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stolpersteine: die entstehung eines martyrologiums


langweilig

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türen zu, fenster zu, licht aus - verbissen ... | S!


MILLENIALS

Die neue Prüderie

„Fack ju Göhte“ ist angeblich sittenwidrig. Ein Gedicht über Blumen soll weg, Dornröschen verboten werden, schlechter Sex am besten gleich auch. Ist uns vielleicht einfach ein bisschen langweilig?

Von Leonie Bartsch

Alle sind sehr aufgebracht. 
Alle sind sehr aufgebracht und sehr schockiert. 
Alle sind sehr aufgebracht und sehr schockiert 
und sehr jung. 

Zumindest die, die sich von einem Gedicht belästigt fühlen. Die Dornröschen als Märchen des Patriarchats verbieten wollen. Die schlechten Sex unter #MeToo-Anklagen abladen. Die sich als Polizei der politischen Korrektheit im Netz aufgebaut haben und – statt dort gegen rechte Polemik zu kämpfen – lieber über gendergerechte Artikelchen, Dobrindt und vulgäre Markennamen debattieren.

Antreibender Motor des im Netz ausgefochtenen Kulturkampfes sind wir Jungen, denn wenn wir schon bei vielem nicht mitreden können, dann wenigstens bei den Twitter-Hashtag-Trends. Irgendwie muss man die Zeit während der Vorlesung ja rumkriegen.

Doch wenn eine Onlinehysterie in die reale Welt überschwappt, bis hin zum Gericht der Europäischen Union, bis hin zu Eingriffen in die Kunstfreiheit, ist es endlich an der Zeit für Vernunft. So im wahren Leben, nicht nur bei Twitter.

Sex, Körper, Sex

Das spanische Gedicht Gomringers ist die Inkarnation der Prüderie verglichen mit der Mehrheit anderer spanischer Texte. Die Lyrics der aktuell populärsten Musikrichtung, Reggaeton, handeln von nicht viel mehr als Sex, Frauen, Sex, Gefühlen, Sex, Körpern, Sex. Und werden von dreijährigen Kindern auf dem spanischen Wochenmarkt gesungen.

All jene, die also in der Universität fleißig die Hand gegen einen „Admirador“ gehoben haben, sollten „Despacito“ schnell von ihrer Wochenend-Party-Playlist löschen und sich stattdessen der Schönheit der spanischen Sprache widmen, zum Beispiel mit diesem Gedicht.

Dabei verstehe ich die Sehnsucht nach Extremen. Nach politischem Pathos.

Wir haben nichts Unmittelbares mehr, für das wir kämpfen müssen. Hier herrscht kein Krieg. Die Demokratie funktioniert bisweilen. Da ist keine Mauer, die uns einsperrt. Alles, was wir bekämpfen, ist der Kater am Sonntagmorgen.

Also suchen wir uns Alternativen. Wir tanzen nicht einfach nur hedonistisch fünf Tage auf Technofestivals, sondern machen das aus antikapitalistischen Gründen. Wir verzichten nicht einfach auf Fleisch, sondern missionieren die halbe Welt. Wir wollen nicht in der Mitte rumdümpeln, sondern politischen Pathos in Extremen. Die Mitte ist halt Mainstream. Und Mainstream geht gar nicht. Für Mainstream bekommt man keine Retweets, keine Hashtags, keine Demonstrationen.

Der Studientest im Internet hat uns ein Ergebnis ausgespuckt, das ganz hübsch klang.

Also studieren wir. Und reden uns ein, dass uns das, was wir da auswendig lernen, auch wirklich interessiert. Dass das universitäre Bildungssystem nicht realitätsfern ist, sondern theoretisch. Wir machen ein bis einhundert Praktika, arbeiten in diesem einen Job, versuchen uns in diesem anderen.

Wir ersetzen Marx durch den Motivationstrainer

Dann lesen wir ein bisschen Marx, merken, dass wir uns in Private-Equity-Fonds plötzlich unwohl fühlen, wollen nicht länger Humankapital, sondern Humanisten sein, also Neuorientierung. Nicht so einfach, die Auswahl ist groß, die Ahnung ist klein. Wir ersetzen Marx durch den Motivationstrainer.

Der sagt: „Man kann alles werden, wenn man nur will.“ Hört sich gut an, und wie? „Lächeln Sie einfach, und die Welt lächelt mit“. Aha. Die Welt hat aber gar keine Zeit zum Lächeln, ist zu beschäftigt mit dem Erwärmen. Außerdem kann man mit penetrantem Lächeln viel falsch machen. Gekränkt steigen wir zurück ins Bett und verschanzen uns vor dem Alltag. Wir hören uns Podcasts an von Menschen, die miteinander reden, damit wir das nicht machen müssen.

Gerade schlecht, schreien wir zurück

Eine Woche später liegen wir immer noch da, haben nichts geschafft, dafür sind wir sieben Tage älter. Wir fühlen uns schlecht, also posten wir ein Foto, auf dem wir fröhlich einen Mojito in Malibu schlürfen, und fühlen uns danach noch schlechter, weil der Mojito echt lecker war und Malibu echt schön, aber eben ein Jahr her. Die Zukunft klopft an, fragt, ob wir reden könnten.

Gerade schlecht, schreien wir zurück und gucken weiter Netflix. Wir verschieben die Selbstverwirklichung auf morgen und die Schuld an allem auf den Studientest. Hätte der mal ein anderes Leben ausgespuckt.

Das Leben ist ohne Grund zum kollektiven Kämpfen ein bisschen langweilig. Ein bisschen grau und unwichtig.

Aber wenn ein vernunftverlassener Kulturkampf als Ablenkung von der alltäglichen Tristesse dient, ist es Zeit für neue Hobbys. Ist es Zeit für Eingeständnisse, Distanz und vielleicht auch mal eine Runde Digital-Detox, in der man das Netzminenfeld verlässt und sich eingesteht, dass man sich verrannt hat und dass politischer Mainstream okay ist. In der man sich eingesteht, dass man jugendlichen Pathos auch in die politische Mitte einfließen lassen kann, wie Kevin Kühnert momentan elegant zeigt.

Und vor allem ist es an der Zeit zu begreifen, dass Political-Correctness-Kampagnen gegen die Kunstfreiheit den Zielen der ursprünglichen feministischen Bewegung und der Demokratie mehr schaden als jeder Admirador.

© WeltN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten

Gedenken an NS-Opfer mit Behinderung in Ursberg- BR

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Gedenken an NS-Opfer mit Behinderung

"Wer Unkraut verhindert, fördert das Wertvolle" - Mit solch zynischen Parolen hat das NS-Regime vor rund 80 Jahren über Leben und Tod behinderter Menschen geurteilt. Auch im schwäbischen Ursberg. Rund 400 Menschen fielen dort dem Rassenwahn zum Opfer.

Die Erinnerung an die dunkle Vergangenheit lastet schwer auf dem Dominikus-Ringeisen-Werk in Ursberg. Die Einrichtung gehört zu den ältesten Heimen für Menschen mit Behinderung in Bayern. Dort fanden sie zur NS-Zeit zunächst Fürsorge und Schutz. Bis 1939 - als 1.000 Meldebögen die Einrichtung erreichen. Die betreuenden Schwestern der Josefskongregation Ursberg wissen, was das zu bedeuten hat: Ihre Schutzbefohlenen sollen deportiert und umgebracht werden, weil sie von den Nazis als nicht lebenswert eingestuft werden.

"Sehr, sehr großer Schmerz"

Keine der Schwestern aus der Zeit lebt mehr. Belegt ist, dass sich die damalige Oberin und die Ärztin der Einrichtung geweigert haben, die Meldebögen auszufüllen. Trotzdem kommen 1940 die ersten Busse, um die Bewohner des Heims abzuholen. Schwester M. Katharina Wildenauer ist heute Generaloberin der St. Josefskongregation Ursberg und arbeitet im Dominikus-Ringeisen-Werk.
"Ich glaube, es war ein sehr, sehr großer Schmerz für die Schwestern, die es erlebt haben."Schwester M. Katharina Wildenauer, Generaloberin der St. Josefskongregation Ursberg

Schicksale der NS-Opfer im Archiv dokumentiert

Unvorstellbar aber das Leid, das die Heimbewohner ertragen mussten. Ihre Schicksale sind im Archiv der Einrichtung dokumentiert. Das von Friedrich Seyfried etwa, der seit 1935 die Taubstummenschule in Ursberg besuchte. Er war wegen einer Ohrenentzündung gehörlos geworden. 1941 wird er deportiert und im österreichischen Schloss Hartheim vergast.

Tod der NS-Opfer durch Verhungern

Oder Cäcilia Stumbeck, sie und andere Opfer werden auf besonders perfide Weise umgebracht. Die geistig behinderte Frau wird von Ursberg nach Kaufbeuren verlegt. Dort bekommt sie nur fett- und eiweißlose Kost. Das füllt den Bauch, lässt sie aber langfristig verhungern. "Sie hat das drei Jahre lang durchgestanden", entnimmt Schwester Katharina den Archiv-Dokumenten, "Am 18. Mai 1944 ist sie dann gestorben".

Wichtiges Gedenken an Schicksal der NS-Opfer mit Behinderung


Das Gedenken an die Opfer von damals ist Wolfgang Tyrychter, Vorstand des Dominikus-Ringeisen-Werks, sehr wichtig:
"Es ist uns in der Arbeit, im Alltag immer wieder Erinnerung daran, dass es keine Sicherheit gibt bezüglich der Definition des lebenswerten Lebens. Und dass wir uns beteiligen müssen an einer Diskussion darüber, das immer wieder in Erinnerung zu rufen."Wolfgang Tyrychter, Vorstand des Dominikus-Ringeisen-Werks in Ursberg

Auch der Bayerische Landtag möchte diese Erinnerung aufrecht erhalten. Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar besuchen nun Landtagsabgeordnete die Einrichtung in Ursberg.

Quelle: hier clicken

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Bernburg - Tötungsanstalt der "Euthanasie" - DLF Kultur

2017: Die unvergessene Gedenkstunde an die Opfer der NS-"Euthanasie"

Holocaust-Überlebender trifft 25-jährigen | Auschwitz heute - Bundeszentrale für Politische Bildung und 360°Video WDR

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ESSAY

Meine Generation weiß alles und nichts

Wie ist es, als junger Mensch einem KZ-Überlebenden gegenüberzusitzen? Man ist sprachlos ob des Leidens dieses Menschen und reflektiert die eigene Existenz. Eine Begegnung in Kalifornien.

Von Sebastian Gubernator | welt.de


Ben Stern (r.) und Sebastian Gubernator lernten sich in Berkeley kennen - Copyright: Tim Osing


Ben ist 96, ich bin 25. Menschen in meinem Alter posten ständig Urlaubsfotos auf Instagram und fragen sich, ob sie weiter studieren oder endlich mal arbeiten sollen. Als Ben in meinem Alter war, hatte er neun Konzentrationslager, zwei Gettos und zwei Todesmärsche überlebt.

