aufgeschnappt - aufgelesen - aufgepeppt - angemacht
Das Licht angeknipst in unseren magisch verfinsterten Gehirnen
Aber was ist mit der Aufklärung? Hat sie nicht das Licht angeknipst in unseren magisch verfinsterten Gehirnen?
Leider nicht. Vernunft und Logik scheinen kaum Zugriff auf jenen urwüchsigen Teil der Gedankenwelt zu haben. Es ist, als wäre er schreibgeschützt.
Der Mensch hält sich für abgeklärt, aber langsam wird klar, wie leicht er sich da irrt: In seinen Knochen steckt noch immer die Angst der Ahnen aus der Steinzeit, die ihre Umgebung absuchten nach den Spuren finsterer Mächte oder nach Fressfeinden - stets in Panik, dass diese irgendwo im Gestrüpp bereits die Zähne fletschten.
Diese magische Welt im Kopf scheint auch unberührt zu sein von komplizierter Lehre, die alle großen Kirchen zu bieten haben. Nur mit Mühe versteht das Fußvolk die Glaubenslehre, und es hat auch kaum Verwendung dafür. Der gläubige Mensch pickt sich aus dem jeweils herrschenden religiösen Angebot vor allem heraus, was ihm einleuchtend und hilfreich erscheint.
Mit anderen Worten: Die offizielle Religion und ihre Schäflein sind einander von Herzen fremd.
Es stellt sich also die Frage: Woran glaubt der Mensch dann?
Religionsforscher, Kirchenhistoriker und Psychologen haben in letzter Zeit viele Belege gefunden, die erstens beweisen, dass die Kirchen den Glauben nur selten maßgeblich beeinflussen konnten (das christliche Abendland: eine Erfindung). Zweitens belegen sie, mit verblüffenden Untersuchungen, die tiefe Anfälligkeit des Menschen für übersinnliches Denken, die lange unverstanden blieb.
Ganz an der Oberfläche dieser Neigung zeigt sich der Aberglaube, gern hervorgeholt an Silvester mit Glücksklee und Schornsteinfegerfigürchen. Allerdings: Wer glaubt schon, dass Bleigießen, dreimaliges Klopfen auf Holz oder Daumendrücken wirklich hilft? Dass schwarze Katzen wirklich Unglück bringen?
Aus: Der Glaube der Ungläubigen | Manfred Dworschak | DER SPIEGEL 52/2013