Quantcast
Channel: nunc|hic
Viewing all articles
Browse latest Browse all 2576

Israel und die Schakale | ...und Franz Kafka lässt grüßen ...

$
0
0
Israel leidet unter einer Wildhunde-Plage

Israel und die Schakale | 
...und Franz Kafka lässt grüßen ...

Schon unter den insgesamt 130 Tieren, die in der Bibel Erwähnung finden, kommt der Schakal nicht gut weg. Wer dort unter die Schakale fällt, der ist verloren. Der Wildhund ist der Feind des guten Hirten, und wo er gesichtet wird, droht meistens Gottes Strafe. 

Schakale - eigentlich ganz "niedlich" ...





Vielleicht erklärt das ja die Aufregung um eine neue Studie der israelischen Naturschutzbehörde, die von der Tageszeitung Haaretz nun auf der Titelseite aufgegriffen wurde. Dort ist von einer wahren Plage die Rede: Es herrscht Schakal-Alarm im Heiligen Land.

Als Grund für die unkontrollierte Vermehrung der Tiere werden die überall sichtbaren Mängel bei der Müllbeseitigung genannt. Wilde Kippen sind keine Seltenheit, und auch auf regulären Abfallhalden wird oft wahllos vieles aufgehäuft, was den Aas- und Fleischfressern das Leben leichter macht. Als besondere Krisenzonen gelten die Golanhöhen hoch im Norden, die Judäischen Hügel rund um Jerusalem und die Naturparks in Küstennähe zwischen Haifa und Tel Aviv. Doch bis hinunter in die südliche Negev-Wüste hat der Schakal mittlerweile sein Revier.

Landesweit also muss man sich wohl vor allem bei Dunkelheit auf Begegnungen mit Schakalen einstellen, die bei ihren Beutezügen gern auch im Rudel auftauchen. Bedrohlich ist das in erster Linie für den Wildbestand sowie für Kühe, Schafe und Ziegen. Doch auch dem Menschen droht Gefahr, weil die Wildhunde Überträger der Tollwut sind. Und überdies wird geklagt, dass die Tiere auch der Landwirtschaft schwere Schäden zufügen, wenn sie etwa mit ihren scharfen Zähnen Bewässerungsschläuche durchbeißen.

In manchen Gebieten Israels gebe es inzwischen 12 bis 24 Schakale pro Quadratkilometer, warnt die Naturschutzbehörde. In anderen Schakal-Gebieten, zum Beispiel in Südosteuropa, Asien oder Afrika, seien es in der Regel maximal vier Tiere. Die Gegenwehr war bislang fruchtlos: Die Wildhunde haben sich vermehrt, obwohl seit 2005 schon jedes Jahr mehr als tausend Tiere abgeschossen werden.

Einen Plan B gibt es mittlerweile auch. Er sieht vor, den Schakal auszuhungern. Vor allem in den problematischen Regionen müsste dafür aber als Erstes die Müllentsorgung verbessert werden. Und es dürfen keine Tierkadaver mehr in die Landschaft gekippt werden.

Quelle: Peter Münch | Süddeutsche Zeitung, Samstag, den 04. Januar 2014, Seite 9

.......................................................................................

Der große Schriftsteller Franz Kafka. Er wurde am 3. Juli 1883 in Prag geboren und starb am 3. Juni 1924 in Kierling bei Wien. | Bild: S!NEDi | Bearbeitetes OriginalFoto von: picture-alliance / imagestate/HI/Heritage-Images

Schakale und Araber | Franz Kafka


Wir lagerten in der Oase. Die Gefährten schliefen. Ein Araber, hoch und weiß, kam an mir vorüber; er hatte die Kamele versorgt und ging zum Schlafplatz.

Ich warf mich rücklings ins Gras; ich wollte schlafen; ich konnte nicht; das Klagegeheul eines Schakals in der Ferne; ich saß wieder aufrecht. Und was so weit gewesen war, war plötzlich nah. Ein Gewimmel von Schakalen um mich her; in mattem Gold erglänzende, verlöschende Augen; schlanke Leiber, wie unter einer Peitsche gesetzmäßig und flink bewegt.

Einer kam von rückwärts, drängte sich, unter meinem Arm durch, eng an mich, als brauche er meine Wärme, trat dann vor mich und sprach, fast Aug in Aug mit mir:
»Ich bin der älteste Schakal, weit und breit. Ich bin glücklich, dich noch hier begrüßen zu können. Ich hatte schon die Hoffnung fast aufgegeben, denn wir warten unendlich lange auf dich; meine Mutter hat gewartet und ihre Mutter und weiter alle ihre Mütter bis hinauf zur Mutter aller Schakale. Glaube es!«

»Das wundert mich«, sagte ich und vergaß, den Holzstoß anzuzünden, der bereitlag, um mit seinem Rauch die Schakale abzuhalten, »das wundert mich sehr zu hören. Nur zufällig komme ich aus dem hohen Norden und bin auf einer kurzen Reise begriffen. Was wollt ihr denn, Schakale?«
Und wie ermutigt durch diesen vielleicht allzu freundlichen Zuspruch zogen sie ihren Kreis enger um mich; alle atmeten kurz und fauchend.