An diesem Samstag jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 73. Mal. Auf der ganzen Welt gedenkt man der Opfer des Nationalsozialismus, und ich denke darüber nach, wie das so ist, ein junger Mensch zu sein und einen Holocaust-Überlebenden zu treffen.

Ben habe ich in Berkeley kennengelernt, zwei Kollegen und ich haben ihn für ein Projekt unserer Journalistenschule interviewt, der Axel Springer Akademie. Wir trafen ihn in einem Kinosaal. Er saß dort, zweite Reihe, und wartete darauf, an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen über die Frage, ob die Meinungsfreiheit für Nazis gelten darf. Ein Thema, auf das in Amerika anders geschaut wird als in Deutschland.

Dort ist das Tragen von Hakenkreuzen ja erlaubt. Nur ein Beispiel, aber ein vielsagendes. Ich hatte Zeitungsartikel über Ben gelesen, mich online in sein Leben eingearbeitet. Jetzt saß er da, ein kleiner Mann mit Schirmmütze, neugieriger Blick hinter großen Brillengläsern. Ich stellte mich auf Englisch vor.

„Sprichst du Deutsch?“, fragte er auf Deutsch und lächelte.

„Ja.“ Ich lächelte auch.

Schon vorher habe ich Holocaust-Überlebende kennengelernt. Frauen, die Theresienstadt überstanden, einen Mann, der in den 30ern mit seiner Familie aus Österreich in die USA floh, zersplitterte Biografien. Die Treffen ähneln sich, weil sich die Geschichten ähneln. Am Ende bleiben Sätze zurück, die man nicht vergisst, bei Ben Stern war es dieser: „Wir wurden befreit, aber wir waren nicht frei.“

Er stammt aus Polen. Nachdem die Nazis ihn von einem Konzentrationslager ins nächste getrieben und zu zwei Todesmärschen gezwungen hatten, erst im Januar, dann im April 1945, wurde er nahe der österreichischen Grenze von den Amerikanern gerettet. Er wog, erinnert er sich, 78 Pfund.

Ich gebe „78 Pfund“ bei Google ein. 35 Kilo. Ben muss, ganz am Ende, eine Hülle gewesen sein, nicht ganz tot, nicht wirklich am Leben.

Das alles erzählt er mir. Macht mit zittriger Hand seinen Manschettenknopf auf, zieht ungefragt den Ärmel hoch, Nummer 129592. Eine blass gewordene Erinnerung an den Holocaust. Es ist schwer, über so eine Begegnung zu schreiben, weil die Formulierungen immer nach Klischee riechen, nach Phrase.

Ja, es treibt mir Tränen in die Augen, es geht mir nicht aus dem Kopf, es verursacht Gänsehaut, wenn ein 96-Jähriger sagt, dass Gott erst die Engel geschaffen habe und dann die Holocaust-Überlebenden, damit sie erzählen können, was nie wieder passieren darf.

Ich glaube, als junger Mensch viel über den Holocaust zu wissen. Sicher nicht alles, aber genug, um im Kopf zu haben, was längst abgedroschen klingt und doch wahr ist: So etwas darf nie wieder passieren, weder in Deutschland noch im Rest der Welt.

Meine Generation ist aufgewachsen damit, dass die Erinnerung an den Holocaust eine Selbstverständlichkeit ist. Die Auschwitz-Prozesse, die in den 60ern die Deutschen wachrüttelten, fanden Jahrzehnte vor unserer Geburt statt.

Wir waren als Schüler in Dachau oder Buchenwald, haben das Tagebuch der Anne Frank gelesen, wurden von unseren Lehrern in Dorfkinosäle geschleppt, um Filme wie „Am Ende kommen Touristen“ zu sehen. Wir verstehen uns als Europäer und Kosmopoliten, auch wenn wir nicht genau wissen, was das heutzutage eigentlich bedeuten soll.

Wir haben Freunde in Tel Aviv. Wir sind aufgewachsen in dem Bewusstsein, dass in den 30er- und 40er-Jahren furchtbare, unvergleichliche, nicht gutzumachende Verbrechen verübt wurden. Und es ist gut, dass wir sensibilisiert sind.

Natürlich hatte ich auch Mitschüler, die fanden, dass in Deutschland zu viel an die Vergangenheit erinnert wird. Sie verdrehten die Augen, wenn es im Geschichtsunterricht und in Sozialkunde um Nazis ging und dann noch der Deutschlehrer mit der „Blechtrommel“ um die Ecke kam.

Ich sah das immer anders. Aufarbeitung ist essenziell. In einem Land, das sechs Millionen Juden in den Tod getrieben hat, kann es kein zu viel an Aufarbeitung geben.

Außerdem habe ich eine Erfahrung gemacht, sie mag nicht repräsentativ sein, aber so nehme ich es wahr: Diejenigen, die am lautesten rufen, sie wollen nichts mehr vom Holocaust hören, wissen oft nicht mal, wie viele Juden im Dritten Reich getötet wurden. Oder was am 9. November 1938 passiert ist. Oder was Treblinka war.

Das Deutschland, in dem ich aufgewachsen bin, hat keine Schuld. Aber es hat eine Verantwortung. Wer als Schüler „nichts mehr davon“ hören will, ist unreflektiert. Wer als Erwachsener ein Ende der Aufarbeitung fordert, ist ein menschenverachtender Idiot.

Meine Lehrer haben nie einen Holocaust-Überlebenden in den Unterricht eingeladen. Vielleicht, weil in unserem Ort in der rheinland-pfälzischen Provinz keine wohnten. Vielleicht, weil ihnen nicht klar war, wie wichtig solche Begegnungen sind.

Es macht eben einen Unterschied, ob der Lehrer einen dieser rollbaren Röhrenfernseherschränke aufmacht und „Schindlers Liste“ zeigt oder ob man einen Menschen wie Ben Stern trifft, der Auschwitz überlebt hat.

Schüler sollten ihre Lehrer auffordern, Zeitzeugen einzuladen. Und zwar jetzt, in den nächsten Tagen, in den kommenden Wochen, denn es gibt eine Wahrheit, die nicht immer offen formuliert wird, weil sie als pietätlos gilt: Die Holocaust-Überlebenden sind alt, sehr alt, und bald werden die letzten sterben.

Die Generation, die zurzeit Schminkvideos auf YouTube schaut und im Schulklo heimlich die erste Zigarette raucht, wird die letzte sein, die noch Holocaust-Überlebende treffen kann.

Der Autor ist Volontär der Axel Springer Akademie. Die Reportage entstand im Rahmen des Snapchat-Projekts „sachor jetzt!“: Die Geschichte des Holocaust für die Smartphone-Generation neu erzählt. Sebastian Gubernator und seine 15 Team-Kollegen wurden mit dem Henri-Nannen-Preis für das beste Web-Projekt 2017 ausgezeichnet und gerade vom „Medium Magazin“ unter die „Journalisten des Jahres“ gewählt

© WeltN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten

Zum 27.01.2018: Erinnerungskultur am Beispiel KZ-Gedenkstätten-Besuche

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Kulturzeit-Interview mit Volkhard Knigge - Direktor der Gedenkstätte Buchenwald

Zum 27.01.: "EUTHANASIE" - planet wissen

Zum 27.01.2018: Habseligkeiten in Auschwitz

show more - sharing heritage

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Europäisches Kulturerbejahr 2018 soll «Seele Europas erspüren» 


Was macht Europa aus? - Auf diese Frage will das Europäische Kulturerbejahr 2018 eine Antwort geben. «Das Kulturerbe ist das Kernstück der europäischen Art zu leben. Es definiert, wer wir sind, und schafft ein Gefühl der Zugehörigkeit», sagte Tibor Navracsics, EU-Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Sport bei der Eröffnung im Dezember in Mailand.

Von Carola Große-Wilde, dpa, KIZ | neue musikzeitung - nmz

Zum Kulturerbe gehörten nicht nur Literatur, Kunst und Gegenstände. «Wir begegnen ihm auch in dem Handwerk, das wir erlernen, den Geschichten, die wir erzählen, dem Essen, das wir genießen und den Filmen, die wir uns ansehen», meinte Navracsics damals.

Das Programm in Deutschland koordiniert das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz im Auftrag von Bund, Ländern und Kommunen. Einen Überblick über die bislang 130 Projekte und Veranstaltungen bietet die Internetplattform www.sharingheritage.de: Es reicht von dem Projekt «The Wall Net», das den Resten der Berliner Mauer in der ganzen Welt nachspürt, über ein multimediales Projekt in Frankfurt, das die Erinnerung an das Vernichtungslager Auschwitz wachhalten will, bis zu dem Fotografieprojekt «Scherben von Prora» auf der Insel Rügen, das an die wechselvolle Geschichte des von den Nationalsozialisten begonnenen Gebäudekomplexes erinnert.

Mit der Ausstellung «Ich habe mich nicht verabschiedet - Frauen im Exil» werden auch aktuelle Flüchtlingserfahrungen thematisiert. Die Fotografin Heike Steinweg porträtierte in Berlin im Exil lebende Frauen - von der Schriftstellerin bis zur politischen Aktivistin. «Eine gemeinsame Willkommenskultur, die sich auf die europäischen Grundwerte stützt, bildet dabei als immaterielles Kulturgut eine Basis für ihre Integration», heißt es auf der Homepage. Auf die gemeinsame europäische Geschichte machen Ausstellungen im Bergbaumuseum Bochum «Das Zeitalter der Kohle» oder in Münster und Osnabrück zum Dreißigjährigen Krieg deutlich.

Das Europäische Kulturerbejahr sei eine Chance, über gemeinsame Wurzeln und Werte «der Seele Europas nachzuspüren», sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bei der Eröffnung des Europäischen Kulturerbejahr am Montag in Hamburg. «Deshalb wollen wir vor allem junge Menschen in Europa dazu bewegen, unsere Geschichte zu ergründen und zu erfahren, was wir Europäer inzwischen geschafft haben: das Gemeinsame über das Trennende zu stellen sowie unterschiedlichen Kulturen, Religionen, Traditionen und Träumen, Lebensentwürfen und Weltanschauungen eine Heimat zu bieten.» Aus dem Etat der Kulturstaatsministerin werden bundesweit 38 Projekte und Initiativen mit insgesamt 7,2 Millionen Euro unterstützt.

Laut einer neuen Eurobarometer-Umfrage sind 8 von 10 Europäern davon überzeugt, dass das Kulturerbe nicht nur für sie persönlich, sondern auch für ihre Gemeinschaft, ihre Region, ihr Land und die Europäische Union als Ganzes von Bedeutung ist. Eine große Mehrheit ist stolz auf das Kulturerbe, egal aus welchem Land es kommt. Mehr als 7 von 10 der befragten Bürger glauben außerdem, dass das Kulturerbe ihre Lebensqualität verbessern kann. Die Umfrage zeigt ferner, dass nach Ansicht von 9 von 10 Befragten das Kulturerbe in Schulen vermittelt werden sollte. Drei Viertel fordern, dass vor allem die Mitgliedstaaten und die EU mehr Ressourcen für den Schutz des Kulturerbes Europas bereitstellen sollten.

