Die zur Zeit einzige deutsche "Außerparlamentarische Opposition" - also die APO dieser Tage - ist ja - wie könnte es anders sein - die BILD-Zeitung - und das nach eigenem Bekunden ihres Chefs Kai Diekmann ...
Am 05.02.2014 veröffentlichte BILD.de nun - folgerichtig wahrscheinlich als eben diese neue APO - folgenden Neid- und Schmähbericht zur wirtschaftlichen Lage Griechenlands - ganz im Stil des legendären "Stürmers", einem antisemitischen Hetzblatt in der NS-Ära:
Wir Deutschen zahlen, zahlen und zahlen – dabei haben griechische Haushalte mehr Geld zur Verfügung als deutsche! | Foto: dpa Picture-Alliance, Public Address | Screenshot von BILD.DE |
Berlin – Das pleitebedrohte Griechenland braucht schon wieder neue Milliarden – und wir sollen zahlen! Im Gespräch ist ein drittes Hilfspaket von bis zu 20 Milliarden Euro. Bis zu 6 Milliarden Euro davon müsste Deutschland schultern. Kaum zu glauben, denn: DIE GRIECHEN SIND DOPPELT SO REICH WIE DIE DEUTSCHEN!Im Mittel verfügt ein griechischer Haushalt über 101 900 Euro Vermögen, hat die Eurobank EZB bereits 2013 ermittelt. Ein deutscher Haushalt kommt dagegen gerade mal auf 52 000 Euro.
WIE KANN DAS SEIN?
Die Pleite-Griechen brauchen wieder Geld – und jetzt sollen tatsächlich wieder Milliarden fließen | Foto: Imago | BILD.DE |
► Sie zahlen weniger Steuern!
Ein griechischer Durchschnitts-verdiener zahlte bis vor drei Jahren 18,8 % Steuern, Sozialabgaben. Ein Arbeitnehmer in Deutschland satte 39,2 %! Auf Sparzinsen wurden 10 % Steuern fällig, bei uns 26,4 %, ermittelte das Bundesfinanzministerium.
Zwar hat die Regierung in Athen seit Ausbruch der Krise Steuern deutlich erhöht (z. B. Lohnsteuer). Doch der Währungsfonds IWF kritisiert: „Bei der Bekämpfung der Steuerflucht gibt es bislang kaum Fortschritte.“
► Sie besitzen mehr Immobilien!
Fast drei Viertel (72 %) der Griechen besitzen eine Wohnung/Haus, in Deutschland liegt die Eigenheimquote gerade mal bei 44 %.
► Sie kassieren mehr Rente!
Griechische Rentner erhalten 110 % ihres jährlichen Durchschnittslohns – also mehr, als sie als Arbeitnehmer durchschnittlich verdient haben. In Deutschland kassieren Rentner nur 58 % ihres Durchschnittslohns.
Und: Bislang konnten Griechen nach 35 bzw. 37 Jahren ohne Abzüge in Rente gehen, bei uns erst nach 45 Jahren (OECD-Studie aus 2013).
► Sie tricksen die Finanzämter aus!
Viele Griechen konnten bislang beim Einkaufen, im Restaurant die Mehrwertsteuer (23 %) prellen. Selbstständige wie Anwälte, Ärzte etc. hinterziehen bis zu 29 Milliarden Euro Steuern/Jahr – über ein Zehntel der Wirtschaftsleistung.
Die Athener Regierung geht nun hart gegen Steuerbetrug vor. Dennoch enden viele Kontrollen (z.B. in Restaurants) um 22 Uhr.
FDP-Chef Christian Lindner (35) warnt deshalb vor voreiligen Hilfszusagen an die Griechen. Stattdessen „sollte die von der Bundesbank vorgeschlagenen Vermögensabgabe rasch geprüft werden“, sagte er zu BILD. BILD.DE__________________________
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Am 22.02.2014 veröffentlicht nun SPIEGEL-ONLINE den folgenden Bericht aus dem krisengeschüttelten Griechenland über die tatsächlichen Folgen der Troika-Sparpolitik, die vom Gläubiger-€uropa dem griechischen Haushalt aufgezwungen wurde - und der ein drastisch anderes Bild malt als unsere "STÜRMER-"... - ähh - pardon - "BILD-APO"... Man fühlt deutlich, welcher Bericht hier authentisch ist - und weshalb die Griechen die deutsche Bundeskanzlerin - äußerst unschön - manchmal in Nazi-Uniform darstellen ...
Folgen der Sparpolitik
Säuglingssterblichkeit in Griechenland steigt um 43 Prozent
Von Florian Diekmann und Nicolai Kwasniewski | SPIEGEL-ONLINE
Mehr Totgeburten, HIV-Neuinfektionen, Tuberkulose- und Depressionsfälle sowie Suizide: Der drastische Sparkurs in Griechenland hat einer Studie zufolge verheerende Auswirkungen. Eine Hilfsorganisation spricht von einer vollständigen Verletzung der Menschenwürde.
