg - Fotos: S!NEDi & YouTube-Video

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...soweit Götz Eisenberg auf den "NachSenkSeiten". 
Diese Argumentation ist vor allem im Moment angesichts von NSA- und GCHQ-Abhörskandalen äußerst zutreffend und mahnend - und sicherlich längst überfällig. Und langsam schlägt sich diese totale Vernetzung mit Hinz und Kunz ins - so meine ich - Gegenteil um. 
Die einzelne Ameise im Ameisenvolk in und auf dem Ameisenhaufen ist trotz der Fülle und dem Eingebundensein mitten zwischen all den Artgenossen, die da mitkrabbeln und hin und her wuseln, ja trotzdem nicht unbedingt "sozial" integriert. Sie ist weiterhin ein Einzelwesen, stoisch von Instinkten, Geprägtheiten und eingebauten Reflexen getrieben und als Einzelkämpferin ihre "Aufgabe" erfüllend, um so mizutun an einem gemeinschaftlichen aber für die Einzelameise unüberschaubaren Ergebnis, nämlich der Arterhaltung: Brut, Brutpflege, Aufzucht und Nahrungsbeschaffung für die eigene Spezies ...
Nur aus einer Metaebene betrachtet hat dieses Ameisengewusel vielleicht so etwas wie einen solchen "Sinn" ... 
Und so ähnlich zeigen sich bei "aufgeklärter" und pekuniär verseuchter systemisch geschulter Betrachtung aus der Metaebene nun diese "Netzwerke" allerorten, die leider nun den abhörbaren Frequenzen und Leitungen bzw. Strippen bedürfen, um sich gegenseitige Impulse auszutauschen - und so wunderbar "an- und abzuzapfen" sind. 
Zu einer anderen Zeit  - also früher, ganz früher - gab es den Begriff der "Seelenverwandtschaft", die man aber meist erst nach einer Begegnung "face to face" - bzw. in der Bibel sagte man "von Angesicht zu Angesicht" - oder beispielsweise nach der Lektüre eines Werkes mit dem Autor, oder der Betrachtung eines Gemäldes mit dem Künstler, oder beim Hören eines Musikstücks mit dem Interpreten oder Komponisten - zu empfinden, ja geradezu in sich auch physisch zu erspüren meinte - ganz ohne "Strippe" oder Funkfrequenz - einfach mit den psycho-physischen Aggregaten der Empathie und Sympathie - manchmal auch einseitig und stillschweigend - eine "heimliche" Liebe und "Zuneigung" vielleicht - die aber innerlich aufwühlte und veränderte ... - und anspornte zur Recherche, zur Informationssammlung hier und da, und zum "Auf-den-Weg-Machen"  - zum "Denken": Vor-Denken, Währenddessen-Denken (man sagte auch "ganz bei sich sein" - oder auch "gescheid" sein) und sogar noch hinterher das "Reflektieren, das Nach-Denken... 
Eine solche Art der Kommunikationsanbahnung ist schon ein paar Jahre her - etwa bis zur "Antike" direkt vor der elektronischen Nutzbarmachung all dieser ja eigentlich natürlichen und menschlichen "Vernetzungs"-Bestrebungen ... 
Wir haben also diese Möglichkeiten als einzeln vor uns hin wuselnde "Ameisen" in uns eingebaut und integriert - unser Nervensystem und unsere Rückkoppelungsmöglichkeiten zwischen Sinnes-Wahrnehmungen und Gehirn (Ratio) und mit dem in sicherlich doppelter Kabelbreitbandgeschwindigkeit funktionierenden Vagusnerv hin zum Herzen und zum "Bauchhirn" (Gefühl) - oder umgekehrt - ist so fantastisch angelegt - wir müssen sie nur neu entdecken und neu trainieren und "nutzen" - abhörfrei und in Zehntausendstelsekundenschnelle ohne Breitbandkabel aktivierbar ...: eine leider längst vergessene Bio-Ressource, die die Schule auch nicht (mehr) lehrt und trainiert bzw. wofür es keinen Lehrplan (mehr) gibt: Ich muss sagen - in meiner 8-jährigen Volksschul-"Bildung" von 1954 bis 1962 habe ich selbst in so kurzer Zeit dafür Grundlagen mitbekommen, auf die ich aufbauen konnte: Herzlichen Dank dafür ...  
- meint sinedi 


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