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Monika Grütters eröffnet Europäisches Kulturerbejahr 2018

Zum Auftakt lud die Kulturstaatsministerin in Hamburg dazu ein, "der Seele Europas nachzuspüren". Unter dem Motto "Sharing Heritage" beleuchten 2018 zahlreiche Projekte und Initiativen europäisches Kulturgut.

Gemeinsam wollen sich die EU-Mitgliedstaaten in diesem Jahr auf das verbindende Element europäischer Kultur besinnen. Zur Eröffnung des Europäischen Kulturerbejahres 2018 betonte Kulturstaatsministerin Monika Grütters die Notwendigkeit, Europa als Wertegemeinschaft zu begreifen. "Nur so weckt die europäische Idee jenen Enthusiasmus, der Europa vor einem Rückfall in Abschottung, Gewalt und Unfreiheit bewahren kann", sagte Grütters in Hamburg.

"Offenheit für Vielfalt ist Ausdruck von Humanität"

Der Kulturstaatsministerin zufolge müssten vor allem junge Menschen in Europa motiviert werden, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen. Das gelte den unterschiedlichen Kulturen, Religionen, Traditionen und Träumen, Lebensentwürfen und Weltanschauungen. "Genau diese Offenheit für Vielfalt ist es, die Europas Wertegemeinschaft im Kern ausmacht: Sie ist Ausdruck von Humanität."

Aus dem Etat der Kulturstaatsministerin werden bundesweit 38 Projekte und Initiativen rund um das Europäische Kulturerbejahr 2018 unterstützt. Dafür stehen 7,2 Millionen Euro zur Verfügung. Deutschland gehört zu den Initiatoren des Europäischen Kulturerbejahres. Das Programm zum Themenjahr in Deutschland koordiniert das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz im Auftrag von Bund, Ländern und Kommunen.

Fünf Leitthemen zum Motto "Sharing Heritage"

Insgesamt werden allein in Deutschland über 1000 Veranstaltungen in Form von Projekttagen, Ausstellungen, Führungen, Workshops, Foren und Performances stattfinden. Das übergeordnete Motto lautet "Sharing Heritage" - "Erbe teilen". Fünf Leitthemen geben die Richtung vor:
  • Europa: Austausch und Bewegung
  • Europa: Grenz- und Bewegungsräume
  • Europa: Erinnern und Aufbruch
  • Europa: Gelebtes Erbe
  • Die Europäische Stadt

Zu den Initiativen gehören beispielsweise ein deutsch-französisches Park- und Gartenprojekt, ein eigens gegründetes europäisches Folk-Ensemble und ein Literaturfestival, das den Geschichtenschatz europäischer Länder erlebbar machen soll. Die Kirchen beteiligen sich mit einem "Glockenprojekt" am Kulturerbejahr, das auf die Tradition des Läutens aufmerksam machen will.

pr/nf (dpa, epd) | Deutsche Welle


Jean Dubuffet: "Jardin d'émail": Skulpturenpark Kröller-Müller-Museum Otterlo, Niederlande | youtube


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tja - da jammert man allerorten, dass zu wenig geld für die "kultur" da ist. denn wenn es etwas in den budgets zu kürzen gibt, dann bietet sich mit als erstes ja oft das theater an, die musikschule, und die zuschüsse für kulturelle veranstaltungen werden gestrichen und und und ...

aber dann verkündet die €U ein "europäisches kulturerbejahr" für 2018 - ausgestattet mit einem ordentlichen etat - aber dann scheint es - wenigstens für den "welt"-rezensenten der eröffnungsveranstaltung in hamburg mit staatsministerin monika grütters - auch wieder nicht "richtig" - in seinem sinne - rüberzukommen. 

1000 veranstaltungen werden unter diesem label "sharing heritage" in deutschland mit einem zuschuss von 7,2 millionen gefördert - aber der welt-autor meint unter der überschrift:"vielfältig sind wir stark, nicht gemeinsam" ... (!) nur müde lächelnd: "was in hamburg zu hören war, [siehe oben] waren hohl klingende proklamationen. was folgen muss, ist die umsetzung". 

er bekrittelt auch das englische "sharing heritage" als titel in einer europaweiten veranstaltungsreihe und möchte die deutsche sprache hier erhalten wissen - und über einen grafischen gag im logo, wo man die "dachschrägen" der A-versalien (siehe Abb.), die diagonal übereinanderstehen, mit einem kühnen und kecken strich verbunden hat, mokiert sich der autor als eine für ihn "unverständliche metapher", da so das logo ja überall "durchgestrichen" sei ... - 

sehen sie selbst: das "durchgestrichene" und "undeutsche" logo zum "europäischen (!) kulturerbejahr 2018"


ja - lieber welt-rezensent - - manchen kann man es nie recht machen - da kann ich nur mit irgendetwas schütteln - und wenn es der kopf ist: tempus fugit | zeit vergeht - und nichts ist so beständig wie der wandel ... - 

aber ich muss für die "welt" auch noch ein gutes wort einlegen - hat sie doch für das "kulturerbejahr" auch einen großartigen artikel von placido domingo abgedruckt ... S!

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Salvator Mundi - aus der Werkstatt von Leonardo da Vinci


DAS KULTURERBEJAHR AUS DER SICHT VON 
PLACIDO DOMINGO

Europa – eine große kulturelle Gemeinschaft

Von Plácido Domingo | welt.de

Ohne Kultur wäre das europäische Projekt ein seelenloses Unterfangen, ist Startenor Plácido Domingo überzeugt und beschreibt in diesem Artikel, was „Einheit in der Vielfalt“ für ihn bedeutet.

Deutschland feiert heute den offiziellen Beginn des Europäischen Kulturerbejahres. Dieses Europäische Jahr ist eine wichtige Etappe für Europa, sowohl für seine Bürger als auch für seine Institutionen. Warum? Weil es uns Europäern die Möglichkeit bietet, das wahrhaft europäische Wesen unserer Kultur, die in unserem gemeinsamen Erbe und unserer Geschichte verankert ist, zu entdecken, ja wiederzuentdecken.

Wir müssen dieses gemeinsame kulturelle Erbe als eine stabile Brücke zwischen allen Europäern nutzen, als Ausdruck unserer gemeinsamen Werte. Diese „Einheit in der Vielfalt“ unserer Kultur und Identität ist keine Schwäche, sondern Europas größte Stärke. Aus ihr kann Europa schöpfen, wenn es mehr Nachhaltigkeit, stärkeren Zusammenhalt und mehr soziale Gerechtigkeit schaffen will. Ein Europa, das offen ist für den kreativen Austausch und den Dialog mit anderen Kulturen der Welt.



Die «Sixtinische Madonna» (Mitte) von Raffael (Raffaello Santi) ist eine Ikone und ein Sinnbild des europäischen Kulturerbes.
Quelle: DIE WELT | picture alliance / Arno Burgi/dp





Europa als Ganzes betrachten

Wenn Sie möchten, erzähle ich Ihnen, was es für mich bedeutet, Europäer zu sein und sich als Europäer zu fühlen. Ich wurde in Spanien geboren, wuchs aber in Mexiko auf und verbrachte die prägenden Jahre überwiegend außerhalb Europas. Dies eröffnete mir einen anderen Blickwinkel. Europa betrachtete ich eher als etwas Ganzes, nicht nur als bloße Ansammlung verschiedener Nationalstaaten.

Für mich war Europa immer eine große kulturelle Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft aus Ländern, Völkern und Kulturen, die viel mehr Gemeinsamkeiten hatten, als ihnen selbst bewusst war. Für mich klingt dieses gemeinsame Erbe wie eine bezaubernde „Variation eines Themas“, das auf der Grundlage vieler verschiedener Kulturen, die sich gegenseitig inspiriert haben, komponiert wurde. Sie sind miteinander verwoben und lassen sich nicht voneinander trennen. Diese „Variationen eines europäischen Themas“ sind das Produkt von Jahrhunderten, wenn nicht gar Jahrtausenden von Interaktionen über Zeit und Raum zwischen so vielen Völkern und so vielen Gemeinschaften.

Starke geschichtliche und kulturelle Bande

Unter all unserer bunten Vielfalt schlägt ein warmes europäisches Herz. Heute ist dieses kulturelle Erbe Teil der DNA Europas. Unsere Kultur ist es, die Europa zu Europa macht! Sie erzählt unsere Geschichte, die Geschichte von uns Europäern, mit unseren reichen, vielschichtigen Identitäten: lokal, regional, national und europäisch.

Doch wir dürfen dabei nicht vergessen, dass derart starke Gefühle der Zugehörigkeit zu einer größeren europäischen Gemeinschaft nie von allen Europäern vorbehaltlos geteilt wurden. Deshalb muss es uns ein vordringliches Anliegen sein, die Menschen dafür zu sensibilisieren, welche starken geschichtlichen und kulturellen Bande zwischen den Menschen in Europa und seinen Städten und Ländern bestehen und dass diese Bande die wahre Grundlage für den fortwährenden Prozess der europäischen Integration sind.

Lehren aus der Geschichte ziehen

Tun wir dies nicht, wird es uns nicht gelingen, unsere Gesellschaften gegen unterschiedliche Arten von Populisten und Nationalisten zu verteidigen, die allzu oft und vor allem heute versuchen, Europa in die falsche Richtung zu lenken, geleitet von lokalen und persönlichen Interessen, die sie über eine gemeinsame Vision und ein gemeinsames Ziel stellen.

Wie so viele Europäer wurde ich in eine Diktatur hineingeboren. Das hat mich gelehrt, Freiheit, Menschenrechte, Gerechtigkeit, Offenheit und Demokratie zu schätzen. Europa sollte der Kontinent sein, der Lehren aus der Geschichte zieht, und nicht der Kontinent, der Fehler wiederholt. Ich glaube fest daran, dass dies möglich ist. Einhundert Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs steht Europa erneut an einem Scheideweg.

Europa durch die Kultur wiederbeleben

Europa ist so viel mehr als nur eine geografische Einheit, mehr als eine Wirtschaftspartnerschaft oder ein Militärbündnis. Ich bin überzeugt davon, dass es unsere gemeinsame Kultur ist, die uns als Europäer ausmacht. Ohne die Kultur ist das europäische Projekt ein seelenloses Unterfangen. In unserer heutigen fordernden Zeit ist es daher umso wichtiger zu erkennen, dass das europäische Projekt unsere gemeinsame Kultur zu seinem Herzstück machen muss. „Recommençons aussi par la culture“ (Lasst uns die Kultur für einen Neustart nutzen), drängte der französische Präsident Macron in seiner visionären Rede zu Europa, die er im September an einem sehr symbolischen Ort, der Pnyx in Athen, gehalten hat.

Lob gilt der sich anschließenden gemeinsamen Initiative der französischen Kulturministerin Nyssen und der deutschen Kulturstaatsministerin Grütters, auf der Frankfurter Buchmesse 2017 darüber zu diskutieren, wie sich Europa mithilfe der Kultur wiederbeleben ließe. Das Europäische Kulturerbejahr ist die ideale Plattform, um dieses Vorhaben in Gang zu bringen und die Kultur in der aktuellen Debatte über die Zukunft Europas stärker in den Mittelpunkt zu rücken.

