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Sparsamkeit - ab 90 % ...

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bild: unsere kirche: VOODOO-ZAUBER-UTENSILIEN



Austerität 

(engl. austerity, von lat. austeritas „Herbheit“, „Strenge“, „dunkler Farbton“) bedeutet „Disziplin“, „Entbehrung“ oder „Sparsamkeit“. Es wird heute vor allem in ökonomischen Zusammenhängen gebraucht und bezeichnet dann eine staatliche Haushaltspolitik, die einen ausgeglichenen Staatshaushalt über den Konjunkturzyklus ohne Neuverschuldung anstrebt (Austeritätspolitik). 

Diese gepredigte "Austerität" als Dauerkonzept zur Stabilität des €URO, und deshalb auch in entsprechenden "Rettungs"-Verhandlungen knallhart umgesetzt, basiert auf der – nirgendwo belegten – Annahme, dass Wirtschaftswachstum umso stärker ausfällt, je geringer die Staatsverschuldung ist. 


Übersetzt heißt das:

  • Wirtschaftswachstum erreicht erst dann ein lohnendes Niveau, wenn "gewisse Schwellenwerte" (also zum Beispiel auch schon mal 90 %) der Staatsverschuldung unterschritten werden. 
  • Wirtschaftswachstum oberhalb dieser Schwellenwerte lohnt sich nicht, weil das Wachstumspotential, das unterhalb dieser Schwellenwerte erreicht werden könnte, quasi verschenkt wäre. 
  • Deshalb gilt es buchstäblich ohne Rücksicht auf Verluste unter die Schwellenwerte zu kommen, anschließend entfaltet die wirtschaftliche Entwicklung dann ihr volles ungebremstes Potential und (fast) alles erstrahlt in neuem Glanze... - wie bei uns in Deutschland, da kann man ja jeden Gemeinde- und Stadtkämmerer und die Finanzminister der Länder befragen (D-:) ...


Die dieser Tage in der SUEDDEUTSCHEN und in SPIEGEL-ONLINE (siehe: http://nunchic.blogspot.de/2013/04/euro-schulden-theorie-peinliche-excel.html in diesem Blog) publizierten "90 Prozent" als ein "Excel-Fehler" der Wirtschaftsautoren Reinhart/Rogoff bei der "Berechnung eines Schwellenwertes zur Staatsverschuldung" sind der zentrale Legitimationsmythos für ein modernes Wirtschaftsmärchen. 

Und der Finne Olli Rehn als studierter Ökonom und Kommissar für Wirtschaft und Währung in der Europäischen Kommission von José Manuel Durão Barroso - sowie unsere Kanzlerin Angela Merkel und unserSudoku-spielender Finanzminister Wolfgang Schäuble - glauben ganz fest an solch einen Hokuspokus aus populistisch kassemachenden und in Bestsellerauflagen vorgetragenen Rechenkünsten der "Wissenschaftler" Reinhart/Rogoff - nachzulesen übrigens in ihrem Werk: "Diesmal ist alles anders" aus dem Jahre 2010 - und dieser Popanz-Glaube an das "Kaputt-Sparen" wird somit in seiner Konsequenz zu einer globalen Bedrohung der Volkswirtschaften - zur Zeit zumindest in ganz Südeuropa.

Die so wundersam von Rehm kolportierten und damit in Europas Wirtschaftseliten verhandelten  "90 Prozent" (Rehm formulierte: "Es ist allgemeinauf Grundlage seriöser Forschung anerkannt, dass öffentliche Schulden, wenn sie mehr als 90 % des Bruttosozialprodukts betragen, tendenziell zu einer schlechten Wirtschaftsdynamik und nur schleppendem Wachstum für viele Jahre führen.") sind im Bestseller von Reinhart/Rogoff allenfalls als ein (anscheinend sogar mit Excel falsch berechneter) Durchschnittswert benannt und auch so aufzufassen - und damit ohne Aussagewert für den jeweiligen Einzelfall. Wenn also schon vorher lustiges Rätselraten erforderlich gewesen wäre, um zu ermitteln, welcher Schwellenwert im Einzelfall gelten soll, ist die Feststellung der Höhe des angeblichen Schwellenwerts nach der aktuellen Kritik endgültig wieder in den Bereich des Voodoo zurückgekehrt.


(c) getty | oe24.at


Insgesamt ist der Vorgang aber ein erschreckend guter Beleg dafür, dass die ökonomische Wissenschaft unter Dogmatismus und dogmatisch orientierten schlechten Ökonomen leidet - und die Politik und die ihr ausgelieferten Bürger leiden unter der entsprechenden Ausrichtung von Kommissaren, Bundeskanzlern und Bundesfinanzministern. 
Und dass die sonst alle Bettgeschichten so toll recherchierenden Medien ihrer Funktion als kritische Begleiter der ökonomischen Entwicklung nicht mehr gerecht werden oder nicht mehr gerecht werden können oder nicht mehr gerecht werden dürfen... (Vielleicht ja deshalb: Brot & Spiele ...). 
Erstaunt begleiten sie deshalb einen Vorgang wie die gestrige Offenbarung von "Rechenfehlern", die jedoch schon seit 3 Jahren in der Kristallkugel blinkern ...


(Mit Textmaterial von Erik Jochem/Albrecht Müller von den "NachDenkSeiten" am 19. April 2013 um 10:33 Uhr


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