Diakonie fordert gesellschaftliche Debatte über Trisomie-Bluttests
Kleiner Test, gravierende Folgen
Über den Trisomie-Bluttest der Firma Lifecodexx wird seit seiner Markteinführung heftig diskutiert. Claudia Heinkel ist bei der Diakonie Expertin für vorgeburtliche Untersuchungen. Sie warnt vor einer Schwangerschaft auf Probe.
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domradio.de: Wie läuft so ein Bluttest ab?
Claudia Heinkel (Leiterin der Fachstelle für Information, Aufklärung und Beratung zu Pränataldiagnostik und Reproduktionsmedizin im Diakonischen Werk Württemberg): Das ist ganz einfach. Im Blut der schwangeren Frau schwimmen DNA-Fragmente des Kindes. Diese Fragmente werden im Labor vervielfältigt und mithilfe moderner Sequenzierungsgeräte wird errechnet, ob z. B. eine Trisomie 21 vorliegt. Dafür genügen 20 ml mütterliches Blut.domradio.de: Sie haben in der letzten Zeit eine Dynamik bei den Bluttests festgestellt, was meinen Sie damit?
Heinkel: Der Test der Firma LifeCodexx kam in Deutschland im August 2012 auf den Markt. Er wurde damals schwangeren Frauen nach der 12. Schwangerschaftswoche angeboten, die eine medizinische Indikation für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Trisomie 21 hatten, nach vorheriger genetischer Beratung und zu einem sehr hohen Preis. Allen Kritikern dieses Testes war klar, dass das eine Einführungsstrategie ist und es nicht dabei bleibt. Aber ich glaube, niemand hat damit gerechnet, dass es in weniger als 12 Monaten dann tatsächlich ganz anders aussieht: Inzwischen werden diese Bluttests bereits ab der 9. Schwangerschaftswoche angeboten, das Testspektrum ist ausgeweitet, neben Trisomie 21, 13 und 18 werden auch das Turner-Syndrom und das Klinefelter-Syndrom getestet, als Indikation genügt häufig das Alter oder Angst vor Behinderung und die Preise sind im Konkurrenzkampf dreier Firmen von 1250 auf etwa 500 Euro gefallen. Das ist eine ziemliche Dynamik in ganz kurzer Zeit, und dabei wird es natürlich jetzt auch nicht stehen bleiben.domradio.de: Der Test ist also schnell gemacht, das Ergebnis für die Eltern dafür eventuell umso gravierender. Was für Möglichkeiten haben Eltern, wenn sie das Ergebnis bekommen, dass ihr Kind möglicherweise einen Gendefekt hat?
Heinkel: Es ist ein großes Problem dieses Testes, dass er keinerlei therapeutische Konsequenzen hat. Er kann nur feststellen, das Kind hat mit hoher Wahrscheinlichkeit z. B. eine Trisomie 21 (siehe auch: Down-Syndrom). Da gibt es keine Behandlungsmöglichkeiten, das ist ja keine Krankheit, sondern es ist eine Chromosomenveränderung. Das heißt, die einzige Handlungsalternative zur Geburt des Kindes ist der Schwangerschaftsabbruch. Dies macht die Brisanz dieses Testes aus.
Mit Trisomie 21 glücklich sein (hier clicken) Foto: epd/Conny Wenk | evangelisch.de |
domradio.de: Steht ein solcher Test nicht eigentlich im Widerspruch zum Gedanken der Inklusion, also gehandicapte Menschen zu integrieren?
Heinkel: Für uns als Diakonie und für mich als Mitarbeiterin der Diakonie ist es ein erheblicher Widerspruch. Ich sehe in diesem Test eine Parallelentwicklung, die dem ziemlich entgegen steht, dass alle Menschen ein Recht auf ein Leben in Würde und auf gesellschaftliche Teilhabe haben. Parallel zur Diskussion um Inklusion wird ein Test auf den Markt gebracht, der nichts anderes will, als in der frühen Schwangerschaft Kinder mit einer bestimmten genetischen Ausstattung zu entdecken. Das ist für mich eine ganz große Diskrepanz. Es ist für mich eine gesellschaftliche Frage, nicht nur die des einzelnen Paares. Ich finde, wir sind als Gesellschaft dringend aufgefordert, eine gesellschaftliche Debatte dazu zu führen, wie wir uns zu Tests mit einem solchen ethischen Konfliktpotential verhalten. Ich befürchte, dass der soziale Erwartungsdruck auf werdende Eltern steigen wird, einen solch harmlosen und risikolosen Test auch zu nutzen, dass sie sich rechtfertigen müssen, wenn sie das nicht tun und noch mehr als jetzt schon verantwortlich gemacht werden für die Gesundheit ihres Kindes. Solche Tests können dazu führen, dass die Schwangerschaft auf Probe künftig zu einem sozialen Standard werden wird.
Das Interview führte Tobias Fricke.
(domradio - dr)