Erinnerung zu zerstören ist ein Verbrechen

Wir leben in einer Zeit großer Umbrüche, und unser kulturelles Erbe ist unser verlässlicher Anker in einer instabilen und unberechenbaren Welt. Darum müssen wir unser Erbe, das uns von vielen Generationen unserer Vorfahren übereignet wurde, mit angemessenem Respekt und Sorgfalt behandeln. Wir müssen es vor den verschiedensten unkontrollierten und nicht nachhaltigen Entwicklungen schützen, genauso wie vor ernsten Umweltgefahren. Wir müssen dafür sorgen, dass künftige Generationen – ebenso wie wir heute – in den Genuss ihres Rechts auf dieses Erbe kommen.

Wir müssen unsere Stimme auch erheben, wann immer Kulturerbe zum willkürlichen Ziel von Zerstörung in beklagenswerten Konflikten oder Kriegen wird. Angriffe auf die Erinnerung sind ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und wir müssen die Erinnerung davor bewahren und solche Angriffe vehement verurteilen. Ich glaube, dass das Erbe genauso viel mit unserer Vergangenheit zu tun hat wie mit unserer Zukunft. Europa Nostra verfolgt daher einen ganzheitlichen und zukunftsorientierten Ansatz im Umgang mit unserem materiellen und immateriellen Erbe.

Politisches Momentum in Handeln übertragen

Dieses Erbe ist für unsere Identität und unser Zugehörigkeitsgefühl von entscheidender Bedeutung. Es ist darüber hinaus auch eine besonders wichtige Ressource für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen in Europa und weltweit. Daher begrüße ich so nachdrücklich die Initiative von Donald Tusk, dem Präsidenten des Europäischen Rates, der auf dem Sozialgipfel in Göteborg im November 2017 die erste Diskussion überhaupt zwischen den EU-Führungsspitzen zur Rolle von Bildung und Kultur für die Zukunft Europas angeregt hatte. In wegweisenden Schlussfolgerungen vom 14./15. Dezember 2017 hat der Europäische Rat sich dazu bekannt.

Das Europäische Kulturerbejahr, das gerade erst begonnen hat, bietet uns nun eine ideale Möglichkeit, dieses politische Momentum in konkretes Handeln zu übertragen. Genau aus diesem Grund sind Europa Nostra und viele andere staatliche wie private Kulturerbe-Organisationen Verfechter einer ehrgeizigen EU-Agenda und eines Aktionsplans für das kulturelle Erbe.

Echte Renaissance der Kultur und Bildung

Eine solche europäische Kulturerbe-Agenda sollte unsere gemeinsame Wahrnehmung von Geschichte und Identität bestärken, sollte zusätzliche finanzielle Unterstützung leisten für Erhalt, Weiternutzung, Verwaltung, Förderung und Digitalisierung von Europas vielfach gefährdetem kulturellen Erbe, sollte neue lohnenswerte Arbeitsplätze vor allem für unsere Jugend schaffen. Eine echte Renaissance der Kultur und der Bildung anzustreben und das Europäische Kulturerbejahr dafür zu nutzen – was hindert uns daran?

Es wird ein Jahr werden voller aufregender und innovativer Aktivitäten, organisiert von Tausenden von Kulturerbe-Organisationen überall in Europa, von zahllosen staatlichen und privaten Eigentümern und Verwaltern historischer Sehenswürdigkeiten in ganz Europa. Einer der Höhepunkte des Jahres wird der europäische Kulturerbe-Gipfel sein, der unter dem Motto „Gemeinsames Erbe – Gemeinsame Werte“ (Sharing Heritage – Sharing Values) vom 18. bis 24. Juni 2018 in Berlin stattfinden wird.

Über Bedeutung des Kulturerbes diskutieren

Zu den Organisatoren gehören unter anderem Europa Nostra, das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Viele europäische Führungsspitzen aus staatlichen Institutionen und zivilgesellschaftlichen Organisationen werden auf diesem Kulturerbe-Gipfel zusammenkommen, um über die zentrale Bedeutung unseres kulturellen Erbes für die Zukunft Europas zu diskutieren.

Mir wird die große Ehre zuteil werden, gemeinsam mit den höchsten Vertretern der EU-Institutionen anlässlich der Verleihung des Preises der Europäischen Union für das Kulturerbe am 22. Juni 2018 die wahren „Schutzengel“ unseres Erbes – Frauen und Männer aus allen Teilen Europas – zu ehren. Wir freuen uns, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Teilnahme zugesagt hat und auch andere führende europäische Politiker ebenfalls in Berlin zu Gast sein werden.

Größtes Geschenk an die Welt

Unser kulturelles Erbe ist Europas größtes Geschenk an die Welt. Lassen Sie uns dieses Erbe feiern und gemeinsam erleben, erkunden und genießen. Lassen Sie es uns gemeinsam behüten und achten! Nutzen wir es als Inspirationsquelle für neues Schaffen und neue Beziehungen! Europa Nostra und ich hoffen, dass möglichst viele Europäer diese wichtigen Botschaften weitertragen und sich aktiv an diesem gerade erst eingeläuteten Europäischen Kulturerbejahr beteiligen werden.

Der Autor:  
Plácido Domingo ist seit 2010 Präsident der Organisation Europa Nostra, der Stimme des kulturellen Erbes in Europa. Weltweit berühmt wurde er als Opernsänger. Die internationale Karriere des 1941 in Spanien geborenen und später in Mexiko aufgewachsenen Künstlers begann 1966 mit seinem Debüt an der New York City Opera. Seither ist er an allen großen Opernhäusern der Welt aufgetreten. Er ist auch als Dirigent tätig. Für sein künstlerisches Wirken erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen.


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Julian Schnabel mag große Formate - und das Malen im Freien, denn das Licht ist dort so hell und erbarmungslos: Was im Freien bestehen kann, kann es in Innenräumen dann auch, meint er. (Foto: Porfirio Munoz)





Groß, größer, Schnabel

Neu im Kino: Pappi Corsicato porträtiert den US-Maler, Filmemacher und Exzentriker Julian Schnabel. Die Hommage ist etwas oberflächlich, aber unterhaltsam

Von Anke Groenewold

"Vielleicht mag ich ihn, weil ich ihn nicht verstehe", sagt der Drehbuchautor Jean-Claude Carrière über den Maler Julian Schnabel. "Er ist eine der rätselhaftesten Personen, die ich kenne." Diese Sätze fallen in Pappi Corsicatos Filmporträt des amerikanischen Malers und Regisseurs Julian Schnabel. 

Das Rätsel Schnabel vermag Corsicato, der mit dem Maler befreundet ist, auch nicht zu lösen. Sein Film ist eine flott geschnittene Hommage. Eine tiefer gehende Analyse des Phänomens Julian Schnabel fehlt, Kritisches ebenso.

Der Regisseur holt neben Schnabel dessen Schwester, zwei Ex-Ehefrauen, mehrere seiner Kinder und Prominente wie die Schauspieler Al Pacino, Willem Dafoe, die Musiker Laurie Anderson und Bono oder den Künstler Jeff Koons vor die Kamera. Sie alle singen Loblieder auf den Mann, der mit seiner ersten Ausstellung 1979 schlagartig zum Star der New Yorker Kunstszene aufstieg, aber auch kontrovers diskutiert wurde. 

"Er ist überlebensgroß", sagt der Regisseur Héctor Babenco über Schnabel. Ein Satz, der immer wieder in dem Film zu hören ist. Denn was das Überlebensgroße diese 1951 in New York geborenen Malers und Filmregisseurs ("Schmetterling und Taucherglocke", "Basquiat") jenseits seiner gigantischen Bilder und seines exzentrischen Lebensstils ist, kann Corsicato in seinem stilistisch biederen, flatterhaften Film nicht wirklich vermitteln. Dazu fehlen ihm Ruhe, Fokus, vor allem aber Distanz und eine echte Auseinandersetzung mit der Kunst und den Geschichten hinter den Bildern. Dennoch: Der Film ist materialreich, unterhaltsam und macht neugierig auf dieses Multitalent. 

Schnabel beim Malen zuzusehen, ist reizvoll. Zum Beispiel, wenn er unter freiem Himmel farbgetränkte Lappen auf gigantische Leinwände schleudert und am Ende selbst vor Farbe trieft. Oder wenn er eins seiner Tellerbilder malt. Leider hält sich Corsicato nie lange bei der Kunst auf. Die Gemälde Schnabels rauschen so schnell vorbei, dass man zwar viel zu schauen bekommt, aber am Ende das Gefühl hat, nichts wirklich gesehen zu haben. 

"Als ich jung war, wollte ich ein großer Künstler werden", erklärt Schnabel, der als Sohn jüdischer Einwanderer 1959 in New York geboren wurde, zunächst in Brooklyn aufwuchs und später ins ländliche Texas umsiedelte. Seine Tochter Lola sagt einen Schlüsselsatz: "Er sagte immer zu mir, dass Kunst zu erschaffen ein Fluchtweg aus der Realität ist - sie wird dich vor allem retten." Wovor das Allheilmittel Schnabel rettet, bleibt vage. Der Künstler selbst deutet private Krisen an - gescheiterte Beziehungen etwa, bei denen er den Sänger Lou Reed als mütterlich sorgenden Vertrauten an seiner Seite hatte. Aber der 66-Jährige lässt sich in den recht knapp geratenen Gesprächen mit Corsicato nur bedingt in die Seele schauen, etwa wenn er verrät: "Ich bin nicht gern allein."

Schnabel hat sich seine eigene Welt erschaffen. Er inszeniert sich als barocker Malerfürst in Seidenpyjamas, baute sich in New York einen rosaroten, protzigen venezianischen Palazzo. "Er machte immer nur das, was er wollte", sagt seine Schwester Andrea Fassler über Schnabels behütete Kindheit. Nichts scheint unmöglich für dieses selbstbewusste Energiebündel, sein Umfeld lobt ehrfürchtig seine Energie und Willensstärke. In Bologna wollte man ihm mal den Schlüssel der Stadt überreichen. Den wies er zurück, forderte vom Bürgermeister statt dessen die ausgeblichenen Vorhänge des Rathauses für seine Kunst - und bekam sie, erklärt Julian Schnabel freudestrahlend. 

"Er machte immer diese übertriebenen Aussagen", erinnert sich die Galeristin Mary Boone, die als Erste seine Werke ausstellte, "aber die meisten wurden wahr" . 

Den schrägsten Satz des Films sagt sein Sohn, der Kunsthändler Vito Schnabel, der mal mit Model Heidi Klum liiert war: "Er ist einer der letzten Künstler, die ihre Werke wirklich noch selbst malen."


