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Fahrn-fahrn-fahrn auf der Autobahn ... - bis es Zeit wird für ein Seelen-Futter ... | impulse für die woche - 131

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nach einem dpa-foto
"Butterbrot für die Seele"
Foto: Kirchenkreis vlotho.de

Autobahnkirche in Exter ist Zufluchtsort für Reisende

SEELEN-FUTTER ---
"FAHR'N-FAHR'N-FAHR'N 
AUF DER AUTOBAHN"

Aus: Mirjam Benecke | jesus.de und Doris Christoph | dpa

Es wird Nacht auf der A2, irgendwo zwischen Bielefeld und Hannover. Eine Schlange aus roten Rücklichtern bahnt sich den Weg durch das hügelige Ostwestfalen. Wer jetzt noch unterwegs ist, möchte ankommen – und zwar schnell.


Foto: der hairstylist
Vielleicht bleiben noch fünf Minuten für einen Kaffee und einmal Auftanken. Kurz vor der Abfahrt Exter reflektiert ein kleines Schild das andauernde Scheinwerferlicht: "Evangelische Autobahnkirche Exter". Wer dem Pfeil folgt, verlässt den Strom der Autobahn und steht in einer Minute mitten auf einem verlassenen Dorfplatz. Aus der Ferne dringt noch der unablässige Lärm der Autobahn, doch er ist zum Hintergrundrauschen geworden. Im Vordergrund singt eine Nachtigall, versteckt in einer Baumkrone. Es riecht nach Frieden und Kuhmist. Entschleunigung von 100 auf null.  Auf einem Hügel steht die kleine, weißgekalkte Dorfkirche. Vier Neonstrahler beleuchten jeden Winkel ihrer steifen Schlichtheit. Sie wirkt wie eine schüchterne Braut, die unfreiwillig ins Rampenlicht gezerrt wurde. Im Kontrast zu dem kalten Weiß der Außenbeleuchtung, dringt durch die gelben und roten Glasfenster ein warmes, einladendes Licht. Die Tür ist von 8 bis 20 Uhr geöffnet, für Fremde, Reisende, Dorfbewohner. 

Dieses freundliche Licht empfängt den Gläubigen, eine Kerze zur Linken flackert leicht. Auf einem Ständer liegt ein Buch, in das Menschen ihre Anliegen hineinschreiben. Leise fällt die Tür der Autobahnkirche von Vlotho-Exter ins Schloss. Himmlische Ruhe.

Nur hundert Meter weiter tobt die Verkehrshölle: Mehr als 70 000 Autos und Laster donnern täglich über den Asphalt der A2, ihre Fahrer achten allenfalls auf das nahe Autobahnkreuz Bad Oeynhausen, das blaue Hinweisschild mit der kleinen schwarzen Kirche nimmt kaum einer wahr. In dem Kircheninneren ist nichts vom Lärm zu hören, nichts vom Stress zu spüren, keine Blechlawine zu sehen.

Das Kirchengebäude von Vlotho-Exter wird in diesem Jahr 55 Jahre alt und ist damit die erste «evangelische Autobahnkirche der Welt» gewesen, wie der zuständige Pfarrer stolz betont. Die Kirche hat auch eine Gemeinde, und die ist mit 300 Jahren Tradition deutlich älter als die Autobahn. Ende der 50er Jahre schaute die Evangelische Kirche Deutschlands bewundernd auf die erste katholische Autobahnkirche im bayerischen Adelsried an der A 8 und wollte ein Gegenstück im Norden schaffen. Mittlerweile gibt es bundesweit 33 solcher Entspannungszonen für Reisende, viele sind ökumenisch. «Die Kirche ist im Abwind, aber die Autobahnkirche wächst», erklärt der Pfarrer. Auch in diesem Jahr entsteht wieder eine neue Autobahnkapelle, in einer alten Tankstelle an der A2 bei Hamm.

Insgesamt kehren rund eine Million Besucher pro Jahr in deutschen Autobahnkirchen und ­kapellen ein. Es gibt auch ein klares Nutzerprofil: Solche Gläubigen sind im Durchschnitt männlich, verheiratet, um die 50 Jahre alt und katholisch. In der Regel finden sie hier für 10 bis 15 Minuten Entspannung, wie eine Studie der Katholischen Fachhochschule in Freiburg vor kurzem erforscht hat.

So ein «Durchschnittsbesucher» ist auch Markus Hyndes aus Hamburg. Die Stauwarnung seines Navigationsgerätes führte ihn von der A1 auf die A2 Dortmund-Berlin. Dort entdeckte er das Hinweisschild zur Autobahnkirche Exter. Obwohl kein Mitglied in der Kirche, ist der Privatunternehmer ein gläubiger Mensch. Eine «normale» Gemeindekirche besuche er nie, dafür aber seit 15 Jahren Autobahnkirchen. «Auf der Suche nach ein bisschen Ruhe», wie der 49-Jährige sagt, der mindestens zwei Tage pro Woche quer durch Deutschland fährt.

