WIE EIN SONNENAUFGANG ÜBER OERLINGHAUSEN ZU EINER "SOZIALFOTOGRAFIE" WIRD:
Niklas Luhmann(* 8. Dezember 1927 in Lüneburg; † 6. November 1998 in Oerlinghausen) war ein deutscher Soziologe und Gesellschaftstheoretiker. Als wichtigster Vertreter der soziologischen Systemtheorie zählt Luhmann zu den herausragenden Klassikern der Sozialwissenschaften im 20. Jahrhundert.
Leben
Luhmann wurde 1927 in die Familie eines Brauereibesitzers in Lüneburg geboren und besuchte das altsprachliche Johanneum. 1944 wurde er im Alter von 16 Jahren offiziell als Luftwaffenhelfer eingezogen, nachdem er schon seit dem 15. Lebensjahr dort tätig gewesen war. Von 1944 bis September 1945 war Luhmann in amerikanischer Kriegsgefangenschaft, zu der er in einem Interview einmal sagte:
„[…] die Behandlung war – gelinde gesagt – nicht nach den Regeln der internationalen Konventionen.“
Wie erst 2007 bekannt wurde, war Niklas Luhmann als Mitglied der NSDAP verzeichnet.
[Zur Orientierung: Bei Hitlers Machtergreifung 1933 war Luhmann 6 Jahre alt - bei der Befreiung Deutschlands vom Faschismus 1945 war Luhmann 17 Jahre alt ...]
Luhmann studierte von 1946 bis 1949 Rechtswissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, mit einem Schwerpunkt auf römischem Recht. Es folgte bis 1953 eine Referendarausbildung in Lüneburg. 1954 bis 1962 war er Verwaltungsbeamter in Lüneburg, 1954 bis 1955 am Oberverwaltungsgericht Lüneburg Assistent des Präsidenten. In dieser Zeit begann er auch mit dem Aufbau seiner Zettelkästen. 1960/61 erhielt Luhmann ein Fortbildungs-Stipendium für die Harvard-Universität, das er nach seiner Beurlaubung wahrnehmen konnte. Dort kam er in Kontakt mit Talcott Parsons und dessen strukturfunktionaler Systemtheorie. Nach seiner Tätigkeit als Referent an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer von 1962 bis 1965 und als Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstelle an der Universität Münster in Dortmund von 1965 bis 1968 (1965/66 daneben ein Semester Studium der Soziologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster (Westfalen)) wurde er dort 1966 zum Dr. sc. pol. (Doktor der Sozialwissenschaften) promoviert mit dem bereits 1964 erschienenen Buch Funktionen und Folgen formaler Organisation. Fünf Monate später habilitierte er sich bei Dieter Claessens und Helmut Schelsky mit Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung. Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchung. Mit seiner Berufung 1968 wurde Luhmann der erste Professor der Universität Bielefeld. Dort trug er zum Aufbau der ersten soziologischen Fakultät im deutschsprachigen Raum bei, lehrte und forschte bis zu seiner Emeritierung 1993.
Luhmann heiratete 1960 Ursula von Walter. Aus der Ehe gingen eine Tochter und zwei Söhne hervor. Seine Ehefrau verstarb 1977; danach zog er seine Kinder allein groß. Nach dem Tod seiner Frau zog Luhmann von Bielefeld nach Oerlinghausen um.
Nachlass
Luhmanns Kinder stritten jahrelang vor Gericht um die Eigentums- und Urheberrechte an seinem wissenschaftlichen Werk einschließlich des berühmten Zettelkastens, worauf das OLG Hamm im Jahr 2004 entschied, dass alleinig seiner Tochter die Rechte daran zustehen. Luhmann hatte ihr noch zu Lebzeiten 1995 in einem Vorausvermächtnis alle Urheberrechte zugewendet, da es sein Wunsch war, dass sein geistiges Erbe in einer Hand bleibt. Der Wert seines wissenschaftlichen Nachlasses wird auf einen siebenstelligen Euro-Betrag geschätzt.
Die Universität Bielefeld hat 2011 den Nachlass von Luhmann erworben und will ein Luhmann-Archiv errichten. Wichtigster Teil des Nachlasses ist der berühmte Zettelkasten, die Grundlage des umfangreichen Werkes.