»Wir wissen«, begann der Älteste, »daß du vom Norden kommst, darauf eben baut sich unsere Hoffnung. Dort ist der Verstand, der hier unter den Arabern nicht zu finden ist. Aus diesem kalten Hochmut, weißt du, ist kein Funken Verstand zu schlagen. Sie töten Tiere, um sie zu fressen, und Aas mißachten sie.«

»Rede nicht so laut«, sagte ich, »es schlafen Araber in der Nähe.«

»Du bist wirklich ein Fremder«, sagte der Schakal, »sonst wüßtest du, daß noch niemals in der Weltgeschichte ein Schakal einen Araber gefürchtet hat. Fürchten sollten wir sie? Ist es nicht Unglück genug, daß wir unter solches Volk verstoßen sind?«

»Mag sein, mag sein«, sagte ich, »ich maße mir kein Urteil an in Dingen, die mir so fern liegen; es scheint ein sehr alter Streit; liegt also wohl im Blut; wird also vielleicht erst mit dem Blute enden.«

»Du bist sehr klug«, sagte der alte Schakal; und alle atmeten noch schneller; mit gehetzten Lungen, trotzdem sie doch stillestanden; ein bitterer, zeitweilig nur mit zusammengeklemmten Zähnen erträglicher Geruch entströmte den offenen Mäulern, »du bist sehr klug; das, was du sagst, entspricht unserer alten Lehre. Wir nehmen ihnen also ihr Blut und der Streit ist zu Ende.«
»Oh!« sagte ich wilder, als ich wollte, »sie werden sich wehren; sie werden mit ihren Flinten euch rudelweise niederschießen.«

»Du mißverstehst uns«, sagte er,»nach Menschenart, die sich also auch im hohen Norden nicht verliert. Wir werden sie doch nicht töten. So viel Wasser hätte der Nil nicht, um uns rein zu waschen. Wir laufen doch schon vor dem bloßen Anblick ihres lebenden Leibes weg, in reinere Luft, in die Wüste, die deshalb unsere Heimat ist.«

Und alle Schakale ringsum, zu denen inzwischen noch viele von fern her gekommen waren, senkten die Köpfe zwischen die Vorderbeine und putzten sie mit den Pfoten; es war, als wollten sie einen Widerwillen verbergen, der so schrecklich war, daß ich am liebsten mit einem hohen Sprung aus ihrem Kreis entflohen wäre.

»Was beabsichtigt ihr also zu tun?« fragte ich und wollte aufstehn; aber ich konnte nicht; zwei junge Tiere hatten sich mir hinten in Rock und Hemd festgebissen; ich mußte sitzenbleiben. »Sie halten deine Schleppe«, sagte der alte Schakal erklärend und ernsthaft, »eine Ehrbezeigung.« »Sie sollen mich loslassen!« rief ich, bald zum Alten, bald zu den Jungen gewendet. »Sie werden es natürlich«, sagte der Alte, »wenn du es verlangst. Es dauert aber ein Weilchen, denn sie haben nach der Sitte tief sich eingebissen und müssen erst langsam die Gebisse voneinander lösen. Inzwischen höre unsere Bitte.« »Euer Verhalten hat mich dafür nicht sehr empfänglich gemacht«, sagte ich. »Laß uns unser Ungeschick nicht entgelten«, sagte er und nahm jetzt zum erstenmal den Klageton seiner natürlichen Stimme zu Hilfe, »wir sind arme Tiere, wir haben nur das Gebiß; für alles, was wir tun wollen, das Gute und das Schlechte, bleibt uns einzig das Gebiß.« »Was willst du also?« fragte ich, nur wenig besänftigt.

»Herr« rief er, und alle Schakale heulten auf; in fernster Ferne schien es mir eine Melodie zu sein. »Herr, du sollst den Streit beenden, der die Welt entzweit. So wie du bist, haben unsere Alten den beschrieben, der es tun wird. Frieden müssen wir haben von den Arabern; atembare Luft; gereinigt von ihnen den Ausblick rund am Horizont; kein Klagegeschrei eines Hammels, den der Araber absticht; ruhig soll alles Getier krepieren; ungestört soll es von uns leergetrunken und bis auf die Knochen gereinigt werden. Reinheit, nichts als Reinheit wollen wir«, – und nun weinten, schluchzten alle – »wie erträgst nur du es in dieser Welt, du edles Herz und süßes Eingeweide? Schmutz ist ihr Weiß; Schmutz ist ihr Schwarz; ein Grauen ist ihr Bart; speien muß man beim Anblick ihrer Augenwinkel; und heben sie den Arm, tut sich in der Achselhöhle die Hölle auf. Darum, o Herr, darum, o teuerer Herr, mit Hilfe deiner alles vermögenden Hände, mit Hilfe deiner alles vermögenden Hände schneide ihnen mit dieser Schere die Hälse durch!« Und einem Ruck seines Kopfes folgend kam ein Schakal herbei, der an einem Eckzahn eine kleine, mit altem Rost bedeckte Nähschere trug.