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Film und Ausstellung 
Der Film "Julian Schnabel: A Private Portrait" läuft in Programm-Kinos bundesweit  
Originale von Julian Schnabel stellt zurzeit die Galerie Samuelis Baumgarte in Bielefeld aus. Noch bis 3. Februar sind dort Arbeiten aus den Jahren 1991 bis 2016 zu sehen.  
Neben Gemälden wie dem großflächigen "Untitled (Chinese Painting)" aus dem Jahr 2008, das die große Ausstellungshalle dominiert, sind mehr als 30 grafische Werke zu sehen. 
Die Galerie am Niederwall 10 ist geöffnet von Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr und am Samstag von 10 bis 14 Uhr.  
© 2018 Neue Westfälische, Donnerstag 11. Januar 2018




ich lernte den namen julian schnabel zunächst als filmemacher kennen: "basquiat", 1996, über den von mir verehrten wilden jung verstorbenen künstler jean-michel basquiat, mit dem er befreundet war, und den er deshalb sehr hautnah porträtieren konnte.

in diesem film "a private portrait" nun lässt auch der bildende "groß"-künstler julian schnabel den regisseur pappi corsicato ebenso nahe heran an sich, denn schnabel bleibt ansonsten eben gern etwas exzentristisch in übervornehmer distanz - trotz all der "größe", die er selbst und seine werke mit ihm ausstrahlen.

wenn ich etwas von ihm sehe und ihn höre - und seine vorliebe für seidene pyjamas, die er in verschiedenen ausführungen am liebsten immer trägt - so erinnert mich das stark an salvador dali - und bei mir macht es dann den inneren click: julian schnabel - als "wiedergänger" von dali ...

natürlich anders und im künstlerischen stil mit der zeit mitgegangen: aber wenn ich z.b. seine arbeit "untitled (dom zu köln)" 2016, anschaue, die er für die grafik-edition des kölner stadt-anzeigers schuf, dann macht es wieder diesen click hin zu dali:  ausgangspunkt seiner überarbeitung bildet dabei ein original schulwandbild, wie es ursprünglich für lehrzwecke bis in die 1950er jahre hergestellt wurde.



in dieser übermalung spielt das gestisch-expressive in seiner pinselführung eine ebenso entscheidende rolle wie die zufälligkeit des farbabdrucks, den ein in farbe getränkter lappen auf der bildoberfläche hinterlassen hat. diese spannung, einen altmeisterlichen aber mittlerweile vergammelten stich mit figuration und abstraktion in ein neues anderes und plötzlich zeitgenössisches kunstwerk zu verwandeln, ist mit "einfachen" mitteln hervorragend gelungen ... 

sein fiktionaler fast surrealistischer gestus macht dieses werk zu einer komposition, in der schnabel vor allem das bleibende aufsteigend metaphysische in und über der vergehenden materie sichtbar macht. - S!

klamauk

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Riesenlutscher: Die Skulptur "Tulpenstrauß" von Jeff Koons, hier aufgenommen in Bilbao, ist für Paris heftig umstritten. Foto: DPA





Ein vergiftetes Geschenk
  • Umstritten: US-Starkünstler Jeff Koons will Paris eine Riesenskulptur zum Gedenken an die Terroranschläge schenken. 
  • Doch das Geschenk wollen viele gar nicht haben

Von Sabine Glaubitz

Paris. Die bunte Plastik ist über elf Meter hoch, wiegt rund 30 Tonnen und heißt "Tulpenstrauß". Die Riesenskulptur ist ein Geschenk des amerikanischen Starkünstlers Jeff Koons an die Stadt Paris in Gedenken an die Opfer der Terroranschläge vom November 2015. 

Doch statt ein Zeichen der Solidarität zu sein, wird das Kunstwerk zu einem vergifteten Geschenk. Denn die Kritik an dem Projekt, das die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo als "unwiderrufliche Verbundenheit zwischen Paris und Amerika" begrüßte, wird immer lauter. Das Projekt sei aus verschiedenen Gründen schockierend, meinen Prominente aus der Kulturszene, darunter der Regisseur Olivier Assayas, der Installationskünstler Christian Boltanski und Frankreichs Ex-Kulturminister Frédéric Mitterrand.

In einer kürzlich erschienenen Kolumne der Tageszeitung Libération stellten sie die Absicht des Projekts in Frage: Koons sei das Symbol einer industriellen, spektakulären und spekulativen Kunst geworden, sein Atelier und seine Händler multinationale Luxus-Unternehmen.

Damit schließen sie sich der Kritik zahlreicher anderer an, wie dem Galeristen Stéphane Corréard, der in dem Geschenk versteckte Werbung für Koons sieht. Er vermutet, dass für den teuersten zeitgenössischen Künstler der Welt und seine Sammler das Projekt die Gelegenheit sei, dessen Marktwert zu steigern. Corréard, der als Experte für zeitgenössische Kunst gilt, hat unter dem Titel "Nein zum Tulpenstrauß von Koons an Paris" eine Petition gegen das Projekt gestartet.

Ein weiteres Ärgernis stellt der Ort dar, an dem die Skulptur aufgestellt werden soll. Vorgesehen ist der bekannte Vorplatz zwischen dem Palais de Tokyo, einem Ausstellungsort für junge Künstler, und dem Museum für moderne Kunst der Stadt Paris. Ein Ort, der keinerlei Bezug zu den Terroranschlägen vom 13. November 2015 habe, wie die Gegner des Projekts einstimmig bemängeln. Die Angriffe vor etwas mehr als zwei Jahren galten dem Fußballstadion Stade de France, dem Konzerthaus Bataclan sowie verschiedenen Bars und Restaurants.

Um die Lage zu beruhigen, sollen Koons andere Orte in Paris vorgeschlagen worden sein, doch der 63-Jährige scheint auf dem Vorplatz zu beharren. Warum, kann man leicht erahnen. Von hier aus wird sein Werk von allen Seiten bestens zu sehen sein, den herrlichen Blick auf den Eiffelturm und die Seine hingegen dürfte es völlig versperren. Die Plastik aus Stahl und Bronze soll im Frühjahr errichtet werden.

Auch Anwohner der beiden Museen, die sich im schicken 16. Arrondissement der Hauptstadt befinden, stehen der Riesenskulptur, die eine Hand mit Tulpen abbilden soll, kritisch gegenüber. Das seien riesige Lutscher, kommentierten einige das Projekt, das ihnen Journalisten des französischen Radiosenders "Europe 1" zeigten. Andere sahen darin merkwürdige Ballone. Schön fand die Plastik kaum jemand.

Und noch etwas erregt die Gemüter. Die auf rund drei Millionen Euro geschätzten Herstellungskosten werden vom "Fonds de Paris" finanziert. Der 2015 auf Initiative der Stadt gegründete Fonds dient dazu, für die unterschiedlichsten Projekte Mäzene zu finden. Koons steuert somit nur den Entwurf bei.

Für die Kunstkritikerin Isabel Pasquier ist so etwas kein Geschenk. Jeff Koons sei ein Geschäftsmann. Man habe schnell verstanden, dass es eher Koons ist, der sich Paris zum Geschenk mache, sagte sie der Monatszeitschrift Artforum.

Die Idee zu diesem Projekt geht auf die damalige amerikanische Botschafterin in Paris zurück, Jane D. Hartley. Sie habe sich an die Solidaritätsbekundungen nach den schrecklichen Anschlägen am 11. September 2001 in New York erinnert, erklärte sie auf einer Pressekonferenz Ende November vergangenen Jahres. Sie wollte, dass Amerika nun seinerseits eine Geste an das französische Volk mache.

Der Künstler und sein Werk 
Jeff Koons wurde am 21. Januar 1955 in York, Pennsylvania, geboren. 
Koons verwendet Zeugnisse der Konsumkultur als Ausgangspunkte und verfremdet oder imitiert sie.
Er bearbeitete so auch Objekte aus der Alltagskunst und der Werbung, greift wie letztere immer wieder auf sexuelle und andere Schlüsselreize zurück.  
Seine Kunstwerke wandeln aufgrund ihrer ironisierenden Wirkung zwischen Kitsch und Kunst.
Seit dem 12. November 2013 gilt der Amerikaner mit der Versteigerung eines Balloon Dogs (Orange) für 58,4 Millionen US-Dollar im New Yorker Auktionshaus Christie?s als der teuerste lebende Künstler der Welt. (wikipedia)

© 2018 Neue Westfälische
03 - Bielefeld Süd, Samstag 27. Januar 2018

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also - ich tue mich schwer, koons industriegefertigte riesenfabrikate noch als "kunst" zu bezeichnen ... dahinter steckt ja nicht einmal mehr ein raffiniertes design ... - selbst die entwürfe entstehen in ingenieurgeführten zeichenbüros mit einem haufen angestellter grafiker und technischer zeichner - und diese luftballon-ähnlichen riesengebilde bestechen eher durch ihre grelle bonbon-farbigkeit als durch schönheit ... - wenigstens geht es mir so ...

vor ein paar wochen hat die "welt" eine ausgabe von koons gestalten lassen: heraus kam dabei ein leidlich dekoriertes sammelsurium von längst weltbekannten "ikonen" verschiedener allseits bekannter künstler - und was daran die leistung von koons war, blieb mir schleierhaft ... - jeder kunststudent im ersten semester hätte das besser hinbekommen ...

ich schrieb dazu eine stellungnahme an die welt:
... da schreibt man: "statt, wie vor ihm georg baselitz, ellsworth kelly, gerhard richter, neo rauch, cindy sherman, julian schnabel und isa genzken, die eigenen werke vorzustellen, ruft jeff koons seine hehren ahnen auf." ... okay - wenn die "welt" damit zufrieden ist - aber ich habe eher den eindruck, als habe koons handwerklich auch nicht soooo viel zu bieten (teuer hin - und teuer her) ... ich finde koons "moderiert" eher kunst - als dass er sie schafft - womöglich noch mit "blut, schweiß und tränen" ... (dafür hat er ja eben 100 angestellte in seinen alteliers) ...ein fitter kunsthistoriker-student hätte ihnen diese ausgabe auch - und vielleicht besser zusammengestellt - allerdings hätte der sich vielleicht nicht getraut, gustave courbets, "der ursprung der welt"von 1866 einzufügen - aber vielleicht soll das ja die gender-diskussionen anheizen ...und der student wäre allemal preiswerter gewesen als jeff koons - und zum sammeln eignet sich diese ausgabe nun mal gar nicht, auf ein exemplar ihrer 50 vorabdrucke mit autogramm kann ich getrost verzichten ...
vielleicht ist das wort "scharlatan" zu hart für ihn - aber echt "handwerklich" und gestalterisch hat er soooooviel nicht drauf ...

warum nun diese bunten dauerlutscher angemessen sein sollen für das gedenken an die anschläge von paris bleibt mir schleierhaft: für mich ist das eher kommerzielles "verdrängen" als angemessene gedenkkultur ... - S!

dekadenz in reinkultur: goldklo statt schnee

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STATT VAN-GOGH-GEMÄLDE

Museum bietet Trump 
goldene Toilette an

Van Goghs Gemälde „Landschaft im Schnee“ sollte während der Amtszeit Donald Trumps das Weiße Haus schmücken. Doch die Museumskuratorin – und bekennende Trump-Kritikerin – hatte anderen Pläne für die Dekoration.