Ehrungen
Charakterisierung des Werks
Luhmanns Systemtheorie versteht Gesellschaft nicht als eine Ansammlung von Menschen mit Blutkreisläufen und sonstigen, nicht-sozialen Systemen, sondern als einen operativ geschlossenen Prozess sozialer Kommunikation.
Systemtheorie Luhmanns: Beispielhafte Systeme mit ihren Codes, strukturelle Kopplung
Die Systemtheorie thematisiert selbstreferenzielle soziale Operationen (Kommunikation). Selbstreferenziell soll heißen, dass sich Systeme nur auf ihre internen Operationen beziehen und trotzdem kognitiv offen sind. Die Leitdifferenzen von gesellschaftlichen Funktionssystemen bezeichnet Luhmann als Codes (im Beispiel „Recht/Unrecht“ für das Rechtssystem). Die meisten Funktionssysteme orientieren sich an symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien, die Wirtschaft etwa an Geld.
Luhmanns Systemtheorie basiert auf der Gleichsetzung von Gesellschaft mit Kommunikation. Er behandelt Evolution von Kommunikation – von Oralität (mündlicher Kommunikation) über Schrift bis hin zu elektronischen Medien – und parallel auf der Evolution von Gesellschaft durch funktionale Ausdifferenzierung (siehe auch soziale Differenzierung). Daraus ergeben sich drei Stränge:
die sich durch sein gesamtes Werk ziehen.
Seit den 1980er Jahren bezieht sich Luhmann grundlegend auf die Differenzlogik der Laws of Form des britischen Mathematikers George Spencer-Brown.
Wirkung und Kritik in der Soziologie und darüber hinaus
Die Luhmannsche Systemtheorie (in Abgrenzung zur allgemeinen Systemtheorie von Ludwig von Bertalanffy u. a. sowie zur Theorie sozialer Systeme von Talcott Parsons) gilt derzeit als eine der erfolgreichsten und populärsten Theorien im deutschen Sprachraum, nicht nur in der Soziologie, sondern auch in diversen Feldern wie der Psychologie, der Theorie des Managements oder der Literaturtheorie. Auch international beeinflusst sie den sozialphilosophischen Diskurs, wobei sich nennenswerte Luhmann-Strömungen in Deutschland, den USA, Japan, Italien und Skandinavien herausgebildet haben.
Luhmann bezeichnete sich zwar zeitlebens als Soziologe, doch kann man ihn – ähnlich wie Jürgen Habermas – gleichzeitig auch als Wissenschaftstheoretiker auffassen, der die Soziologie sehr angeregt hat und der eine bemerkenswerte soziologische Urteilskraft besaß. In verschiedenen Bereichen der Philosophie werden Ideen Luhmanns rezipiert.
Das Fehlen eines primär normativen Elements in Luhmanns Systemtheorie hat eine teilweise heftige Debatte nicht nur in der Soziologie entfacht. Aus erkenntnistheoretischer Perspektive wird moniert, die Theorie laufe auf Grund ihres tautologischen, deskriptiven Ansatzes ins Leere und sage nicht mehr über die Welt, als was wir aufgrund fachwissenschaftlicher Erkenntnisse ohnehin schon über sie wissen oder wissen könnten. Genau dieser konstruktivistische Ansatz ist wiederum eine wesentliche Eigenschaft der Theorie: Als Beobachter der Welt können wir nach Luhmann nur das identifizieren und beschreiben, was für uns beobachtbar ist. (WIKIPEDIA)
Siehe auch den WIKIPEDIA-Hauptartikel Systemtheorie (Luhmann)
"Hier hinten irgendwo hat Niklas Luhmann gewohnt": Über Oerlinghausen - 7 km von meiner Wohnung entfernt - geht am 15.04.2014 die Sonne auf... |
Niklas Luhmann(* 8. Dezember 1927 in Lüneburg; † 6. November 1998 in Oerlinghausen) war ein deutscher Soziologe und Gesellschaftstheoretiker. Als wichtigster Vertreter der soziologischen Systemtheorie zählt Luhmann zu den herausragenden Klassikern der Sozialwissenschaften im 20. Jahrhundert.