»Also endlich die Schere und damit Schluß!« rief der Araberführer unserer Karawane, der sich gegen den Wind an uns herangeschlichen hatte und nun seine riesige Peitsche schwang.

Alles verlief sich eiligst, aber in einiger Entfernung blieben sie doch, eng zusammengekauert, die vielen Tiere so eng und starr, daß es aussah wie eine schmale Hürde, von Irrlichtern umflogen.
»So hast du, Herr, auch dieses Schauspiel gesehen und gehört«, sagte der Araber und lachte so fröhlich, als es die Zurückhaltung seines Stammes erlaubte. »Du weißt also, was die Tiere wollen?« fragte ich. »Natürlich, Herr«, sagte er, »das ist doch allbekannt; solange es Araber gibt, wandert diese Schere durch die Wüste und wird mit uns wandern bis ans Ende der Tage. jedem Europäer wird sie angeboten zu dem großen Werk; jeder Europäer ist gerade derjenige, welcher ihnen berufen scheint. Eine unsinnige Hoffnung haben diese Tiere; Narren, wahre Narren sind sie. Wir lieben sie deshalb; es sind unsere Hunde; schöner als die eurigen. Sieh nur, ein Kamel ist in der Nacht verendet, ich habe es herschaffen lassen.«

Vier Träger kamen und warfen den schweren Kadaver vor uns hin. Kaum lag er da, erhoben die Schakale ihre Stimmen. Wie von Stricken unwiderstehlich jeder einzelne gezogen, kamen sie, stockend, mit dem Leib den Boden streifend, heran. Sie hatten die Araber vergessen, den Haß vergessen, die alles auslöschende Gegenwart des stark ausdunstenden Leichnams bezauberte sie. Schon hing einer am Hals und fand mit dem ersten Biß die Schlagader. Wie eine kleine rasende Pumpe, die ebenso unbedingt wie aussichtslos einen übermächtigen Brand löschen will, zerrte und zuckte jede Muskel seines Körpers an ihrem Platz. Und schon lagen in gleicher Arbeit alle auf dem Leichnam hoch zu Berg.

Da strich der Führer kräftig mit der scharfen Peitsche kreuz und quer über sie. Sie hoben die Köpfe; halb in Rausch und Ohnmacht; sahen die Araber vor sich stehen; bekamen jetzt die Peitsche mit den Schnauzen zu fühlen; zogen sich im Sprung zurück und liefen eine Strecke rückwärts. Aber das Blut des Kamels lag schon in Lachen da, rauchte empor, der Körper war an mehreren Stellen weit aufgerissen. Sie konnten nicht widerstehen; wieder waren sie da; wieder hob der Führer die Peitsche; ich faßte seinen Arm. »Du hast recht, Herr«, sagte er, »wir lassen sie bei ihrem Beruf, auch ist es Zeit aufzubrechen. Gesehen hast du sie. Wunderbare Tiere, nicht wahr? Und wie sie uns hassen!«

Quelle: Projekt Gutenberg.de

................................................................................................

Schakale und Araber
ist eine Erzählung von Franz Kafka, die erstmals in der Monatsschrift Der Jude (Herausgeber Martin Buber) 1917 veröffentlicht und dann in den Band Ein Landarzt aufgenommen wurde. Es handelt sich um eine Tiergeschichte, in der es um Reinheitssuche, Gier und Parasitentum geht.
Nach dem Israel-Juni-Krieg von 1967 lassen sich in der Reaktion arabischer Autoren auf den Dichter Franz Kafka alle Varianten von wütender Ablehnung bis zu enthusiastischer Zustimmung finden. Ihn als "Zionisten" zu bezeichnen, genügte vielen, um ihn zu verdammen. In diesem Zusammenhang spielte Kafkas Erzählung "Schakale und Araber" eine zentrale Rolle.
Man kann die Erzählung als eine Parabel auf die Besiedlung Palästinas durch die Juden lesen. Viele arabische Kafka-Interpreten gingen so weit, "Schakale und Araber" als eine unmittelbare Reaktion auf die sogenannte "Balfour-Deklaration" zu deuten.
In einem Brief hatte am 2. November 1917 der britische Außenminister Arthur James Balfour die Absicht seiner Regierung bekräftigt, den Juden zu helfen, in Palästina eine "nationale Heimstätte" zu finden. Atef Botros aber weist darauf hin, dass Kafkas Erzählung bereits im Januar/Februar 1917 geschrieben wurde - lange vor der Balfour-Deklaration.
Arabische Übersetzer veränderten Kafkas Text, so dass sein "zionistischer" Charakter unübersehbar wurde. "Schakale und Araber" wurde die Erzählung, über deren Deutung sich die arabische Kafka-Rezeption entzweite. Jetzt wurde im arabischen Raum die Frage gestellt, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs französische Kommunisten formuliert hatten: "Soll man Kafka verbrennen?"
Es waren arabische Autoren, die Kafka auf den Index setzten. Es waren arabische Autoren, die in Bewunderung an Kafka festhielten. 
Quelle



Viewing all articles
Browse latest Browse all 2576


<script src="https://jsc.adskeeper.com/r/s/rssing.com.1596347.js" async> </script>