Hamburg/London - Schon die Überschrift kommt einer Ohrfeige für die politisch Verantwortlichen gleich. "Griechenlands Gesundheitskrise: Von der Sparpolitik zur Realitätsverweigerung" haben die Forscher der britischen Universitäten Cambridge, Oxford und London ihre Studie betitelt, die im Medizinjournal "The Lancet" veröffentlicht wurde.
In der Tat ergibt die Auswertung offizieller Umfragen und Statistiken sowohl der griechischen Regierung als auch der EU-Kommission ein erschreckendes Bild: Demnach hat die drastische Sparpolitik während der seit sechs Jahren andauernden Krise in Griechenland verheerende Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung. Folgen, die von der Regierung in Athen und internationalen Krisenmanagern wider besseren Wissens bestritten werden, wie die Forscher feststellen (hier die Studie im PDF-Format).
Die griechische Regierung musste ihre Ausgaben "schnell und drastisch" kürzen, heißt es in der Studie. Bei der Gesundheit lag die Vorgabe der internationalen Kreditgeber bei sechs Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes. Zum Vergleich: In Deutschland machen die Gesundheitsausgaben etwa elf Prozent der Wirtschaftsleistung aus - sie müssten um mehr als die Hälfte zusammengestrichen werden, wenn genau so drastisch gespart würde. Konkret würden die Ausgaben in der Bundesrepublik dann um mehr als 160 Milliarden Euro im Jahr gekürzt.
In Griechenland traf dieser rigide Sparkurs vor allem Vorsorgeprogramme hart: So wurde die Ausgabe von Spritzen und Kondomen an Drogenabhängige gekürzt. Die Folge: Die Zahl der HIV-Neuinfektionen unter denen, die Drogen spritzen, stieg von 15 im Jahr 2009 auf 484 drei Jahre später. Den Krankenhäusern wurde das Budget um ein Viertel reduziert, die Ausgaben für Medikamente wurden auf die Hälfte zusammengestrichen.
Diabetiker vor der Wahl: Insulin oder Nahrung
Ärzte und Kliniken reagierten mit Gebühren, die viele Griechen angesichts dramatisch sinkender Einkommen und Rekordarbeitslosigkeit nicht zahlen können. Weil Arbeitslose zudem nach zwei Jahren ohne Job ihre Krankenversicherung verlieren, stehen der Studie zufolge mittlerweile geschätzt 800.000 Griechen komplett ohne Schutz da. Auch die psychischen Auswirkungen der andauernden Krise kann das Gesundheitssystem immer schwerer auffangen, weil auch hier kräftig gekürzt wurde. Dabei besteht hier offensichtlich großer Bedarf. Denn die Zahl der Suizide in Griechenland ist zwischen 2007 und 2011 um 45 Prozent gestiegen, schwere Depressionen haben sich sogar verdoppelt.
Die Autoren der Studie heben besonders die Auswirkungen auf Kinder hervor: Die Zahl der Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht ist allein zwischen 2008 und 2010 um 19 Prozent gestiegen, die Zahl der Totgeburten um mehr als 20 Prozent. Als möglichen Grund führen die Wissenschaftler den - wegen hoher Kosten und geringem Einkommen - schwierigen Zugang zu Ärzten an, die zu Komplikationen in der Schwangerschaft führten. Auch die Säuglingssterblichkeit ist den Zahlen zufolge um 43 Prozent gestiegen.
Auch die humanitäre Organisation Ärzte der Welt wird in der Studie erwähnt. Die Hilfsorganisation ist seit langem vor Ort, hauptsächlich um sich um Flüchtlinge in Griechenland zu kümmern. Im Zuge der Finanzkrise sei die Zahl der Programme verdoppelt worden, sagt Vizedirektorin Nathalie Simonnot, weil auch immer mehr Griechen keine andere Möglichkeiten der Versorgung hätten.
"Hier sind Menschen in einem Zustand, wie ich es in meinem Leben noch nicht gesehen habe", sagt Simonnot. Immer mehr Schwangere könnten es sich nicht mehr leisten, ins Krankenhaus zu gehen, und viele Diabetiker müssten sich entscheiden, ob sie sich Insulin kaufen - oder etwas zu essen. Die Organisation spricht von einer vollständigen Verletzung der Menschenrechte in Griechenland.
Island weigerte sich, bei der Gesundheit zu sparen
Angesichts dieser Zustände werfen die Forscher den verschiedenen griechischen Regierungen seit Ausbruch der Krise regelrechte Realitätsverweigerung vor. Das Abstreiten ernsthafter Probleme und die Behauptung, Bedürftige würden kostenfrei und ausreichend versorgt, sei eine Leugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse - die im Übrigen auch bei der spanischen Regierung zu beobachten sei.
Als Gegenbeispiel für eine verantwortliche Gesundheitspolitik während einer tiefen Wirtschaftskrise wird Island genannt. Das Land habe den Rat des Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht befolgt, die Gesundheits- und Sozialausgaben radikal zu kappen. Das Ergebnis: Trotz der massiven Krise habe es keine erkennbaren Auswirkungen auf die Gesundheit der Isländer gegeben.