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VOLTAIRE & GOTT - GOTT & VOLTAIRE | impuls für die woche -154

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François Marie Arouet de Voltaire

Wenn Gott nicht existierte, müsste man ihn erfinden“


S!NEDi: DEO


Materialismus oder Gottesglaube?

Die Erkenntnis eines Gottes ist uns nicht von der Natur eingeprägt. Sonst hätten alle Menschen die gleiche Vorstellung; nun ist aber keine einzige Vorstellung mit uns geboren. Sie kommt uns nicht zu wie die Wahrnehmungen des Lichts, der Erde usw., die wir haben, sobald unsere Sinne und unser Verstand sich öffnen. Ist es ein philosophischer Gedanke? Nein. Die Menschen haben das Dasein von Göttern angenommen, ehe es Philosophen gab.

Woher stammt dann also dieser Gedanke? Aus dem Gefühl und aus der natürlichen Logik, die sich auch in den rohesten Menschen entwickelt, wenn sie älter werden. Man hat erstaunliche Wirkungen der Natur beobachtet, fruchtbare und unfruchtbare Zeiten, heitere und stürmische Tage, Wohltätiges und Plagen, und man hat einen Herrn gespürt. Man hat Häuptlinge gebraucht zur Leitung der menschlichen Gemeinschaften, und man hat das Bedürfnis gefühlt, Oberherren für diese neuen Oberherren anzunehmen, welche die menschliche Schwachheit über sich gesetzt hatte, Wesen, vor deren überlegener Gewalt auch die Menschen zittern müßten, die ihre Nebenmenschen in den Staub treten konnten. Und die ersten Herrscher ihrerseits haben sich ebenfalls dieser Begriffe bedient, um ihre Macht zu unterbauen. Auf diesen Wegen gelangte jede kleine Gemeinschaft zu ihrem Gott. Diese Begriffe waren noch ganz grob und roh; alles war ja grob und roh. Es ist durchaus natürlich, sich seine Gedanken zu bilden, indem man von Vergleichen ausgeht. Eine Gemeinschaft, die unter einem Häuptling stand, konnte nicht leugnen, daß die Gemeinschaft neben ihr auch einen Richter, einen Anführer im Krieg hatte; so konnte sie auch nicht leugnen, daß sie ebenfalls einen Gott hatte. Aber wie jeder Völkerschaft daran gelegen sein mußte, daß ihr Anführer mehr taugte, so mußte ihr daran gelegen sein zu glauben und so glaubte sie, daß ihr Gott der mächtigere sei. Daher stammen jene alten Fabeln, die so lange im Schwange waren, daß die Götter eines Volkes mit den Göttern eines anderen Volkes im Kampf liegen. So erklären sich die vielen Stellen in den hebräischen Büchern, die auf Schritt und Tritt die Überzeugung der Juden aufdecken, nach der ihnen feststand, daß die Götter ihrer Feinde existierten, daß aber der Judengott ihnen überlegen sei.

Mittlerweile gab es Priester, Magier, Philosophen in den Großstaaten, in denen die Fortschritte der Gesellschaft es ermöglichten, daß Menschen da waren, die sich mit einiger Muße der Gedankenforschung hingeben konnten.

Einige von diesen bildeten ihr Denkvermögen soweit aus, daß sie im Geheimen einen einzigen, allgemeinen Gott anerkannten. So betete man bei den alten Ägyptern zwar Osiri, Osiris oder Osireh an – der Name bedeutet: dieses Land gehört mir; sie beteten auch noch andere höhere Wesen an; und doch nahmen sie einen höchsten Gott an, ein einziges Grundwesen, das sie Kneph nannten und dessen Sinnbild eine Kugel über dem Giebel des Tempels war. Nach diesem Vorbild bekamen die Griechen ihren Zeus, ihren Jupiter, den Herrn der anderen Götter, die nichts anderes waren, als was die Engel bei den Babyloniern und bei den Hebräern sind oder die Heiligen bei den römisch-katholischen Christen.

Es ist eine Frage, die heikler ist, als man gemeinhin denkt, eine Frage, über die man noch durchaus nicht genügend nachgedacht hat, ob mehrere an Macht gleiche Götter nebeneinander bestehen können.