Eigentlich sollte ein Gemälde von Vincent van Gogh die Privaträume von US-Präsident Donald Trump und seiner Ehefrau Melania im Weißen Haus schmücken. Daraus wurde jedoch nichts: Stattdessen bot das Guggenheim Museum in New York dem Präsidentenpaar eine voll funktionsfähige 18-Karat-Goldtoilette an, wie die „Washington Post“ berichtete. Sie hoffe, „dieses besondere Angebot möge von Interesse sein“, schrieb die Chefkuratorin des Museums demnach in einer E-Mail.

Das Weiße Haus hatte das bekannte Van-Gogh-Gemälde „Landschaft im Schnee“ als Leihgabe angefordert – ein durchaus üblicher Vorgang für US-Präsidenten während ihrer Amtszeit.

Van Goghs Gemälde "Landschaft im Schnee" - Guggenheim-Museum


Leider könne das Museum dem ursprünglichen Wunsch nicht nachkommen, erklärte die bekennende Trump-Kritikerin Nancy Spector aber laut „Washington Post“ in ihrer Antwort an das Weiße Haus. Das gewünschte Gemälde sei nur zu ganz besonderen Anlässen für den Transport zugelassen.

Deutlicher Seitenhieb gegen den Präsidenten

Bei dem als Alternative angebotenen Kunstwerk „America“ handelt es sich um ein glänzendes goldenes Klosett des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan, das fast ein ganzes Jahr in einer Toilette des Guggenheim Museums ausgestellt war. Spector bot dem Weißen Haus an, Anweisungen für die Installation und Pflege des „extrem wertvollen und etwas zerbrechlichen“ Stücks mitzuliefern.

Maurizio Cattelans Werk "America” ist eine voll funktionierende, goldene Toilette


Das Museum wollte auf Anfrage keine weiteren Angaben zu dem Angebot machen. Im August hatte Spector die Toilette noch als Metapher „für die Auswüchse des Wohlstands“ bezeichnet. Die Assoziation zwischen Trump, dessen Penthouse in Manhattan berüchtigt für seine ausschweifende goldfarbene Einrichtung ist, und einer goldenen Toilette ist offensichtlich.

AFP/cba/ith
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so um die 50 mio.

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PICASSO-AUKTION
Hungrig nach Rekorden
Nach Rekordauktionen im vergangenen Jahr, giert der Kunstmarkt nach neuen Erfolgen: Warum das Porträt einer Frau mit Baskenmütze nun besonders große Erwartungen schürt.

Von Marcus Woeller |welt.edition





Lange in Privatbesitz, jetzt frisch auf dem Markt: Sotheby’s versteigert „Femme au béret et à la robe quadrillée (Marie-Thérèse Walter)“, gemalt von Pablo Picasso am 4. Dezember 1937
Copyright: Sotheby´s | Quelle: welt|edition

Sucht man bei diesem Auktionsobjekt den Schätzpreis, heißt es diskret: „estimate on request“. Nur auf Anfrage. Auf Anfrage des interessierten Kunden, versteht sich. Aber wie es manchmal ist bei Dingen, die so auffällig unauffällig bleiben sollen, war auch der Schätzpreis von Sotheby’s für Pablo Picassos „Femme au béret et à la robe quadrillée“ (Marie-Thérèse Walter) bald im Umlauf. Bei rund 50 Millionen Dollar soll er liegen. Da kann das Auktionshaus schon mal auf den sonst üblichen Rahmen zwischen unterer und oberer Schätzung verzichten. Ist schließlich eine schöne runde Zahl für das erste Toplos des Jahres 2018.

Man kann davon ausgehen, dass ein höherer Zuschlagspreis nicht nur erhofft, sondern auch erwartet wird. Immerhin war das Jahr 2017 nach einer kleinen Delle im Auktionsmarkt der beiden vorangegangenen Jahre mit einem unerhörten Paukenschlag zu Ende gegangen. Das Gemälde „Salvator Mundi“ von Leonardo da Vinci hatte nicht nur den Weltrekord auf ein völlig neues Maß gesetzt (Hammerpreis 400 Millionen Dollar plus 50 Millionen Aufgeld). Bei der Auktion hatte es auch einen langen Bieterwettstreit gegeben.

Das bedeutet: Die 350 Millionen, die der unterlegene Bieter geboten hatte, müssen ebenfalls unter irgendeinem Kopfkissen in Asien, im Tresor eines Scheichs oder auf einem Offshore-Konto in Panama gelegen haben. Genug Geld ist jedenfalls da. Das errechnet auch der aktuelle Ungleichheitsbericht der Hilfsorganisation Oxfam, demzufolge die 42 reichsten Menschen der Welt so viel besitzen wie die 3,7 Milliarden Menschen der ärmeren Hälfte zusammen. Was den High-End-Kunstmarkt aber auch im neuen Jahr beflügeln dürfte, ist die Annahme, dass dieses Vermögen bei vielen Superreichen offenbar weiterhin liquide ist.

Wie Christie’s den Leonardo, schickt nun Sotheby’s den Picasso erst einmal auf Weltreise. Hongkong und New York sind da gewohnte Stationen. Das markante Frauenporträt wird aber auch für ein Wochenende in Taipeh gezeigt. Der „in aller Welt große Appetit auf Picassos Werke“, wie es Helena Newman von Sotheby’s ausdrückt, wird also konkret auch in der Republik China auf Taiwan vermutet. Aufgerufen wird das Bild dann in der Abendauktion impressionistischer und moderner Kunst am 28. Februar in London.

Es gibt gute Gründe, warum ein derart großes Vertrauen in das Gemälde gesetzt wird. Marktfrische ist ein typischer Ausdruck des Versteigerungsgeschäfts, gerade so als ginge es hier um leicht verderbliche Waren wie Miesmuscheln oder Kalbsnierchen. Aber Marktfrische, die hohe Schätzwerte rechtfertigt, ist hier mehr als gegeben. Denn das Bild wurde noch nie auf einer Auktion angeboten. Mehr noch, Picasso wollte es bis zu seinem Lebensende nicht einmal herausrücken, ist es doch ein gemaltes Stück Erinnerung. Es markiert das Ende seiner langen Liebesaffäre mit Marie-Thérèse Walter. Nach dem Tod Picassos im Jahr 1973 verschwand es zudem in einer Privatsammlung und wurde nur selten als Leihgabe in Ausstellungen gegeben.

Aber zurück in die Gegenwart: Bis der Renaissancemeister Leonardo dem berühmtesten Künstler des 20. Jahrhunderts in die Quere kam, stammte das bis Mai 2015 teuerste auf einer Auktion verkaufte Kunstwerk nämlich von Picasso. Bei 160 Millionen Dollar fiel damals der Hammer für „Les femmes d’Alger (Version ‚O‘)“ aus dem Jahr 1955, knapp 20 Millionen an Gebühren kamen für den erfolgreichen Bieter noch obendrauf. 15 Mal hatte Picasso das Motiv gemalt, diese Variante war eine der besten und exemplarisch für die kraftvolle Spätphase des Malers, die alle seiner künstlerischen Errungenschaften sozusagen bündelte.

Die „Femme au béret“ steht wieder für ein kunsthistorisches Finale: Picasso hat viele Stile entwickelt oder beeinflusst, der Kubismus aber war sein wichtigster. Und mit diesem Porträt ist der Kubismus in seinen vielen Spielarten in höchster Qualität auserzählt. Es ist ein herausragendes Gemälde in Picassos großem Werk und gehört in ein Museum, aber gerade deshalb ist es Ansporn, von einem Sammler in sein Privatissimum eingeschlossen zu werden.

Auch das Entstehungsjahr des Gemäldes ist ein wichtiger Gradmesser für den Schätzpreis. Es ist ein bisschen wie beim Wein, es gibt gute und weniger gute Jahrgänge. Und 1937er Picassos dürfen als Grand Cru gelten. In diesem politischen Schicksalsjahr hatte der Spanier sein Monumentalgemälde „Guernica“ geschaffen, das die Kriegsgewalt im Allgemeinen und die Zerstörung der gleichnamigen baskischen Kleinstadt im Spanischen Bürgerkrieg im Besonderen beklagt. Das Jahrhundertbild hängt im Museo Reina Sofia in Madrid.

In jenem Jahr wurde auch das gleichermaßen intime wie universelle Bild „La femme qui pleure“ gemalt, das seit 1987 der Tate Modern in London gehört. Die Tränen vergießende Allegorie der Trauer ist nämlich auch ein Porträt von Dora Maar, jener Nachfolgerin als Geliebter von Picasso, die manche Apologeten des Sotheby’s-Loses bereits im dunklen Schatten hinter Marie-Thérèse Walters Konterfei vermuten. Eine Auslegung, die Picasso selbst befeuerte: „Es muss schmerzhaft sein für ein Mädchen, aus einem Gemälde zu erfahren, dass sie gerade abserviert wird.“

Das ruppige Verhältnis zu seinen Musen, Freundinnen und Gemahlinnen mehrte aber nur Picassos Ruhm. Und wird als Kaufanreiz vermarktet: Von allen Stilen der vielen Schaffensjahrzehnte des Künstlers sei die „Frau mit Baskenmütze und kariertem Kleid“ das Gemälde, welches „das Vermächtnis Picassos als Porträtist von Frauen am meisten verkörpert“, erklärte Sotheby’s-Experte Thomas Bompard. „Es umfasst alle Schlüsselelemente, für die Picasso gefeiert wird.“

Besonders von asiatischen Sammlern, die unersättlich auf der Suche nach Meisterwerken der Kunstgeschichte sind und bereit, auch Summen auszugeben, die weit jenseits des Schätzpreises von 50 Millionen liegen. Das haben sie in den letzten Jahren immer wieder bewiesen.

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notizzettel

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WamS-notizzettel mit dem deutsch übersetzten "sexistischen" gomringer-gedicht

guten tag -

wie gesagt - als eingefleischter 68-er hätte ich es mir nie träumen lassen, mal eines tages meinen aufrichtigen dank an ein erzeugnis "dieser springer-presse" auszusprechen.

mein dank gilt der heutigen "welt am sonntag"-ausgabe und ihrem chefredakteur peter huth, der in einem klaren eindeutigen "editorial" das gomringer-gedicht nachhaltig verteidigt, das an der fassade der "alice salomon hochschule" in berlin im herbst übertüncht werden soll, weil aufgeregte und wohl sehr junge internet-verseuchte #shitstorm-opfer darin knapp mehrheitlich angeblich "sexistisch" konnotierte passagen glauben entdeckt zu haben.

und die hochschulverwaltung und der asta machen solchen unsinn mit - mitten in deutschland - in dieser zeit ...

peter huth sagt zu recht: 
Das ist, ganz einfach, ganz schlicht und ganz klar: absoluter Unsinn.

und ich habe das ja in einem langen und immer wieder ge-updateten post schon vor tagen ebenfalls festgestellt - und aus meiner sicht detailliert begründet.

mein dank gilt aber besonders auch der tollen, im wahrsten sinne "viel-fältigen" und irgendwie auch "stilechten" grafisch-typografischen aufbereitung dieses gedichttextes gomringers, einem text ja der "konkreten poesie" ...

die welt-grafiker haben durch die gesamte "welt am sonntag"-ausgabe hindurch immer wieder das gedicht von 1951 (! - der dichter eugen gomringer ist inwischen 93 jahre alt ...) in original-spanisch und auch in deutsch auf kleinen gelben notizzetteln handgeschrieben notiert und verteilt und "angepappt" ... - wohl ganz im sinne der tochter gomringers, die dazu eine seite auf instagram geschaltet hat ...

ich habe ein "welt"-electronic-abo (welt-plus gold) vor monaten abgeschlossen, um mich nicht als blogger nur von meinen "haus"-infos bis dato aus "spiegel", taz und "zeit" einlullen zu lassen ... 

und besonders gefällt mir auch die typografische aufmachung des "welt"-ensembles, das mit abstand für mich wenigstens gestalterisch führend ist in deutschland. als alter gelernter bleilettern-schriftsetzer kann ich dazu - meine ich - auch fundiert etwas sagen. in der rangfolge liegen für mich klar dahinter die "zeit", der "tagesspiegel", die f.a.z. - und dann - nach einer weile - erst der "spiegel" ... - alle anderen sind für mich, was die grafische aufbereitung angeht, nicht weiter besonders erwähnenswert... - S!


hier ahnt man vielleicht die rot gekennzeichneten gelben anpapp-notizzettel mit dem gedichttext durch die gesamte wams-ausgabe ...


