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mars - schall & rauch

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"Tal" (1999): Ein Dorf in Deutschland, ein paar Häuser, eine Windmühle, ein Zaun, Feldwege in die Ferne - in den 60ern? In den 90ern? Typisch für Neo Rauch: Erstaunlich mühelos überbrücken seine Bilder den Wandel der zeiten.
Fotos: Andreas Schnadwinkel

Die Sache mit dem Andreaskreuz

Museum in Zwolle zeigt einen Querschnitt des Werks des Malerstars Neo Rauch

Von Andreas Schnadwinkel | Westfalen-Blatt

Zwolle(WB). Neben Altmeister Gerhard Richter ist Neo Rauch international der gefragteste deutsche Maler. Seine Bilder sind in bedeutenden Sammlungen und Museen weltweit vertreten. Sein Werk, das sich mit dem Künstler entwickelt hat, ist vielschichtig. Das zeigt noch bis zum 3. Juni die Ausstellung »Neo Rauch – Dromos. Malerei 1993 bis 2017« im Museum Fundatie im niederländischen Zwolle.

Die Hauptstadt der Provinz Overijssel muss sehr wohlhabend sein, sonst könnte sie sich eine solche Ausstellung mit enormen Versicherungs-, Transport- und Leihkosten gar nicht leisten. Für den Wohlstand der ehemaligen Hansestadt spricht schon der Museumsbau, ein alter Justizpalast im klassizistischen Stil. Ein surrealistisches Ei bildet das Dach, außen beklebt mit mehr als 50.000 Fliesen.

"Mars" (2002):
ist der hünenhafte Arbeiter mit Speer
in Kämpferpose ein Selbstporträt?
Ort und Gebäude passen also zu dem, was präsentiert wird. Natürlich ist Neo Rauch kein Surrealist
im herkömmlichen Sinn. Sein Stil ist ausgesprochen eigen, annähernd mythologisch und versammelt vielerlei Einflüsse. Manche sehen in ihm einen Neoromantiker, einen Neobarockmaler oder gleich einen Vertreter des Neokonservativismus. Das Unklare und die Bildsprache mit ihrer entsättigten Farbgebung machen den Erfolg aus.

In Zwolle sind 65 Gemälde zu sehen, auch das titelgebende »Dromos«. Das griechische Wort bezeichnet in der Archäologie den Korridor in die Grabkammer und in der Ägyptologie die zum Tempel führende Sphingenallee. »Dromos« aus dem Jahr 1993 ist das älteste gezeigte Bild, der Ausgangspunkt für ein Vierteljahrhundert Malerei – offensichtlich ein Zeitpunkt, um eine Zwischenbilanz zu ziehen. Bislang stand der 58-Jährige aus Leipzig nicht im Verdacht, quartalsweise einen Seelenstriptease hinzulegen und sein Werk gedanklich zugänglicher zu machen. Doch seit einigen Monaten erklärt er sich immer offener, das ist neu an Rauch. »Wegen des frühen Unfalltods meiner Eltern lag sicher von Anfang an ein Schatten über der Familie«, sagt er heute freimütig. Am 15. Mai 1960, vier Wochen nach der Geburt des Sohnes, kamen die Eltern Hanno Rauch und Helga Wand beim schwersten Eisenbahnunglück der DDR ums Leben.

Wer sich über die vielen Windmühlenflügel, Rotorblätter und Stromleitungen in Rauchs Bildern wundert, sollte sich ihre Form genauer anschauen: Es sind An­dreaskreuze, die an Bahnübergängen vor dem Zugverkehr warnen sollen. Es mag eine Portion Küchenpsychologie dabei sein, will man die Verarbeitung dieses Schicksalsschlags in das Werk interpretieren. Aber ist das falsch?

