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Das Künstlerpaar Eva und Adele im me Collectors Room in ihrer Ausstellung in Berlin (dpa / picture alliance / Annette Riedl)
Retrospektive von Eva & Adele in Berlin
Kunst und Leben vereint
Eva & Adele im Gespräch mit Eckhard Roelcke
Die Trennung von Kunst und Leben überwinden – das war schon immer der Traum der Avantgarde. Eva & Adele sind diesem Traum sehr nahe gekommen, wie eine Retrospektive des Künstlerpaares in Berlin zeigt.
L’amour du Risque nennt sich die Retrospektive von Eva & Adele und die Liebe zum Risiko hat sich unter anderem in ihren Outfits ausgedrückt. 165 Kostümpläne sind zu sehen in Berlin – immer glamourös, gerne in Rosa und mit Perlen. Seit 1991 gibt es Eva & Adele als Kunstwerk, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr, da blieben Anfeindungen nicht aus.
Gegen die düsteren Seiten hilft nur "futuring"
"Es war schon sehr drastisch. Das sind unsere düsteren Jahre, am Anfang unseres Werkes. Dadurch dass wir glücklicherweise zu zweit sind, haben wir uns bei den Händen genommen und sind wacker drauf los und haben sehr schnell gelernt mit all dem umzugehen, mit den düsteren Seiten des Lebens um uns herum und haben gelernt 'futuring' zu leben und 'futuring' in die Welt zu setzen", erzählt Eva.
Da springt Adele Eva zur Seite und erläutert 'futuring': "Wir wurden mit unglaublich viel Unverständnis konfrontiert, selbst in der Kunstwelt. Vielen war es wahnsinnig peinlich, wenn wir plötzlich neben ihnen standen. Und all diese Momente, die muss man dann aushalten als Künstler und Du denkst dann immer 'Mein Gott, kennen die die Kunstgeschichte nicht. Haben die noch nichts gehört von den Avantgarden vergangener Jahre?' Aber trotz dieser Hürden war unser Wille zur Durchsetzung da, gepaart mit einer guten Portion Revolte. Und immer, wenn ich gedacht hab, mir ist das jetzt zu viel, ich schaff es nicht, war immer Eva die, die gesagt hat 'weiter, weiter'."
Das Künstlerpaar Eva und Adele in einem Studio von Deutschlandfunk Kultur (Deutschlandradio / Susanne Utsch) |
Es gibt keinen Urlaub von Eva & Adele
Und weiter ging es in der Tat. Urlaub von Eva & Adele gibt es nicht. "Ich glaube, wirkliche Künstler brauchen keinen Urlaub", sagt Eva. "Es gibt sogar eine Arbeit, die heißt 'Die Ferien von Eva & Adele'. Aus der Gruppe Transformer/ Performer. Wir haben versucht, Ferien zu machen. Wir sind ans Meer gefahren, haben unsere Strandspaziergänge gemacht und atmen die frische Luft und schlafen ruhig. Aber am zweiten Tag haben wir schon begonnen zu zeichnen. Und auf der Rückreise haben wir bei Freunden gestoppt und hatten plötzlich die Idee, diese Blätter collagieren wir jetzt", ergänzt Adele.
"Die Idee, Kunst und Leben zu einem zu machen, das ist grade bei uns ganz, ganz wichtig", bilanziert Eva.
Deutschlandfunk Kultur
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Instagram/artculturecotedazur Eva & Adele sind die lächelnden Eierköpfe des Kunstbetriebs. Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen Expressionismus, Pop und Trash - und sollen vor allem Feindseligkeit überwinden |
EVA & ADELE
Ihre Freundlichkeit macht uns fertig
Zum Berliner Gallery Weekend zeigt das Künstlerpaar Eva & Adele seine neuen Werke. Seit 27 Jahren bringen die kahlen Zwillinge im Geiste der notorisch humorlosen Kunstwelt das Lachen bei.
Von Lisa Schmidt-Herzog
Die Türen schwingen auf, und perfekt manikürte Hände heißen einen willkommen, dazu zwei Augenaufschläge in irisierenden Farben. So beginnt ein Besuch bei Eva & Adele in ihrem Atelier in Berlin-Charlottenburg. Seit 27 Jahren lebt das Künstlerpaar von seiner einprägsamen Transgender-Erscheinung: kahl rasierte Schädel, tadelloses Make-up, dazu eine schillernde Garderobe, die sich immer bis aufs Miederhöschen gleicht. Eva & Adele behaupten, aus der Zukunft zu stammen, und lachen über die gelegentliche Lästerei, sei seien in den Neunzigern hängen geblieben. Aber zweifellos war das ihr Jahrzehnt; hier tauchten sie bei jedem denkbaren Kunstevent auf. Trotz mancher Abnutzungserscheinungen: die Blicke sind ihnen seit jeher sicher.