Wir haben keinerlei sachgemäßen Begriff von der Gottheit, wir schleppen uns nur fort von Mutmaßung zu Mutmaßung, von wahrscheinlichen Ansichten zu annehmbaren Ansichten. Die Zahl der sicheren Überzeugungen, zu denen wir gelangen, ist sehr gering. Es gibt etwas von Ewigkeit her; denn nichts stammt von nichts. Das ist eine sichere Wahrheit, auf die sich unser Geist verlassen kann. Jedes Werk, das uns Mittel und Zweck aufzeigt, kündigt einen Werkmeister an. Also offenbart uns dieses Weltall, das eine Zusammensetzung von Springfedern und Mitteln ist, deren jedes einem Zweck entspricht, einen höchst mächtigen, höchst verständigen Werkmeister. Das ist eine Wahrscheinlichkeit, die der höchsten Gewißheit nahekommt. Aber ist dieser höchste Baumeister unendlich groß? Ist er allgegenwärtig? Ist er an einem Ort? Wie sollen wir mit unserem beschränkten Verstand, mit unseren geringen Kenntnissen diese Frage beantworten?

Meine Vernunft allein für sich vermag mir zu beweisen, daß es ein Wesen gibt, das den Stoff dieser Welt gestaltet hat; aber meine Vernunft hat nicht die Kraft mir zu beweisen, daß es diesen Stoff geschaffen, daß es ihn aus dem Nichts gezogen hat. Alle Weisen des Altertums haben ohne jede Ausnahme den Stoff für ewig gehalten und als etwas angesehen, das aus sich selbst heraus besteht. Ohne die Hilfe einer übernatürlichen Erleuchtung kann ich also nicht weiter kommen als zu dem Glauben, daß der Gott dieser Welt auch ewig ist und aus sich selbst heraus besteht; Gott und der Stoff sind da kraft natürlicher Notwendigkeit. Sollten andere Götter, sollten andere Welten nicht auch da sein? Haben doch ganze Völker, hochgebildete Denkergemeinschaften das Dasein von zwei Göttern in dieser Welt angenommen, von denen der eine der Urquell des Guten, der andere der Urquell des Bösen sein sollte. Sie haben einen endlosen Kampf zwischen zwei gleichstarken Mächten angenommen. Gewiß liegt es eher in der Natur der Dinge, daß es im unendlichen Raum mehrere unabhängige Wesen gibt, die jedes in seinem Bezirk unbedingt herrschen, als daß es in dieser Welt zwei beschränkte, kraftlose Wesen gibt, von denen das eine nur das Gute, das andere nur das Böse hervorbringen kann. Wenn Gott und der Stoff von Ewigkeit her da sind, wie es der Glaube des Altertums war, so haben wir zwei notwendige Wesen; wenn es aber zwei notwendige Wesen gibt, so kann es deren auch dreißig geben. Schon diese Zweifel allein für sich, die auf unendlich viele weitere Gedankenmöglichkeiten hinführen, genügen, um uns von der Schwäche unserer Fassungskraft zu überzeugen. Wir müssen mit Cicero unsere Unwissenheit in Betreff des Wesens der Gottheit bekennen. Nie werden wir mehr wissen, als er wußte.

Mag uns die Schulgelehrsamkeit sagen, Gott sei negativ unendlich, aber nicht privativ; formaliter, aber nicht materialiler; er sei der erste, der mittlere und der letzte Actus, er sei überall, ohne irgendwo zu sein: hundert Seiten Erklärungsschriften über derartige Begriffsbestimmungen können uns nicht den geringsten Aufschluß geben. Es fehlt uns an Stufen, es fehlt uns an Stützpunkten, um uns zu der Höhe solcher Erkenntnisse zu erheben. 

Wir fühlen, wir sind in der Hand eines unsichtbaren Wesens; das ist alles; darüber hinaus können wir keinen Schritt vordringen. Es ist eine sinnlose Verwegenheit, wenn man erraten will, wer dieses Wesen ist, ob es ausgedehnt ist oder nicht, ob es an einem Ort existiert oder nicht, wie es existiert, wie es wirkt.

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S!NEDi: Voltaire-Pop|Art

Voltaire [vɔltɛːʀ] (eigentlich François-Marie Arouet [fʀɑ̃swa maʀi aʀwɛ], * 21. November 1694 in Paris; † 30. Mai 1778 ebenda) war einer der meistgelesenen und einflussreichsten Autoren der französischen und europäischen Aufklärung.

