FOCUS-INTERVIEW MIT UDO LINDENBERG ÜBER GOTT (UND DIE WELT ...)
(FOCUS 14/2013 - S. 109-111)
Udo Lindenberg mit Hut | Bildbearbeitung: s!NEdi nach einem Foto von NDR/Tine Acke/ffh.de |
"Du, Gott, für den Fall, dass es dich gibt, zeig dich bitte mal in deiner Allmacht – jetzt wär ne gute Chance! Amen."Udo Lindenberg betet, wenn es eng wird. Er glaubt an ein Leben im Jenseits, hält aber nichts vom neuen Papst. Und sein Hut? Ist ihm heilig, auch in der Kirche
Herr Lindenberg, glauben Sie an Gott?
Ich möchte an was glauben. Vielleicht nicht an den einen Gott, es können ruhig mehrere sein. Ich bin ja ein flexibler Typ.Sie haben sich in Liedtexten wie dem „Interview mit Gott“ [s.unten] mit dem Glauben beschäftigt. Warum?
Gott interessiert mich, vor allem, was im Jenseits passiert. Die Vorstellung, dass nach dem Tod nichts mehr kommt, ist mir weniger angenehm als die Version: Ja, es gibt viele neue Wundertüten nach dem irdischen Tod.Gehen Sie Ostern in die Kirche?
Nein, ich gehe in die Kirche, wenn sie leer ist. Im Dickicht der Großstädte mit ihrer Aufgeregtheit und dem Dauerstress gehe ich manchmal rein für einen relaxten Moment. Aber meistens muss man in der Kirche den Hut abnehmen. Ich glaube aber, da legt der liebe Gott keinen Wert drauf.Sie lassen also den Hut auf.
Ja. Deshalb musste ich extra einen Antrag stellen, als ich mir im Kölner Dom die gotische Architektur anschauen wollte. „Mit Hut kommen Sie hier nicht rein“, hieß es. Nach meinem Antrag bekam ich ein Schreiben vom Domprobst: „Zwischen 16 und 17 Uhr wird Ihnen ein Dombesuch gestattet. Mit Hut.“Beten Sie in schwierigen Lebenssituationen?
Ja, ich hab gebetet, als ich mal kurz vorm Jordan stand oder als liebe Freunde in die ewigen Jagdgründe rüberwechseln mussten. Ich glaube, dass es Hilfe und Kraft von oben gibt. Beim Gebet falte ich auch ganz brav die Hände und sage: „Du, Gott, für den Fall, dass es dich gibt, zeig dich bitte mal in deiner Allmacht – jetzt wär ne gute Chance! Amen.“Stimmt es, dass ein Buddha auf Ihrem Nachttisch steht?
Ja, Buddhismus ist mir die liebste Religion. Easy, entspannt, supertolerant. Die haben nicht diesen Alleinvertreteranspruch auf den einzig wahren Gott, weil man das Göttliche in sich erreichen kann. Das finde ich die beste Option.Sind Sie religiös erzogen worden?
Gar nicht. Bei uns zu Hause herrschte Freistil. Als ich zwölf war, wollte mein evangelischer Großvater, dass ich getauft werde. Damals dachte ich schon: Was soll dieses alberne Rumgeplansche hier? Als ich 18 war, bin ich sofort aus der Kirche ausgestiegen.Sie haben sich allerdings öfter für die Kirche engagiert, etwa mit einer Benefiz-CD.
Ich habe ja nichts gegen die Kirche. Ich mag nur nicht alle Inhalte, vor allem die nicht, die von den konservativen Katholiken transportiert werden.Welche Inhalte meinen Sie?
Zum Beispiel diese vatikanische Kriminaltango-Politik durch den uralten Mittelalterspruch: „Kein Kondom!“ Das heißt auch: kein Schutz gegen Aids. Jetzt kam ja gerade wieder im Vatikan so ein neuer Vogel an, mit der Nikolausmütze auf und denselben alten Positionen.Sie meinen Papst Franziskus, den Nachfolger von Benedikt XVI. Waren Sie damals nicht ein bisschen stolz, als ein Deutscher Papst wurde?
Überhaupt nicht. Er leistete sich ja eine Ungeschicklichkeit nach der anderen wie diese plumpe Äußerung gegen den Propheten Mohammed, der „Schlechtes“ über die Welt gebracht hätte. Dämlicher hätte man´s nicht machen können. Ich fordere: Schluss mit dem kirchlichen Mittelalter, mit den vielen alten Dogmen wie Zölibat, Verbot der Pille und Frauenverbot in den Ämtern!