Ihre an absurdes Theater erinnernden Besuche auf Kunstmessen und Vernissagen sind streng choreografiert, jedes Interview wird zur Performance. Ihr öffentlicher Auftritt als hermaphrodites Zwillingspaar ist von ihrem Werk nicht zu trennen. Dabei wird eines manchmal vergessen: Hinter der Maske des scheinbar alterslosen Glamourgespanns stehen zwei bildende Künstler*innen (das kann man hier ausnahmsweise mal so schreiben), die nicht nur vor der Kamera posieren, sondern auch selber fotografieren, malen, zeichnen. Ihre Arbeiten bewegen sich irgendwo zwischen abstraktem Expressionismus, Pop und Trash. Sie wurden schon im Musée d’art moderne de la Ville de Paris ausgestellt, in der Londoner Tate Gallery oder im japanischen Hara Museum für zeitgenössische Kunst.
me berlin.com: eva & adele - l'amour du risque |
„Wherever We Are Is Museum“ – ihr früher Wahlspruch zeugt von einer gesunden Portion Größenwahn und vom Talent, diesen Anspruch auch Realität werden zu lassen. Erstmalig erprobt haben sie ihren Sprung in die Wahrnehmung der Kunstwelt 1991 im Berliner Martin-Gropius-Bau. Als glatzköpfige Pierrots in weißen Brautkleidern platzten sie in die „Metropolis“-Ausstellung, die damals die aktuelle Kunst der Zeit zeigen wollte, aber Eva & Adele nicht berücksichtigt hatte. Ihr Auftritt zelebrierte die gleichgeschlechtliche Ehe als künstlerische Aktion – drei Jahre bevor die Strafbarkeit von Homosexualität durch Paragraf 175 abgeschafft wurde.
Ob sie davon betroffen waren? Auch beim nettesten Plausch in ihrer offenen Atelierküche achten Eva & Adele peinlich darauf, keine privaten Informationen über ihre Vergangenheit herauszulassen. Zwischen Mandelgebäck und Espresso dringt ab und zu aber doch ein Bekenntnis durch. So zum Beispiel, dass Eva seit frühester – biologisch männlicher – Kindheit damit beschäftigt war, sich zum heroischen Einzelkünstler zu erziehen. Der feministisch geprägten Eva war das ein Dorn im Auge, als sie ihren späteren Partner 1989 kennenlernte. Sie wollte damals ein Zeichen setzen gegen solche Selbstvergötterung in der Kunst. Im Nachhall der Neoexpressionisten oder der Neuen Wilden war der Künstler-Machismo noch immer omnipräsent.
Aber sie fanden zusammen, auch wenn bei ihrer ersten gemeinsamen Videoarbeit „Hellas“ von Eyeliner geschwärzte Tränen in Strömen geflossen seien: „Wir saßen am Rande eines Hügels in Griechenland und dachten, dass wir zu schlimm sind und dass wir zwei Sturköpfe es nicht schaffen werden, gemeinsam Eva & Adele zu sein.“ Und wie zur Bestätigung tupft die eine der anderen behutsam das Auge trocken, wenn ein leichter Allergieschub die Wange befeuchtet.
Selbst wenn sie damals nicht immer an ihr Lebensprojekt geglaubt haben, gab es doch mindestens zwei gute Gründe, „Eva & Adele“ am Laufen zu halten: die Liebe und der unbedingte Wille, etwas in die Welt zu setzen, das diese noch nicht gesehen hatte. Ihr Konzept ist der situative Eingriff in die Leben anderer Menschen. Ihrer Malerei liegen Zusendungen von Fremden zugrunde, die auf der Straße um ein gemeinsames Foto gebeten haben. Die Herstellung dieses Kontakts ist sowohl Intervention als auch Begegnung. Vor allem dann, wenn er nicht den Erwartungen entspricht: Das sind gar keine Exzentriker, die ausschließlich in Mäusemilch baden und Morgenmäntel aus Schlangenleder tragen?
Tatsächlich kaufen Eva & Adele im Bio-Supermarkt, machen im pink Camper am Wannsee Urlaub und lieben die Torten eines Berliner Hipster-Konditors. Na so was. In Steve Barrons Filmkomödie „Die Coneheads“ machen die Erdbewohner eine ähnliche Beobachtung: Die Außerirdischen sind dort eigentlich sehr nett! Eva & Adele sind die Eierköpfe des Kunstbetriebs. Ihre Botschaft lautet, dass Akzeptanz einen Prozess des Kennenlernens voraussetzt.