Zu seinem Wesenskern sagt Rauch: »Das ist wahrscheinlich ein ängstliches, träumendes Kind in der Nacht, im Keller, von Ängsten durchpulst. Jedenfalls bin ich kein verantwortungsbewusster, couragiert handelnder Erwachsener.«

"Der Durchstich" (2017) -
ob im Tunnelbau oder zur Flussbegradigung,
bleibt offen.
Die »Dromos«-Schau macht sichtbar, wann und wie Einflüsse auftauchten und wieder verschwanden. In der frühen Phase erkennt man in der figürlichen Darstellung eine Prägung aus den USA der 60er und 70er Jahre. Der junge Neo Rauch stellte Männer und Frauen so holzschnittartig dar wie der legendäre »MAD«- Cartoonist Dave Berg (1920-2002).

Auch die Wirkung der einstigen sowjetischen Propaganda auf den DDR-Bürger ist unverkennbar: Der Sozialistische Realismus hat Spuren hinterlassen. Viele Bilder zeigen Menschen bei einfachen Arbeiten und haben ebenso einfache Titel wie »Der Former«. Aber einfach zu verstehen sind sie nicht.

Dazu ist im Museum Fundatie eine Wand mit einem Zitat von Neo Rauch beschriftet: »Ich versuche jedenfalls, eine Hygiene zu halten, weil ich zum einen natürlich die DDR-Vergangenheit im Nacken habe mit der ausgesprochenen Erwartungshaltung an den kunstbetreibenden Zeitgenossen, Flagge zu zeigen, Haltung zu zeigen. . . ›Sag mir, wo du stehst‹, hieß es so schön in diesem schlagerähnlichen Politsong, den der Oktoberklub an unser Ohr brachte.«

Die Sozialisation in der DDR ist so etwas wie der Rote Faden durch Neo Rauchs Gesamtwerk. Wenn die Personen wie in der Vergangenheit gekleidet sind und seltsame Kopfbedeckungen tragen, dann hat Neo Rauch vielleicht niederländische Barockmaler zitiert – oder sich an DDR-Märchenfilme erinnert gefühlt. Beides ist möglich.

"Die Kontrolle" (2010): bevor die geheimnisvolle Sänfte das Tor (zu was?) passieren darf, muss es vermessen werden - allerdings mit Maßstäben offenbar ohne Eichung.


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früher war sein name für mich als eingefleischten wessie einfach nur "schall & rauch" - aber im laufe der staatstragenden vereinigung lief er mir immer öfter über den weg: neo rauch...

und erst kürzlich habe ich hier ja seinen großen lehrmeisterarno rink entdecken dürfen - und in dem film dann auch dazu neo rauch: arno rink & neo rauch - das war für mich dann so etwas wie "pat & patachon": beide malten streng sozialistisch gegenständlich - und beide malten sich ihre "seele aus dem leibe" ... die angst- und albträume in monumentalen szenen und aberwitzigen konstellationen - in kafkaesken tagträumen.

und was zunächst furchtbar altbacken wirkte, wurde plötzlich die "neue leipziger schule" - und ein exportschlager aus dem neuen vereinigten deutschland - besonders auch für das ausland: der ursprünglich aus dresden stammende gerhard richter, der aber mit seiner fotografischen abstraktheit als strikter wessie durchging - und dann die wucht des jungen neo rauch aus dem osten, dem schüler von dem ebenfals mit viel unwucht versehenen arno rink.

zunächst haben mich rauchs werke immer an alte "sigurd"-comic-hefte erinnert, wenn auch das dortige heldentum-ritter-schlacht-ambiente aufging in albtraumhafte tiefenpsychologisch zu deutende gesichte und szenen aus dem dunstkreis ("rauch") des "kollektiven unbewussten" und "neo"-magisch-märchenhaften ... rauchs bild-personal sind fast allesamt die nachdenklich geführten asozialen zombies ihrer selbst - in einem eigentümlich bühnenbildhaften beziehungslosen schlafwandlerischen mit- und umeinander agieren ...

und so scheinen mir seine szenen so unrealistisch fast surrealistisch "fertig", dass ich gar nicht mehr die berühmte frage stellen will: "was will mir der künstler damit sagen ?" - sondern es einfach einwirken lasse - und abwarte, was es in mir auslöst - und aus welchem seelischen steinbruch sich brocken anfangen zu lösen, um herunterzupurzeln in die bewusstheit ... - S!


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