Der neue Papst begeistert viele.
Der neue „weiße Blitz aus Rom ohne Kondom“ ist für die gleichgeschlechtlichen Lovers genauso eine Flop-Nummer wie sein Vorgänger. Er redet vom Herz für die Armen und Schutz derjenigen, die auf der Schattenseite unseres Planeten leben – dabei ist die Vatikanpolitik jeden Tag ein neu ausgesprochenes Todesurteil für die Armen in der Dritten Welt. Für Kinder, die, kaum geboren, schon zum Hungertod verurteilt sind.Das ist eine ziemlich eigene Sicht der Dinge. In Afrika engagieren Sie sich mit Ihrer Stiftung ja selbst.
Ja, wir unterstützen zum Beispiel Waisenhäuser in Tansania, in Kenia. Sie sind die direkte Folge des vatikanischen Spruchs: „Kein Kondom!“ Also rafft Aids die Eltern hin. In was für Zeiten leben wir denn?
Ich habe beschlossen, mich mehr politisch einzubringen. Ich bin gerade vom deutschen Botschafter der Uno eingeladen worden, fahre nächsten Monat nach New York. Ich will die fragen, wie man da politisch was mitgestalten kann. Diese traurige, ohnmächtige Gemeinde Uno ärgert mich neben dem Vatikan zurzeit am meisten.Sie haben auch angekündigt, mit 70 Jahren Bundespräsident werden zu wollen.
Ja, mal sehen, ich muss noch ein bisschen reifen. Ich glaube, ich würde nen coolen Bundespräsidenten abgeben. Es gäbe keine Militärparaden mehr, keine frühmorgendlichen Begegnungen. Ich bin ja eine Nachteule und schlafe etwas länger.
Ich würde auch das „Levée“ wieder einführen – Gäste auf der Bettkante empfangen, mit einem Gläschen Woody Wodka. Alles easy, aber superseriös. Der Staat hätte mit mir den Vorteil: Ich würde ihn nichts kosten, kein Gehalt, keine Autos. Das kann ich alles selbst bezahlen. Ich gäbe mich dem deutschen Volk quasi als Geschenk hin.Haben Sie zu Kanzlerin Merkel ein genauso gutes Verhältnis wie zu Gerhard Schröder?
Nee. Die verflüchtigt sich immer so´n bisschen, wenn sie mich sieht. Sie fürchtet vielleicht, dass es zu Situationen kommt, die ihr zu fremd wären. Aber ich mag Angie. Ich bin ja ein leidenschaftlicher Feminist. Ich habe ein sehr schönes Bild von ihr gemalt. Sexy Angie, haha.Sie haben nach fast 40 Jahren Panikorchester die erfolgreichste Tour Ihrer Karriere hingelegt. Was soll da noch kommen?
Das frage ich mich auch: Wie soll ich das Ding noch toppen? Die letzte Tour war das Größte überhaupt.Nervt es nie, Uralt-Hits wie „Sonderzug nach Pankow“ immer wieder singen zu müssen?
Vielleicht früher mal. Wenn Leute immer wieder kamen: „Ach, bitte noch mal den ´Rudi Ratlos´! Mach uns noch mal den alten Udo von früher!“ Jetzt steh ich drüber. Ich bin ja so was wie der ewige, zeitlose Udo im Erscheinungsbild, aber im klanglichen Erscheinungsbild bin ich der neue Udo. Die letzten zwei Platten haben einen ziemlich neuen Sound. Der gigantisch rüberkommt, der die ganz jungen Leute erreicht und die heißen Greise von 1888. Die Embryos im Mutterbauch trommeln auch schon mit im Panik-Rhythmus.Hielt man Sie früher daheim im westfälischen Gronau eigentlich für durchgeknallt?
Meine Eltern sagten: „Du spinnst ein bisschen, aber das ist ganz schön.“ Meine Mutter musste sich im Dorf schon anhören: „Was haben Sie da für einen chaotischen, langhaarigen Sohn!“ Als ich meine erste Million verdient hatte, habe ich ne lange Limo gemietet, bepackt mit Schampus und Eierlikör, bin nach Gronau vors Haus meiner Mutter gefahren und habe gerufen: „Hermine, komm mal raus, wir sind jetzt Millionäre!“ Da sagte sie: „Du hast zwar einen Vogel, aber das scheint zu funktionieren!“Sie haben Hermann Hesse zum Vordenker Ihrer Lebensphilosophie „Ich mach mein Ding“ gemacht.