Trotz ihres freundlichen Wesens klappt das nicht immer. Unison berichten Eva & Adele von Zusammenstößen mit Menschen, die ihnen nicht so wohlgesinnt sind, die im Flugzeug nicht neben ihnen sitzen wollen oder die ihren Kindern die Augen verdecken, wenn sie vorbeigehen. Jedes Bild, auf dem sie abgebildet seien, zwinge irgendjemanden, es anzusehen, der sie aus seinem Weltbild lieber ausschließen würde, weil ihm aufdringliche Kunstzwillinge sauer aufstoßen, sagen sie. Ihre Ausstellung, die zum Berliner Gallery Weekend im Me Collectors Room eröffnet, ist als Konfrontationstherapie zu verstehen. Beim Gang durch die halb fertige Schau „L’Amour du Risque“ räumt Adele ein: „Diese Leute müssen mit unserem Bild, unserem Lächeln, unserer Freundlichkeit fertig werden. Und das ist ein extrem politisches Statement.“
Unwillkürlich fragt man sich: Wann habe ich eigentlich zuletzt im Museum gelacht? Zügelloses Lachen gilt als exaltiert und daneben, in dieser Einschätzung unterscheidet sich die Kunstgeschichte nicht vom Jesuitenpater in Umberto Ecos „Der Name der Rose“, der überzeugt ist: „Lachen entstellt die Gesichtszüge und macht die Menschen den Affen gleich.“
Eva & Adele sind zum Lachen, weil sie systematisch absurde Momente produzieren. Dabei stellen sie zur Diskussion, was eigentlich lachhaft ist: zwei Glatzen im Lackkostüm oder die Unfähigkeit, das auszuhalten? Die Andersartigkeit von Eva & Adele muss nicht jeder vorbehaltlos abfeiern, aber respektieren und ertragen können. Darin liegt ein tief humaner Anspruch: einerseits die Überwindung von Feindseligkeit und andererseits von blindem Zuspruch aus Angst, Befindlichkeiten zu verletzen. Diese Einsicht ist fundamentaler Bestandteil der Marke Eva & Adele.
Eva & Adele, „L’amour du risque“, 27. April bis 27. August 2018, Me Collectors Room, Berlin
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in fortführung der maxime von joseph beuys "jeder mensch ist ein künstler" haben sich eva & adele auf den patt gemacht mit ihrer philosophie: "der mensch ist kunst - das leben ist kunst" und bei zweien ist es eben kunst hoch ² - ja sogar: "wo immer wir sind, ist das museum"/"wherever we are is museum" ... - und sie haben diese strategie "penetrant" (wenn dieser ausdruck hier erlaubt ist) durchgehalten ...
anfangs - vor über 25 jahren - sind sie den vernissagisten auf die nerven gegangen mit ihrem getue - bis es bei denen dann allmählich "klick" gemacht hat und gefunkt hat - und sie dazugehörten - wie ein neuerworbenes dauerinventar - und das hat gedauert - und es hat rückschläge gegeben.
ja allmählich merkte das interessierte publikum, dass es den beiden nicht einzig um klamauk ging - wie wir es z.b. von jonathan meese immer noch kennen: provokation um der provokation willen ... - aber dem meese haben ja pegida und afd inzwischen ganz un-art-ig längst den rang abgelaufen ...
fast im zarten rosa und gepuderten heiteitei-gegenteil kommen nun eva & adele daher: perfekt gepflegt und "mit stil", den sie him-/her-self kreiert haben ...: sie selbst - ihr gehabe, ihre wohnung, ihr atelier und ihre werke bilden das neuartige multitasking-gesamtkunstwerk ... - und die kunsthistoriker müssen nun eine neue kategorie zur einordnung bilden ...: wie etwa der "eva-&-adele-stijl" - wobei in diesem falle"weniger nicht mehr wäre" ...
um so etwas zu kreieren und durchzuhalten und inzwischen schon zum inventar jeder großen vernissage zu gehören - und dabei sogar auch noch eigene betörende werke über sich selbst hinaus zu schaffen - das hat schon klasse ... - das kommt nie überzogen daher - sondern hat sich profiliert und sich raum genommen.
das ist so gut - die beiden sind so gut - dass man ihr zweisames alleinstellungsmerkmal wohl nie kopieren wird können - unerreichbar ... - S!