EDITORIAL

Zwanzig Wörter lang ist der wichtigste Text in dieser WELT am SONNTAG-Ausgabe

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Von Peter Huth

Es sind nur zwanzig Wörter, in spanischer Sprache, geschrieben vom Schweizer Dichter Eugen Gomringer. 2011 erhielt er dafür den Poetik-Preis der Berliner Alice Salomon Hochschule, deren Fassade das Gedicht fortan schmückte.

Es ist kein politisches Gedicht.

Trotzdem sind diese zwanzig Wörter der wichtigste Text in dieser Ausgabe.

avenidas
avenidas y flores
flores
flores y mujeres
avenidas
avenidas y mujeres
avenidas y flores y mujeres y
un admirador

Dieses Gedicht – es beschreibt wohl die Frühlingsstimmung in einer spanischen oder lateinamerikanischen Metropole mit ihren Prachtboulevards und Blumenständen und flanierenden Frauen – wird übermalt, also ausgelöscht. So hat es der Akademische Senat der Hochschule entschieden, nachdem sich der Allgemeine Studentenausschuss (AStA) über den Text beschwert hatte.

Die Begründung: Das Gedicht sei sexistisch. Dadurch, dass ein Bewunderer („admirador“) in die Szene eingeführt wird, „reproduziere“ das Werk „nicht nur eine klassische patriarchale Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind, die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren, es erinnert zudem unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt sind“. So schrieb es der AStA in einem offenen Brief.

Das ist, ganz einfach, ganz schlicht und ganz klar: absoluter Unsinn.


der deutsch übersetzte text
Mit keinem Wort werden Frauen bei Gomringer zu Musen degradiert, nichts erinnert an sexuelle Belästigung, denen Frauen ausgesetzt sind. Dass eine solche Argumentation für diejenigen, die tatsächlich Missbrauch ausgesetzt sind, eine Verhöhnung ist, wird dabei vom hohen Ross des selbstzufriedenen Moralherrenreitertums nicht gesehen. Es geht hier nämlich nicht um Feminismus, nicht um das Brandmarken echter Probleme, um eine nachhaltige Veränderung zum Besseren.

Der Versuch, Sprache um jeden Preis zu politisieren, Kunst dadurch zu brechen und in ein Korsett aus Political Correctness zu stopfen, ist in Wirklichkeit ein Generalangriff auf unsere Kultur und damit auf unsere Freiheit.

Die vom AStA ausgelöste Farce, die quer durch alle politischen und publizistischen Lager auch als solche erkannt wurde, ist in dem Moment zur gefährlichen Tragödie geworden, als die Entscheidung fiel, das Gedicht auszumerzen. Wo Poesie unter Burkas aus Wandfarbe verschwindet, ist es keine Schariapolizei, die über Gut und Schlecht entscheidet, sondern die Sprachpolizei einer kleinen Minderheit von Tugendterroristen. Das eine wie das andere ist: Unterwerfung.

Ich wünschen Ihnen ein schönes Wochenende,

Ihr Peter Huth


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verzwickt

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Klaus-Stuttmann-Karikatur aus dem Tagesspiegel -
und S! fügt hinzu: vielleicht stehen auf beiden seiten deutsche leopard-panzer - deutschland müsste beiden ländern im angriffsfalle helfen ...

nochmal zum 27.01.: das familien-schweigen

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„Wer noch sagt: 
,Wehret den Anfängen’, 
begreift nichts“

Sigmar Gabriel ist Sohn eines Nazis. Michel Friedman ist Sohn verfolgter jüdischer Eltern. Nun haben beide in Berlin über angemessenes Holocaustgedenken diskutiert – und über den Umgang mit der AfD.

Von Leonie Bartsch

Sigmar Gabriel und Michel Friedman im Berliner Ensemble
Copyright: Berliner Ensemble | welt.edition

Auf der Bühne steht ein rotes Sofa, bestehend aus zwei Hälften. Dahinter hängt eine schwarze Leinwand mit dem Schriftzug „AUSCHWITZ“. Die Buchstaben schweben wie eine wuchtige Mahnung über der Couch. Das Berliner Ensemble hat sich gefüllt, alle warten. Das Licht geht an und zwei Männer im Anzug betreten die Bühne. Sie setzen sich auf das Sofa, kein Blick zum Publikum, keine Begrüßung, kein Name fällt.
Der rechte Mann sagt:„In meiner Familie wurden fast fünfzig Menschen ermordet. Meine Eltern und meine Großmutter haben nur überlebt, weil sie auf Oskar Schindlers Liste standen.“ Stille. Und dann: „Mein Leben ist geprägt von diesem Friedhof.“

Der linke Mann sagt: „Mein Vater war NSDAP-Mitglied und bis zu seinem Tod Holocaust-Leugner.“

Auf der Bühne sitzt links Sigmar Gabriel. Sozialdemokrat. Sohn eines Nazis. Rechts sitzt Michel Friedman. CDU-Politiker. Sohn von Eltern, die von den Nazis verfolgt wurden. Es beginnt ein Gespräch zweier Söhne über Opfer- und Täterseite.

Sigmar Gabriel durfte erst mit zehn Jahren zu seiner Mutter. Davor war seine Kindheit geprägt gewesen von einem jähzornigen Vater, einer lieblosen Erziehung. Das hat er erst vor wenigen Jahren öffentlich gemacht. „Ich habe meinen Vater mit 15 oder 16 auf Drängen meiner Mutter besucht, das wollte ich eigentlich nicht, weil er eine Kindesentführung mit mir gemacht hatte“, erzählt Gabriel mit ruhiger Stimme. „Ich guckte mir seinen Bücherschrank an und sah Literatur, von der ich wusste: das ist echte Naziliteratur. ,Auschwitz Lüge’ war eins der Bücher.“

Ist Emotion der Schlüssel zum Verständnis?

Wann immer Gabriel seitdem seinen Vater traf, versuchte dieser, ihn politisch umzudrehen. „Es ging nicht. Er schrieb mir Briefe mit der Unterschrift: ,Mit volkstreuen Grüßen, dein Vater.‘ Er war der Überzeugung, dass die Juden am Zweiten Weltkrieg Schuld sind.“

Michel Friedman nickt, hört aufmerksam zu. Noch ist er entspannt. Er kann, sagt er, nicht verstehen, warum so wenige Deutsche über die Vergangenheit, ihre Familiengeschichte, ausreichend Bescheid wissen. Warum die emotionale Komponente im Erinnern ausgeblendet wird. Denn sei nicht gerade diese emotionale Komponente der Schlüssel zum Verstehen?

Genau das ist es auch, was Mirna Funk alarmierend findet, die Autorin und Kuratorin der Veranstaltung „Connecting the Dots“ zum Gedenktag der Befreiung von Auschwitz. Sie hat Gabriel und Friedman ins Berliner Ensemble eingeladen. Sie hat dort auch einen Workshop organisiert, in dem Oliver von Wrochem, Leiter des Studienzentrums der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, den Teilnehmern mit Gästen wie der Großnichte von Heinrich Himmler erklärte, wie man mögliche Taten der eigenen Vorfahren recherchieren kann.

„Erinnerungspolitische Wende“?

„Ich bin fest davon überzeugt, dass die fehlende Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie auch ein Grund ist, wieso den meisten Deutschen der Holocaust wirklich total egal ist“, sagt Funk. „Er ist wahnsinnig weit weg, er ist wahnsinnig lange her, er hat überhaupt nichts mit mir zu tun. Das ist so das Grundgefühl. Das würde sich aber garantiert ändern, hätte ich schon in meiner Schulzeit Opa in SS-Uniform gesehen.“

Das Thema drängt. Auf deutschen Straßen werden in diesen Tagen israelische Flaggen angezündet. Die AfD fordert eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“. Schon jetzt wissen nur noch knapp sechzig Prozent der deutschen Schüler ab 14 Jahren, was Auschwitz war. Es gibt die Idee, dass jeder Schüler künftig verpflichtend eine KZ-Gedenkstätte besuchen sollte. Sigmar Gabriel wird im Berliner Ensemble gefragt, was er davon hält, vermeidet aber eine Antwort. Und Angela Merkel hat für das nächste Kabinett einen Antisemitismusbeauftragten angekündigt. Ob das reicht?

Michel Friedman sagt: „Wer bei den heutigen Ereignissen noch von ,Wehret den Anfängen‘ redet im Zusammenhang mit dem, was wir damals erlebt haben, hat überhaupt nichts begriffen. NPD, Wehrsportgruppe Hoffmann, NSU, Beteiligung von staatlichen Stellen, jetzt die AfD, da stelle ich die Frage: Haben wir wirklich den Anfängen gewehrt?“ Er fährt mit der Hand durch die Luft: „Und alle sagen überrascht, jetzt sei es wieder da, aber wann, frage ich, wann war es nicht da?“ Das Gefühl der Verzweiflung, der Antwortlosigkeit, schwebt im Saal wie die Großbuchstaben über der Bühne.

Die beiden verstummen, ihr Gespräch neigt sich dem Ende, das Publikum ist aufgewühlt. Friedman beendet den Dialog, indem er Paul Celans „Todesfuge“ vorträgt. Dann ist es vorbei. Das Licht geht aus. Die Menschen strömen in die dunkle Nacht. In vielen von ihnen dürften die Verse noch eine Weile nachklingen.

