Direkt zum Aufruf: Auf Banner clicken ... |
SPD-Mitgliederentscheid
Grass rät SPD-Basis von Großer Koalition ab
Die Koalitionsverhandlungen von Sozialdemokraten und Union sind in der Endphase - doch die SPD-Mitglieder können per Entscheid alles zu Fall bringen. Schriftsteller Günter Grass ermutigt die Basis nun zu diesem Schritt: "Ich kann nur raten, nicht in die Große Koalition zu gehen."
Lübeck - Mitten im Endspurt der Koalitionsverhandlungen meldet sich Günter Grass zu Wort: Der Schriftsteller, seit Jahrzehnten Symphatisant der SPD, hält nichts von einem Zusammengehen der Partei mit der Union auf Bundesebene. "Ich kann der SPD und ihren Mitgliedern nur raten, nicht in diese Große Koalition zu gehen", sagte er. Eine Große Koalition wäre übermächtig, für die Opposition bestünden praktisch keine Chancen mehr.
Seit Jahrzehnten schon ist Grass mit der Sozialdemokratie eng verbunden. Im Jahr 1961 reiste er zum ersten Mal im Wahlkampf-Tross von Willy Brandt mit, in "Aus dem Tagebuch einer Schnecke" schrieb er seine Wahlkampferlebnisse von 1969 nieder. Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel sagte im vergangenen Jahr in einem SPIEGEL-Interview anerkennend: "Was hat Grass für die SPD geleistet, was hat er an Prügeln eingesteckt, als er für Willy Brandt Wahlkampf gemacht hat?" Und weiter: "Nicht nur die SPD, das ganze Land hat Grass viel zu verdanken."
Zuvor hatten einige SPD-Politiker angekündigt, sie wollten künftig auf die Hilfe des Schriftstellers verzichten. "Seine Zeit ist einfach vorbei", hieß es im April 2012. Auslöser war Grass' Israel-Gedicht: In "Was gesagt werden muss" hatte er angeprangert, Israel gefährde mit seiner Iran-Politik den Weltfrieden.
Unterstützung von Intellektuellen im Netz
Grass befürchtet jetzt, dass Union und SPD in einer Großen Koalition mehr oder weniger ihr politisches Gesicht verlieren könnten - "ohne dass etwas wegweisend Neues dabei herauskommt". Auch drohe das politische System Schaden zu nehmen. Sein Vorschlag: eine Minderheitsregierung von CDU/CSU, geduldet von SPD und Grünen.
Grass hatte mit seinem SPD-Engagement den Einsatz für die linke Sache unter Intellektuellen zur Frage des guten Tons gemacht. So kursiert auch jetzt im Internet ein Aufruf "Wider die Große Koalition". Darin heißt es: "Wenn der SPD die Courage fehlt, die Führung zu übernehmen, sollte sie in die Opposition gehen und sich von Grund auf erneuern." Zu den Erstunterzeichnern gehören: Konstantin Wecker, Roger Willemsen, Hanna Schygulla und die Humpe-Schwestern.
Quelle: fln/dpa | SPIEGEL-ONLINE
.......................................
Positionierung: GROSSE KOALITION - EINFACH WIDERLICH
27 Prominente aus Kunst und Wissenschaft mahnen die SPD, nicht wieder in eine Große Koalition einzutreten.
Ingo Schulze |
Es gehe um die Frage, "ob sich die SPD in einer Regierung mit CDU und CSU weiter marginalisieren und für ein 'Weiter so!' einspannen lässt, oder ob sie eine politische Alternative nicht nur behaupten, sondern für diese auch einstehen will", heißt es in der Erklärung. Die Unterzeichner befürchten, in einer Große Koalition würden "Konzepte einer vergangenen Politikepoche" bestärkt. Die SPD verschenke ihren Führungsanspruch "für eine warme Mahlzeit". Jedes Ergebnis der Koalitionsverhandlungen stehe unter Finanzierungsvorbehalt, "nur die Ministerposten sind sicher".