Leben
Luhmann wurde 1927 in die Familie eines Brauereibesitzers in Lüneburg geboren und besuchte das altsprachliche Johanneum. 1944 wurde er im Alter von 16 Jahren offiziell als Luftwaffenhelfer eingezogen, nachdem er schon seit dem 15. Lebensjahr dort tätig gewesen war. Von 1944 bis September 1945 war Luhmann in amerikanischer Kriegsgefangenschaft, zu der er in einem Interview einmal sagte:
„[…] die Behandlung war – gelinde gesagt – nicht nach den Regeln der internationalen Konventionen.“
Wie erst 2007 bekannt wurde, war Niklas Luhmann als Mitglied der NSDAP verzeichnet.
[Zur Orientierung: Bei Hitlers Machtergreifung 1933 war Luhmann 6 Jahre alt - bei der Befreiung Deutschlands vom Faschismus 1945 war Luhmann 17 Jahre alt ...]
Luhmann studierte von 1946 bis 1949 Rechtswissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, mit einem Schwerpunkt auf römischem Recht. Es folgte bis 1953 eine Referendarausbildung in Lüneburg. 1954 bis 1962 war er Verwaltungsbeamter in Lüneburg, 1954 bis 1955 am Oberverwaltungsgericht Lüneburg Assistent des Präsidenten. In dieser Zeit begann er auch mit dem Aufbau seiner Zettelkästen. 1960/61 erhielt Luhmann ein Fortbildungs-Stipendium für die Harvard-Universität, das er nach seiner Beurlaubung wahrnehmen konnte. Dort kam er in Kontakt mit Talcott Parsons und dessen strukturfunktionaler Systemtheorie. Nach seiner Tätigkeit als Referent an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer von 1962 bis 1965 und als Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstelle an der Universität Münster in Dortmund von 1965 bis 1968 (1965/66 daneben ein Semester Studium der Soziologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster (Westfalen)) wurde er dort 1966 zum Dr. sc. pol. (Doktor der Sozialwissenschaften) promoviert mit dem bereits 1964 erschienenen Buch Funktionen und Folgen formaler Organisation. Fünf Monate später habilitierte er sich bei Dieter Claessens und Helmut Schelsky mit Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung. Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchung. Mit seiner Berufung 1968 wurde Luhmann der erste Professor der Universität Bielefeld. Dort trug er zum Aufbau der ersten soziologischen Fakultät im deutschsprachigen Raum bei, lehrte und forschte bis zu seiner Emeritierung 1993.
Luhmann heiratete 1960 Ursula von Walter. Aus der Ehe gingen eine Tochter und zwei Söhne hervor. Seine Ehefrau verstarb 1977; danach zog er seine Kinder allein groß. Nach dem Tod seiner Frau zog Luhmann von Bielefeld nach Oerlinghausen um.
Nachlass
Luhmanns Kinder stritten jahrelang vor Gericht um die Eigentums- und Urheberrechte an seinem wissenschaftlichen Werk einschließlich des berühmten Zettelkastens, worauf das OLG Hamm im Jahr 2004 entschied, dass alleinig seiner Tochter die Rechte daran zustehen. Luhmann hatte ihr noch zu Lebzeiten 1995 in einem Vorausvermächtnis alle Urheberrechte zugewendet, da es sein Wunsch war, dass sein geistiges Erbe in einer Hand bleibt. Der Wert seines wissenschaftlichen Nachlasses wird auf einen siebenstelligen Euro-Betrag geschätzt.
Die Universität Bielefeld hat 2011 den Nachlass von Luhmann erworben und will ein Luhmann-Archiv errichten. Wichtigster Teil des Nachlasses ist der berühmte Zettelkasten, die Grundlage des umfangreichen Werkes.
Ehrungen
- 1988 Hegel-Preis der Stadt Stuttgart.
- 1997 Premio Amalfi.
- 2000 Umbenennung des Städtischen Gymnasiums Oerlinghausen in Niklas-Luhmann-Gymnasium.
- 2008 Straßenbenennung in Luhmanns Geburtsstadt, der Hansestadt Lüneburg.[11]
- Seit 2004 verleiht die Stiftung der Sparkasse Bielefeld alle zwei Jahre zum Gedenken an Niklas Luhmann den mit 25.000 Euro dotierten Bielefelder Wissenschaftspreis.
Charakterisierung des Werks
Luhmanns Systemtheorie versteht Gesellschaft nicht als eine Ansammlung von Menschen mit Blutkreisläufen und sonstigen, nicht-sozialen Systemen, sondern als einen operativ geschlossenen Prozess sozialer Kommunikation.