«Ich finde es gut, hier keinen leidenden Jesus am Kreuz zu sehen, man kann das Leben dieses Mannes nicht auf seinen Tod reduzieren», lobt Hyndes die einladende Atmosphäre der Kirche und deutet zu ihrem hellsten Punkt ­ dem Altar. Im Fensterbild darüber blickt Jesus aus blauen Augen auf den Besucher herab, die Finger zum Friedenszeichen gehalten. Es ist der Jesus nach seiner Auferstehung vom Kreuz. Vom Nahen sehen ihn allerdings die wenigsten Besucher - sie halten sich laut der Nutzerstudie eher im hinteren Bereich der Kirche auf.

Täglich kommen 50 bis 100 Besucher zu der Kirche, die im Ort liegt und über einen Kreisel erreichbar ist. Für Laster ist hier im Gegensatz zu direkt an Schnellstraßen liegenden Kirchen kein Platz. Besonders viele Autobahnfahrer lockt es in den Sommerferien her, an Feiertagen wie Ostern sind es weniger, wie Pfarrer Steiner bemerkt hat. An Gottesdiensten nehmen kaum Auswärtige teil, deshalb wurde die anfangs eingeführte wöchentliche Andacht wieder fallen gelassen. Die Wenigsten kommen mit dem Pfarrer ins Gespräch, dafür schreiben umso mehr ins Anliegenbuch.


Das Anliegenbuch gehört neben Kreuz, Kerzenständer und Bibel in jede Autobahnkirche. Doch es gibt noch mehr Vorschriften: Die Kirche darf nicht mehr als 1000 Meter von der Autobahn entfernt sein. Zwischen Kirchen an der gleichen Autobahn dürfen nicht weniger als 80 Kilometer liegen. Zudem müssen Parkplätze und sanitäre Anlagen bereit stehen. Die Kirche muss von mindestens 8.00 bis 20.00 Uhr geöffnet sein und der Innenraum muss Platz für eine Reisegruppe bieten. Was die Gläubigen bewegt, ist sehr unterschiedlich: In ihren Einträgen schildern einige Besucher Ehe- und Gesundheitsprobleme. Andere bedanken sich dafür, gerade einem Autounfall entgangen zu sein.


Foto: dpa
Die äußere Einfachheit zieht sich auch durch die Inneneinrichtung des Gotteshauses. Auf dem Altar stehen ein einfaches Holzkreuz und zwei Kerzen. Dahinter die nackte Wand. Doch wer die Kirche betritt, sieht nicht zuerst den Altar, sondern den Schriftzug über dem Altarbogen. "Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken", der Spruch aus Matthäus 11 wirkt wie eine Zapfsäule für Suchende. Er lädt die Reisenden ein, sich auf die Holzbänke fallen zu lassen und einen Moment Stille, Gott und Kraft zu tanken.

400 Kerzen werden in der Autobahnkirche Exter jeden Monat angezündet. 400 Kerzen - das sind 400 Geschichten, die teilweise in dem dicken Anliegenbuch im Eingangsbereich niedergeschrieben werden. Manche beten, manche danken. Einer hat vor kurzem seine Frau verloren und hadert mit seinem Schicksal. Ein anderer ist aufgewühlt, weil er grade eine brenzlige Situation auf der Autobahn erlebt hat. Eine Frau ist Pendler und kommt fast jeden Tag hierher, weil sie nach einem Besuch konzentrierter fahren kann. Die Auslöser, die Menschen bewegt haben, diese Kirche zu betreten sind sehr unterschiedlich. Doch beim Durchblättern sticht ein Wort immer wieder heraus: Zufluchtsort.

Ja, der Mensch braucht eine Zufluchtsort, egal, ob er vor dem Stress, Zeitnot oder der Familie flieht. Autobahnkirchen bieten ein diskretes Refugium, ohne neugierige Blicke, feste Gottesdienstzeiten, oder den Zwang die richtige Liturgie einzuhalten. Man muss nicht mal an Gott glauben, um sich hier geborgen zu fühlen.

Die Kirche in Exter ist eine von 40 Autobahnkirchen deutschlandweit. Und es lohnt sich mal die Ausfahrt zu nehmen und der Seele ein Butterbrot zu gönnen. 



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Übersicht mit deutschen Autobahnkirchen: www.autobahnkirche.info
Kirchengemeinde Exter: www.kirche-exter.de




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