Großzügige Spende: Insgesamt 18 Werke hat der Künstler Gerhard Richter für das Projekt gegen Wohnungslosigkeit in NRW gestiftet. Ein Teil war während der Präsentation des Projekts im Landtag gestern zu sehen. Fotos: dpa
Kunst hilft Wohnungslosen
🔷Neue Idee: Der Maler Gerhard Richter stiftet wertvolle Werke für eine Online-Auktion. Mit dem Erlös kann der Ankauf von Wohnungen in ganz NRW finanziert werden
Von Lothar Schmalen | NW
"Wohnen ist ein Menschenrecht. Doch bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware in NRW, vor allem für Menschen, die schon lange auf der Straße wohnen", sagt Christian Woltering, Landesgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Mit einer neuen Idee soll diesem Problem jetzt zu Leibe gerückt werden. Und tatkräftig mitgeholfen hat dabei der international renommierte Künstler Gerhard Richter.
Die Idee besteht darin, dass Vereine, die sich der Wohnungslosenhilfe verschrieben haben, Wohnungen erwerben und diese direkt an Wohnungslose vermieten. "Housing-First" heißt die Idee, die 2011 in Wien entstand und sich seitdem bereits in einigen europäischen Ländern (zum Beispiel in den Niederlanden, in Belgien und in Frankreich) ausgebreitet hat. In Deutschland wird sie seit 2014 bislang vor allem von der Düsseldorfer Wohnungslosenhilfe "fifty-fifty" praktiziert. "Mit dem Verkauf gespendeter Kunst haben wir in den vergangenen zwei Jahren 48 Wohnungen gekauft. Sie sind an 53 Langzeitwohnungslose vermietet", berichtet Streetworkerin Julia von Lindern. Die Erfahrungen mit dem "Housing-First"-Ansatz seien durchweg gut. Ein eigenes dauerhaftes Zuhause - statt ein Obdach auf Zeit - habe auf die Klienten eine sehr positive Wirkung, sagt die Sozialarbeiterin.
Jetzt hat der Künstler Gerhard Richter, mit dem "fiftyfifty" schon länger in Verbindung steht, Kunstwerke gespendet, deren Erlös in einen neuen Fonds ("Housing-First-Fonds") des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes fließen soll. Das Geld aus diesem Fonds soll freien Trägern der Wohnungslosenhilfe in ganz NRW bei der Finanzierung von Wohnungskäufen helfen. Der erwartete Erlös aus der Online-Auktion der Richter-Kunst (www.fiftyfifty-galerie.de) dürfte bei mehr als einer Million Euro liegen. "Das Land steuert 400.000 Euro bei", sagt NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU). Mit dem Fonds könne der Erwerb von insgesamt 100 Wohnungen finanziert werden.
Der Minister hatte auch statistische Informationen mitgebracht. Demnach ist die Zahl der Wohnungslosen in NRW von 2014 bis 2016 von 20.486 auf 25.045 gestiegen - vor allem wegen der Flüchtlingskrise 2015, wie die Kommunen sagen. Viele Asylbewerber mussten nach ihrer Anerkennung die Asylunterkünfte verlassen, fanden aber keine bezahlbaren Wohnungen. In Ostwestfalen-Lippe alleine stieg die Zahl der Wohnungslosen von 1.671 auf 2.773 (davon allein 1.683 in Bielefeld).
"Housing-First heißt für uns nicht Housing-Only", sagt Woltering vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Nach Bezug der Wohnung würden die Betroffenen ermutigt, ihre individuellen Probleme wie etwa Sucht oder psychische Belastungen anzugehen, unterstützt von Hilfsangeboten.
Die Träger von Wohnungslosenhilfe können nun Anträge beim Paritätischen Wohlfahrtsverband stellen, um sich beim Erwerb von Wohnungen beraten und bei der Finanzierung helfen zu lassen. "Rund ein Dutzend haben bereits Interesse angemeldet", sagt Woltering. Darunter sind dem Vernehmen nach auch freie Träger aus Ostwestfalen-Lippe.
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Maler, Bildhauer, Fotograf: Der Künstler Gerhard Richter (86). |
- Der 1932 in Dresden geborene Gerhard Richter ist Maler, Bildhauer und Fotograf.
- Von 1971 bis 1993 war er Professor für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf.
- Richter wird auch als "Picasso des 21. Jahrhunderts" bezeichnet und gehört inzwischen zu den höchstgehandelten zeitgenössischen Künstlern.