Vor der Bundestagswahl hatte Ingo Schulze in der Wahlbroschüre der SPD "Für eine neue Kulturpolitik" den Wunsch geäußert, die Partei möge sich "vernehmlich zum demokratischen Sozialismus" bekennen. Wenige Tage vor der Stimmabgabe empfahl er in der "Zeit" allerdings die Linkspartei zur Wahl: "Solange SPD und Grüne nicht dazu bereit sind, die Linke als politischen Verbündeten zu akzeptieren und mit ihr eine Koalition zu bilden", werde sich nichts am Gerechtigkeitsproblem in der Gesellschaft ändern.
Insofern überrascht es nicht, dass in dem nun veröffentlichten Aufruf kritisiert wird, dass die SPD "jetzt und in nächster Zukunft ein Bündnis linker und alternativer Parteien und Bewegungen" verhindere: "Wieder wird die Mehrheit links von der Mitte nicht genutzt."
Die 27 Erstunterzeichner sind:
- Silvia Bovenschen (Autorin, hoffte in der "Zeit"-Umfrage auf einen Regierungswechsel)
- Daniela Dahn (Schriftstellerin, wurde von der PDS 1998 als Verfassungsrichterin in Brandenburg vorgeschlagen )
- Christian Dunker (Autorenbuchhandlung Berlin)
- Manfred Domrös (Theologe und einstiger Mit-Initiator von "Schwerter zu Pflugscharen")
- Dieter Hanitzsch (Karikaturist für die "Süddeutsche Zeitung", 2004 für die SPD in der Bundesversammlung)
- Stefan Hanitzsch (Dieter Hanitzschs Sohn, der zusammen mit Dieter Hildebrandt den Internet-Fernsehkanal "Störsender" betreibt)
- Sibylle Havemann (Lehrerin für Alexander-Technik und Tochter Robert Havemanns)
- Annette Humpe (Musikerin, früher bei Ideal, in jüngerer Zeit bei Ich & Ich, unterstützte 2005 Gerhard Schröder vor der Wahl)
- Inga Humpe (Musikerin bei 2raumwohnung)
- Marc Iven (Autorenbuchhandlung Berlin)
- Kirsten Klöckner (Künstlerin, die 2013 einen Wahlaufruf für die SPD von Klaus Staeck und Johano Strasser unterstützte)
- Maren Kroymann (Schauspielerin, die unlängst bei einer SPD-Veranstaltung zum Weltfrauentag auftrat)
- Juliane Lorenz (Filmemacherin und Erbin Rainer Werner Fassbinders)
- Oskar Negt (Sozialphilosoph, der schon seit langem eine Öffnung der SPD zur Linken fordert)
- Susan Neiman (Philosophin, die 2010 mit Olaf Scholz auf einer SPD-Veranstaltung über Poltik und Philosophie diskutierte)
- Christian Nürnberger (Autor und Ehemann der TV-Journalistin Petra Gerster, trat bei der Bundestagswahl 2013 für die SPD im Nürnberger Land an)
- Elisabeth Ruge (Verlegerin, leitete bis vor kurzem Hanser Berlin)
- Michael Schneider (Schriftsteller)
- Friedrich Schorlemmer (Theologe, DDR-Bürgerrechtler und SPD-Mitglied)
- Daniel Schreiber (Autor)
- Ingo Schulze (siehe oben)
- Hanna Schygulla (vielfach preisgekrönte Schauspielerin, die vor allem in Fassbinder-Filmen berühmt wurde)
- Christoph Sieber (Kabarettist, der schon mehrfach auf Einladung von SPD-Ortsvereinen auftrat)
- Antje Vollmer (Autorin und als Grünen-Politikerin Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags)
- Konstantin Wecker (Liedermacher, der im August beim Deutschlandfest zum 150. Geburtstag der SPD auftrat)
- Hans-Eckardt Wenzel (schon in der DDR gefeierter Chansonnier)
- Roger Willemsen (Autor, der bereits 2010 von einer "pawlowschen Dämonisierung der Linkspartei" sprach)
Die Kulturschaffenden fordern die SPD auf, wenn ihr die Courage fehle, "die Führung zu übernehmen", dann solle sie "in die Opposition gehen und sich von Grund auf erneuern".
Quelle: feb|SPIEGEL-ONLINE