In Frankreich nennt man das 18. Jahrhundert auch „das Jahrhundert Voltaires“ (le siècle de Voltaire). Als Lyriker, Dramatiker und Epiker schrieb er in erster Linie für ein Publikum gebildeter Franzosen, als Erzähler und Philosoph für die gesamte europäische Oberschicht im Zeitalter der Aufklärung, deren Mitglieder für gewöhnlich die französische Sprache beherrschten und französische Werke zum Teil im Original lasen. Viele seiner Werke erlebten in rascher Folge mehrere Auflagen und wurden häufig auch umgehend in andere europäische Sprachen übersetzt. Voltaire verfügte über hervorragende Kenntnisse der englischen und der italienischen Sprache und veröffentlichte darin auch einige Texte. Er verbrachte einen beträchtlichen Teil seines Lebens außerhalb Frankreichs und kannte die Niederlande, England, Deutschland und die Schweiz aus eigener Erfahrung.

Mit seiner Kritik an den Missständen des Absolutismus und der Feudalherrschaft sowie am weltanschaulichen Monopol der katholischen Kirche war Voltaire ein Vordenker der Aufklärung und ein wichtiger Wegbereiter der Französischen Revolution. In der Darstellung und Verteidigung dessen, was er für richtig hielt, zeigte er ein umfangreiches Wissen und Einfühlungsvermögen in die Vorstellungen seiner zeitgenössischen Leser. Sein präziser und allgemein verständlicher Stil, sein oft sarkastischer Witz und seine Kunst der Ironie gelten oft als unübertroffen.

Voltaire war einer der bedeutendsten Kirchenkritiker des 18. Jahrhunderts. Dies brachte ihm früh die Missbilligung der katholischen Kirche ein, die ihn als Atheisten brandmarkte und seine Schriften verbot.
Die von Voltaire restaurierte Schlosskapelle, die einzige 
Kirche in Frankreich, die GOTT direkt gewidmet 
ist: Deo erexit VOLTAIRE - „ VOLTAIRE“ ist dabei in 
größeren Buchstaben angebracht als „Gott“. Eine Metallgabel 
verschließt die Kirche. Seitdem der Staat 1999 das Anwesen 
erwarb, befindet sich die Kirche im Dornröschenschlaf, wartet 
auf den Kuss - die Restaurierung  - (nach einem Foto: 
Freunde der Stadtbücherei Haltern am See e.V.: Begegnung 
mit Voltaire von Eva Masthoff- privat)
Voltaire durfte es nicht wagen, das kleine Kirchlein in seinem Schlosspark in Ferney, das einer geplanten zentralen Zufahrtstasse im Wege stand, abreißen oder versetzen lassen. Voltaire renovierte diese Kirche und widmete sie Gott selbst "Deo erexit Voltaire", 1761 („Für Gott erbaut von Voltaire“) - die einzige Kirche in ganz Frankreich, die Gott - es muss nicht der christliche sein - direkt gewidmet  wurde und nicht einem später ernannten menschlichen Stellvertreter. Und Voltaire wehrte sich stets gegen den Vorwurf des Atheismus. Bei aller Distanz zu den überkommenen Religionen vertrat er eine Haltung, die der deistischen Position verwandt war, das heißt einen toleranten und undogmatischen und von archaischen Vorstellungen befreiten Monotheismus. So folgerte er aus der Gesetzmäßigkeit des Kosmos die Existenz einer höchsten Intelligenz (Traité de métaphysique, 1735) und betonte die moralische Nützlichkeit des Glaubens an Gott: „Wenn Gott nicht existierte, müsste man ihn erfinden“ (in Épitre à l’auteur du livre des trois imposteurs, 1770). Ohne jeden dogmatischen Anspruch bejahte Voltaire auch die Unsterblichkeit der Seele und die Freiheit des Willens.

An der katholischen Kirche und ihrer Verquickung mit der weltlichen Macht übte er schärfste Kritik. Viele seiner späteren Briefe beschloss er mit der berühmt gewordenen Parole Écrasez l’infâme! (wörtlich: „Zermalmt die Niederträchtige!“), was in der Regel auf die Kirche als Institution bezogen wird. Einer anderen Lesart zufolge war mit l’infâme der von Voltaire oft gegeißelte Aberglaube (l’infâme superstition) gemeint. Im Jahr 1768 veröffentlichte er unter dem Pseudonym Corbera das Pamphlet Epître aux Romains, das zum Widerstand gegen den Papst aufruft.

Voltaire wünschte sich ein kirchliches Begräbnis, doch verweigerte er auf dem Totenbett die Kommunion ebenso wie den von der Kirche verlangten Widerruf seiner Schriften. Auch von seiner Verneinung der Gottessohnschaft Jesu rückte er nicht ab.



Texte aus: Voltaire | Kleine philosophische Aufsätze - Kapitel 2  und WIKIPEDIA




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