Ja, er sagte: Ich will ein ganz großer Schriftsteller werden – oder gar nichts. Ich war mal in seiner Geburtsstadt Calw auf Spurensuche und dachte: Das ist der Hammer, diese Parallelität: Er musste sich wie ich aus einem kleinen Kaff heraussprengen, war auch das ganze Leben auf der Suche. Er hatte auch diesen Eigensinn, die Maxime: Solange du keinem wehtust, machst du alles auf deine spezielle Weise.Ist es nicht mühsam, ein ewig unangepasster Rock´n´ Roller zu bleiben, wenn man älter wird?
Nein. Ich bin sowieso ein E. T., komme von den Sternen. Rock ´n´ Roll ist ein so tief in die Seele eintätowiertes Lebensgefühl, das wird nie abgelegt. Mick Jagger, Rod Stewart, David Bowie und ich sind da ähnlich: Coole, easy, bunte Knallfrösche, die zeigen, dass man auch im Alter genauso wundertütenmäßig drauf bleiben kann, statt durchzuhängen und sich den grauen Sterbeflanell anzuziehen.Wenn Sie den Tod erwähnen: Wer erbt mal Ihre Millionen?
Unicef, Greenpeace und, und, und.Angenommen, Sie hätten doch einen Sohn oder eine Tochter. Wie würden Sie sich Ihr Kind vorstellen?
Es wäre ein Geheimkind, würde ganz geheim aufwachsen und sein eigenes Ding machen, frei von Udoähnlichsein-Erwartungen. Aber vielleicht habe ich ja längst Lindenzwerge. Auf der Berliner Bühne des „Hinterm Horizont“-Musicals gibt es einen Sohn. Manche Leute glauben fest, das wäre mein Original-Sohn. Na ja. Oder er ist einfach nur ein verdammt guter Schauspieler?Während unseres Interviews haben Sie kein einziges Mal den Hut gelupft. Haben Sie sich, wie Karl Lagerfeld von sich sagt, auch zur Karikatur stilisiert? Also, ohne Hut kein Udo Lindenberg?
Nein, so sehe ich mich nicht. Ich sehe mich als Trademark in einer Welt des Werteverfalls, als eine Marke, auf die Verlass ist. Der Hut, der steht mir gut.
Interview mit Gott
Text: Udo Lindenberg; Musik: Henning Gehrke
Fragen, die nie ein Mensch gestellt
ich spreche mit ihm über ihn und die Welt
Er war lange weg, wir sprechen exklusiv
über sein Comeback
Ey, wieso lässt du uns so hängen,
beginne ich mein Interview
Wenn du doch der liebe Gott bist
warum lässt du dann Kriege zu?
Du schickst auch keine Schutzengel runter
runter in den Sudan
Die krepier´n da und ich vermute
du guckst es dir nicht mal mehr an
Gleich nach dem Werbeblock
mach ich das Interview mit Gott
Gleich nach dem Werbespot
der liebe Gott
Seine Herrlichkeit zur besten Sendezeit
Einschaltquote: 100 Prozent
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Er sagt, man hat als Gott 'n Job am Kopp
und der ist ziemlich hart
Man kennt´s doch, rauf und runter
diese Story hat 'n langen Bart
Ihr wisst doch, ich habe Eure Welt
so schön für Euch erschaffen
Doch Ihr, Ihr habt sie vollgeknallt
vollgeknallt mit Waffen
Und ich schickte Euch doch immer schon
meine besten Top-Berater:
Ob´s nun Jesus war, Ghandi, Einstein
und auch noch den scheinheiligen Vater
Doch es nützt ja nix, was hat's gebracht
seid immer noch die alten Idioten
Klebt an Kirche und Religion
mit Millionen und Millionen von Toten
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der liebe Gott
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der liebe Gott
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Ja, wenn der Mensch nicht weiter weiß
dann macht er mir den Himmel heiß
Doch es nützt kein Beichten, nee, es nützt kein Beten
Kümmert Euch jetzt mal selber um Euern Planeten
Ja, es war ganz nett, es war 'n großes Ding
mich mal zu interviewen
Doch Leute, tschüss
ich muss jetzt echt wieder weiter
man hat ja als Gott auch noch was and´res zu tun
Jahr der Veröffentlichung: 2008Aus dem Album: Stark wie Zwei , Ganz anders , Stark wie Zwei LIVE Erschienen bei: Starwatch (Warner)