- Für die Sonderedition "Cage f.ff" hat Richter Fotografien von seinen Ölgemälden "Cage 1-6" in einer Auflage von je fünf Exemplaren erstellt. Drei der fünf Sets stiftete er für den Wohnungsfonds, die beiden anderen gehen für andere Zwecke an die Düsseldorfer Wohnungslosenhilfe "fiftyfifty". (los)
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Berühmter Künstler unterstützt Wohnungslosenprojekt
Kreative Sozialhilfe
Lothar Schmalen | NW
Sozialminister Karl Josef Laumann war gut gelaunt, als er im Landtag vor die Journalisten trat. Verständlicherweise. Denn die Idee, die er gemeinsam mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und einem Düsseldorfer Verein für Wohnungslosenhilfe vorstellte, war ebenso überraschend wie simpel: Wenn es Wohnungslosen auf dem überteuerten Wohnungsmarkt nicht gelingen kann, eine Wohnung zu bekommen, die vielleicht ihr Rettungsanker sein könnte, dann kaufen Träger der Wohnungslosenhilfe eben selbst Wohnungen, um sie an die Betroffenen zu vermieten.
Laumann lobte die Idee mehrfach und unterstrich, dass es richtig und notwendig sei, dass Wohlfahrtsträger selbst Eigentümer von Wohnungen werden. Dass dies gleichzeitig das Eingeständnis ist, dass es der private Markt eben nicht in jedem Fall richtet, wie es die Vertreter der "Privat-vor-Staat"-Ideologie jahrelang behauptet haben, ficht Laumann nicht an. Er selbst, Sozialpolitiker und Gewerkschafter aus Überzeugung, war sowieso nie ein großer Anhänger dieser Art von Weltsicht.
Gerhard Richter, einer der Stars der deutschen Kunstszene, ist übrigens nicht der erste Künstler, der dem Verein für Wohnungslosenhilfe in Düsseldorf hilft. Den engagierten Sozialarbeitern aus der Landeshauptstadt wurden schon mehrfach Kunstwerke gespendet. Die Idee, auf diese Weise Geld für den Ankauf von Wohnungen für Wohnungslose zu beschaffen, zeigt: Sozialhilfe kann auch kreativ sein.
lothar.schmalen@ihr-kommentar.de
© 2018 Neue Westfälische
03 - Bielefeld Süd, Donnerstag 24. Mai 2018
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so ein wenig erinnert diese aktion ja an die mithilfe von "ehrenamtlichen" im sozialbereich. und dass jetzt sogar ein international bedeutender künstler sich an diesem "ehrenamt" beteiligt, ist doch große klasse und nachahmenswert - und hält auch ein wenig den auktionshäusern und dem internationalen kunsthandel den spiegel vor - deren prinzip der preistreiberei mittels scheingeboten hier kaum greifen kann ... - das war ja auch schon bei der übergabe des fotografisch reproduzierten geschichtsschweren "birkenau-zyklus" für die südwand im eingangbereich des "reichstags" der fall ...
ich meine - das grundprinzip dieser art spendenbeschaffung insgesamt hat ja bethel-"vater" bodelschwingh vor fast 130 jahren ganz amateurhaft und im kleinen entwickelt: mit seiner "brockensammlung" ("sammelt die übrigen brocken, auf dass nichts umkomme!" - joh 6,12 ...) und seiner "briefmarkenstelle", wo gebrauchte briefmarken abgelöst und zu sammlerzwecken sortiert und aufbereitet werden - die "kunstwerke der kleinen leute" ... - und seinem "pfennigverein", wo von einer gruppe monatlich "kleingeld" eingesammelt wurde - nach dem motto: "kleinvieh macht auch mist" ...
nun will ich die echten teuren richter-kunstwerke beileibe nicht als "brocken" abqualifizieren, die ansonsten drohten "umzukommen": richter-kunstwerke werden nicht umkommen sondern wohl ihren marktwert behalten und steigern - und auch drohende inflationen überleben.
es wäre gut, wenn mehrere herausragende künstler es gerhard richter gleichtun würden - und ob da eventuell noch ein steuerlicher vorteil für die kunstschaffenden und ihre agenten und galeristen abfällt, sei mal dahingestellt - für einen guten zweck ist ja jeder dabei abfallender "lohn" gut angelegtes geld ... - S!