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schon schweigen ist betrug, genug kann nie genügen ...

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AUS DEM SPIEGEL                                                                      AUSGABE 19/2018

Interview mit dem Leiter der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen

"Ich frage mich, was ich falsch gemacht habe"


Günter Morsch, Leiter der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen, warnt: Das Wissen über die Nazi-Zeit nimmt ab, der Antisemitismus wird stärker. Deutschland sei allzu stolz auf seine Erinnerungskultur.

Ein Interview von Annette Großbongardt und Frank Hornig 

Morsch, 65, ist Historiker und lehrt am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin. Er leitet seit 1993 "Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen", seit 1997 ist er auch Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.
Prisoners in the concentration camp at Sachsenhausen, Germany, December 19, 1938 (National Archives)


SPIEGEL: Herr Professor Morsch, im Konzentrationslager Sachsenhausen waren von 1936 bis 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert, politische Häftlinge, Juden, Sinti, Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuelle. Zehntausende wurden getötet. Vor zwei Wochen haben Sie den 73. Jahrestag der Befreiung des Lagers begangen. Wie viele der ehemaligen Häftlinge leben heute noch?

Morsch: Gerade mal sieben Überlebende sind jetzt zum Jahrestag gekommen, es sind wirklich nicht mehr viele, aber einen exakten Überblick haben wir nicht. Die meisten stammen aus Osteuropa, sie kamen als Kinder nach Sachsenhausen.

SPIEGEL: Einer der Überlebenden, der kommunistische Widerstandskämpfer Karl Stenzel, starb 2012. In einer seiner letzten Reden sagte er, fast flüsternd, er war wohl schon schwach ...

Morsch: ... er war so deprimiert!

SPIEGEL: Er sagte: "Wir, die ehemaligen KZ-Häftlinge, wir haben versagt. Wir haben geglaubt, die Welt würde aus unserer Erfahrung lernen, sie würde besser werden, keine Völkermorde mehr, kein Rassismus, kein Antisemitismus, kein Nationalismus, kein Krieg mehr. Doch was hat die Welt aus unseren Erfahrungen gemacht?" Eine bittere Bilanz. Hat er recht?

Morsch: Schon in ihrem "Vermächtnis", das die Häftlingskomitees fast aller großen Lager von Auschwitz über Flossenbürg, Dachau bis nach Ravensbrück und Sachsenhausen 2009 in Berlin dem Bundespräsidenten übergaben, klingt das ähnlich pessimistisch. Die Häftlinge hatten wirklich geglaubt, dass dies ein Zivilisationsbruch war, der die Menschheit zur Umkehr bewegen würde.

SPIEGEL: Haben wir tatsächlich nichts aus der Geschichte gelernt?

Morsch: Ich war beim Verfassen des Vermächtnisses dabei und habe natürlich auch versucht dagegenzuhalten, aber es ist mir zunehmend schwergefallen. Die Menschen sind mir ans Herz gewachsen, es tut mir leid, dass nicht wenige von ihnen so resigniert starben. Ganz so schwarz darf man es zwar nicht sehen, aber ich bin froh, dass die meisten nicht mehr erleben, was im Moment in Europa los ist und im Deutschen Bundestag ...

SPIEGEL: ... wo nun die Rechtspopulisten der AfD sitzen. Was ist los in Deutschland?

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