Systemtheorie Luhmanns: Beispielhafte Systeme mit ihren Codes, strukturelle Kopplung
Die Systemtheorie thematisiert selbstreferenzielle soziale Operationen (Kommunikation). Selbstreferenziell soll heißen, dass sich Systeme nur auf ihre internen Operationen beziehen und trotzdem kognitiv offen sind. Die Leitdifferenzen von gesellschaftlichen Funktionssystemen bezeichnet Luhmann als Codes (im Beispiel „Recht/Unrecht“ für das Rechtssystem). Die meisten Funktionssysteme orientieren sich an symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien, die Wirtschaft etwa an Geld.
Luhmanns Systemtheorie basiert auf der Gleichsetzung von Gesellschaft mit Kommunikation. Er behandelt Evolution von Kommunikation – von Oralität (mündlicher Kommunikation) über Schrift bis hin zu elektronischen Medien – und parallel auf der Evolution von Gesellschaft durch funktionale Ausdifferenzierung (siehe auch soziale Differenzierung). Daraus ergeben sich drei Stränge:
- Systemtheorie als Gesellschaftstheorie,
- Theorie der Interaktion (face-to-face-Kommunikation) und
- Evolutionstheorie,
die sich durch sein gesamtes Werk ziehen.
Seit den 1980er Jahren bezieht sich Luhmann grundlegend auf die Differenzlogik der Laws of Form des britischen Mathematikers George Spencer-Brown.
Wirkung und Kritik in der Soziologie und darüber hinaus
Die Luhmannsche Systemtheorie (in Abgrenzung zur allgemeinen Systemtheorie von Ludwig von Bertalanffy u. a. sowie zur Theorie sozialer Systeme von Talcott Parsons) gilt derzeit als eine der erfolgreichsten und populärsten Theorien im deutschen Sprachraum, nicht nur in der Soziologie, sondern auch in diversen Feldern wie der Psychologie, der Theorie des Managements oder der Literaturtheorie. Auch international beeinflusst sie den sozialphilosophischen Diskurs, wobei sich nennenswerte Luhmann-Strömungen in Deutschland, den USA, Japan, Italien und Skandinavien herausgebildet haben.
Luhmann bezeichnete sich zwar zeitlebens als Soziologe, doch kann man ihn – ähnlich wie Jürgen Habermas – gleichzeitig auch als Wissenschaftstheoretiker auffassen, der die Soziologie sehr angeregt hat und der eine bemerkenswerte soziologische Urteilskraft besaß. In verschiedenen Bereichen der Philosophie werden Ideen Luhmanns rezipiert.
Das Fehlen eines primär normativen Elements in Luhmanns Systemtheorie hat eine teilweise heftige Debatte nicht nur in der Soziologie entfacht. Aus erkenntnistheoretischer Perspektive wird moniert, die Theorie laufe auf Grund ihres tautologischen, deskriptiven Ansatzes ins Leere und sage nicht mehr über die Welt, als was wir aufgrund fachwissenschaftlicher Erkenntnisse ohnehin schon über sie wissen oder wissen könnten. Genau dieser konstruktivistische Ansatz ist wiederum eine wesentliche Eigenschaft der Theorie: Als Beobachter der Welt können wir nach Luhmann nur das identifizieren und beschreiben, was für uns beobachtbar ist. (WIKIPEDIA)
Siehe auch den WIKIPEDIA-Hauptartikel Systemtheorie (Luhmann)
Veröffentlicht am 08.04.2012
Die Doku zeigt erst ein Interview mit Luhmann aus dem Jahr 1973, worin er seine Theorie in Grundzügen erläutert. Durch die gezielten Fragen von Ulrich Boehm erhält auch der Zuschauer, der sich noch nicht mit Luhmanns Theorie beschäftigt hat, einen Einblick in deren Leitgedanken. Der zweite Teil der Doku zeigt eine "Philosophie heute" Sendung aus dem Jahr 1989 über die Ökologie-Debatte.
The documentary shows first an interview with Luhmann from 1973, in which he explained his theory main features. By pointed questions from Ulrich Boehm also gets the audience, who has not yet dealt with Luhmann's theory, an insight into their guiding principles. The second part is from the "Philosophy Today" show in 1989. Luhmann on the ecology debate.