„Schwarze Milch der Frühe 
wir trinken dich nachts wir trinken dich morgens 
wir trinken dich abends und morgens.“ 

Berlins Straßen sind grell, überall Menschen.

dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith

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anne-frank-haus-nachbau - ein haus der hoffnung | ttt

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Simon Fujiwara, britischer Künstler mit japanischen Wurzeln, zeigt seine neueste Arbeit im Kunsthaus Bregenz. Das Hope House ist eine 1:1-Nachbildung des Anne-Frank-Hauses in Amsterdam - ein Spiel mit der Illusion des Authentischen.

nun - wie geht das mit der "erinnerungsarbeit" - wie geht das mit der "authentizität" dabei: ich erinnere noch die zeit, als ich das anne-frank-tagebuch gelesen habe - so vor ca. 55 jahren - und ich mir dabei voller jugendlichem elan vorstellte, wie das gewesen wäre, wenn anne frank meine freundin wäre ... - und wie ich mit ihr geflohen wäre, wie ich sie beschützt hätte ...

wenn heute justin bieber, ein noch viel zu blutjunger pop-künstler, den ich schon deshalb gar nicht kennen muss, nach dem besuch im anne-frank-museum in amsterdam ins gästebuch schreibt, ob sie wohl eine "belieber" - ein fan von ihm - geworden wäre ... - bricht gleich ein #shitstorm los - wie "unsensibel" denn das wohl sei ... - das aber das anne-frank-museum diesen fakt gleich nach facebook postete - ist ja auch nicht die feine englische art ...

dabei geht bei einer persönlich authentischen gedächtniskultur auch immer um die persönliche empathie, um die persönliche betroffenheit und reflexionsfähigkeit und das persönliche hinein- und mitfühlen ... - 

so entfernt von meiner anne-frank-verarbeitung vor 55 jahren ist dieser wunsch des künstlers nach ihrer bewunderung für ihn ja gar nicht - hauptsache ist ja erst einmal: überhaupt eine reaktion - eine angerührtsein in diesem sumpf von "mir doch egal" ...


wie im gefängnis - aber the show must go on ... - update

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"nach hause - nach hause - nach hause gehen wir nicht - im w-b-h da brennt noch licht" - "Blick" durch die Fenster-Lamellen des Willy-Brandt-Hauses, wo die Sondierungs-Runde der Union und der SPD einen turbulenten 25-Std.-Marathon hinlegten - Foto: DIE WELT | AP | Michael Sohn

ach ja - als ich heute mal nach dem bild oben "googelte", zeigte mir google-chrome vielsagend das bild zwar an - aber mit der vermutung, dass es sich wohl um das foto einer "gefängniszelle"(prison) handeln könne ...


screenshot der bildersuchseite bei google-chrome zu dem bild ganz oben ...



vielleicht fühlten sich auch einige teilnehmer so oder so ähnlich: erst wenn "weißer rauch" aus dem willy-brandt-haus in den dämmernd regnerischen morgen aufsteigt, dürfen alle nach hause gehen - bis dahin: mitgefangen - mitgehangen ... - und der letzte macht das licht aus ...

ich meine, warum tun diese leute sich das an? warum enden all solche verhandlungen immer in spektakulären nachtsitzungen, wo man völlig fertig nicht mehr so genau hinsieht oder überhaupt noch durchblickt - und ab irgendwann sich wahrscheinlich mit seinen vorstellungen "über den tisch ziehen" lässt (siehe interview am ende dieses posts) - auf beiden seiten - weil man ganz nötig auf's klo muss - oder ins bett will: denn die allerfrischesten nachteulen, so echt disco-durchtrainiert, sind die ja alle nicht mehr ...

warum versammeln sich unsere spitzenpolitiker mit solch einem völlig unsinnigen setting ... - wer tut ihnen das an ???: erst ein vierteljahr rumdödeln und dann ausgiebig advent & weihnachten feiern - und dann aber - dann geht's - aber erst nach der ersten januarwoche urplötzlich mit nem ruck und paukenschlag und marathon-nachtsitzung los: ein polit-iron-man für nicht ganz austrainierte akteure sozusagen ...



the show must go on ...

mit: "nach hause - nach hause - nach hause gehen wir nicht - im willy-brandt-haus brennt noch licht ..." ist es auch nicht mehr besungen - selbst die nationalhymne, die 3. strophe vom lied der deutschen von hoffmann von fallersleben, wird morgens um 08.30 uhr nach 25 stunden kaum mehr intoniert worden sein - warum tun die sich das an - immer und immer wieder ...???

will man uns etwa weismachen, man täte das für's "volk" - für die wähler ??? - damit es endlich voran ginge ... ??? - aber nicht doch fast 120 tage nach der wahl - wo man doch bis jetzt die ruhe weg hatte und die demokratische wahlentscheidung vom september einfach verdrängte und ignorierte ... - nee - also nee - die machen sich da doch echt nicht tot - und bringen alle hübsch ihre delegationen und experten-teams mit, die für nen appel & nen ei alles haarklein vorbereiten müssen...

auch hier gilt also der spruch der barbiere: klappern gehört zum handwerk - ne ordentliche nachtsitzung - und dann werden die wähler schon wieder beruhigt sein ... nee - das wird nichts ... - ich wenigstens lass mich so nicht mehr beruhigen und hinhalten: 

ich werde euren zirkus da einfach ignorieren: es ist mir egal - völlig egal - mit wieviel "turbulenzen" ihr da was beschließt oder verwerft ... - denn damit z.b. die genossen der spd selbst nur keine persönliche verantwortung für das ausgeheckte tragen müssen, beschließt nicht etwa morgen - sondern erst in gut einer woche ein parteitag, ob überhaupt nach den sondierungen die koalitionsverhandlungen aufgenommen werden sollen - bis dahin sind alle wieder erholt - und nötigenfalls schafft man dann schon wieder die nächste nachtsitzung - und dann steigt unser aller angela merkel in die bütt, denn sie will zum "fasching" die koalitionsverhandlungen abschließen: dann ist schluss mit lustig - und dann erfolgt die sich hinziehende mitgliederbefragung der spd - und "bis ostern" will man ggf. die koalition besiegeln ... -

die spd - und leider auch die meisten ihrer immer-noch-wähler - verwechseln solche verhandlungen immer gern mit so 2-4-monatigen "ganz schwierigen" tarifverhandlungen mit warn- und dann richtigen streiks ihrer gewerkschafter - und zum schluss kommt dann immer der "große unerwartete durchbruch" ... (auch diese streiks und verhandlungsrunden sind völlig überflüssige show's - denn die ergebnisse werden vorher per budget-einstellungen [im öffentlichen dienst wenigstens] und am telefon ausgekungelt ...).  

ich sagte ja - man macht sich nicht tot - und das ist diese völlig überflüssige overprotection-über-demokratur, die uns demokratie nur noch als popanz vorspielt: von hinten durch die brust ins auge - das ist alles nur noch "kulisse" ...

dieses herumgehampel nimmt der politik doch jede spontaneität und jede aktualität - und zeigt ihre eigentlich genuine unwichtigkeit heutzutage - und die medien müssen sich bei dem schneckentempo jeden tag den stoff für 25 bedruckte seiten oder 5 tägliche ausgaben der tagesschau aus den fingern saugen ... - und dann schimpft man, dass sie jedem gerücht gleich hinterherhecheln ...: the show must go on ...

viel lärm um nichts - und: der berg kreißte - und gebar eine maus ... 

es lebe die herrschaftsfreie und
gewaltlose anarchie ... !!! -
in meinem herzen - und ganz ohne raf  ...
also - dreht euch alle wieder um - die nächste nachtsitzung kommt bestimmt - vielleicht mit der frage, ob man nun endlich eine katzensteuer einführt - oder eine katzenstreu-steuer - und ob ich vor dem erwerb einer katze in deutschland womöglich alle tierheime in uropa konsultieren und angebote einholen muss - ehe ich mich dann entscheiden darf - und vielleicht ausgerechnet in bulgarien oder auf malta fündig werde ... - nach 16-wöchiger quarantäne darf ich dann das kätzchen mit nach hause nehmen - flug in einem extra-tierkäfig-katzenbehälter - ausbruchsicher nach eu-norm XY 456-3428 DIACAT - so gott will ...

gefängnis - prison - ??? - in manchen zellen bzw. einzelzimmern einer psychiatrie sieht es bestimmt ähnlich
aus ...: 

"isch glaab se hohle misch ab" - ha-haaa ... - die nacht war einfach zu lang - ha-haaa ... -S!



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foto: corbis - spiegel.de


24 Stunden ohne Schlaf – geht das?

Forscher Ingo Fietze über die Auswirkungen von Marathon-Verhandlungen auf den menschlichen Körper

Mehr als 24 Stunden haben die Politiker von Union und SPD zuletzt sondiert. Geht das überhaupt? Ingo Fietze ist Professor an der Berliner Charité. Er leitet dort das schlafmedizinische Zentrum. Eine solche Marathon-Verhandlung lässt sich kaum durchhalten, sagt der Schlafforscher im Gespräch mit Hagen Strauß.

Herr Professor Fietze, kann man bei mehr als 24 Stunden Verhandlungen noch klar denken?

Ingo Fietze: Nein. Wenn man 24 Stunden wach ist, fehlen acht Stunden Schlaf. Dann leiden Gedächtnis, Geschicklichkeit, Konzentration und Reaktionszeit. Eben das Gehirn.

Dann müsste das Sondierungsergebnis von Union und SPD doch viel Murks enthalten, oder?

Ingo Fietze: Das will ich nicht bewerten. Aber man kann es so sagen: Alle vier Stunden haben wir ein geistiges Hoch. Man sitzt also nicht die ganze Nacht wie im Nebel. Wenn alle zur selben Zeit ein solches Hoch haben, müssten eigentlich genau in diesen Momenten die wichtigen Entscheidungen fallen. Das ist aber nur graue Theorie, da jeder biorhythmisch ein bisschen anders tickt. Unter dem Strich wird aber wahrscheinlich im Laufe der Nacht die Kompromissbereitschaft größer.

Gibt es Tricks, wie man bei solchen Verhandlungen ge­gen die Müdigkeit ankämpfen kann?

Ingo Fietze: Als Politiker kann man natürlich darauf setzen, dass die andere Seite irgendwann müde wird, um dann selber mehr durchzusetzen. Ich würde in den Pausen, die es ja auch gibt, fünf bis zehn Minuten die Augen zumachen. Das wäre klug. Dann ist man die nächsten zwei Stunden wieder eindeutig fitter. Ansonsten gibt es außer hellem Licht und koffeinhaltigen Getränken keine Tricks.

Gerade Politiker behaupten immer wieder gerne, dass sie mit sehr wenig Schlaf auskommen. Kann das überhaupt sein?

Ingo Fietze: Das ist ein Mythos. Angeborene Kurzschläfer gibt es nur ganz wenige. Außerdem würde das ja bedeuten, dass ein Mensch, der dauerhaft weniger als sechs Stunden schläft, und das ist für uns Schlafmediziner wenig, dies auch am Wochenende oder in seinem Urlaub macht. Und dass er dann in den restlichen 18 Stunden fit ist. Das geht nicht. Irgendwann muss der fehlende Schlaf nachgeholt werden.

Kann man es denn zumindest trainieren, mit wenig Schlaf auszukommen?

Ingo Fietze: Das hat noch keiner geschafft. Man kann aus einem Normalschläfer auch keinen Lang- oder Kurzschläfer machen. Die benötigte Schlafzeit lässt sich nicht wirklich manipulieren.

WESTFALEN-BLATT - 2018-01-13
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