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Demokratie marktkonform: This is the End ...

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Es soll diesmal
niemand behaupten, 
das alles nicht 
gewusst zu haben ... - 
bzw. dies sei 
alles eine 
"Verschwörungstheorie":

Kanzlerin Merkel: 
„Wir leben ja in einer Demokratie und sind auch froh darüber und das ist eine parlamentarische Demokratie und deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments und insofern werden wir Wege finden, wie die parlamentarische Mitbestimmung so gestaltet wird, dass sie trotzdem auch - marktkonform ist, also auf den Märkten die entsprechenden - Signale sich -  ergeben...”
 Presseunterrichtung vom 1.9.2011 bei einem Besuch des portugiesischen Premiers Coelho ...


Zugegeben - ich habe diesen brisanten Satz aus dem Munde der Kanzlerin vom 01.09.2011 damals überhört - und ich habe auch überlesen, dass dieser Begriff  "Marktkonforme Demokratie" auf Platz 3 der "Unwort"-Rangliste des Jahres gesetzt wurde.
Jetzt - in der Lektüre des umstrittenen Schirrmacher-Buches "EGO ..." ist mir der Zündstoff dieses Begriffes jedoch noch mal in aller Schärfe deutlich geworden ...

Schirrmacher: EGO - Das Spiel des Lebens, Blessing 2013, S. 172:
"Das also ist die Maschine, die die europäische Politik und ihre Bürger immer weiter gegen die Gitterstäbe ihres Käfigs presst? Das ist die Rationalität, der ganze Staaten in immer größerem Umfang ihre eigenen rationalen Entscheidungen anpassen müssen? Man hätte erwartet, dass etwas Skepsis einkehrt, und sei es nur in Form einer Inspektion, die feststellt, ob die fabelhafte Maschine »Markt«, die alle in Atem hält, wirklich so funktioniert, wie es in der veralteten Betriebsanleitung steht.
Wie konnte inmitten einer Marktkrise Angela Merkels Satz von »einer marktkonformen Demokratie« fallen und als Vision erscheinen, und wieso gab es zwar Reparaturanstrengungen in Staaten, aber nicht in Märkten? Die Antwort lautet: Weil fast alle politischen und gesellschaftlichen Eliten die Theorie, dass der Markt es besser weiß als man selbst, mit einem Naturgesetz verwechseln. Nur wegen dieser Umetikettierung war es möglich, dass die »Kemschmelze« der Finanzmärkte nicht etwa Zweifel am Allwissenden auslöste, sondern die politische Vision einer dem Markt gehorchenden Demokratie in die Welt setzte, die wie Phönix aus der toxischen Asche steigen sollte."


Aus: SPIEGEL-GESPRÄCH mit Frank Schirrmacher zu seinem Buch "EGO": "Alles ist ökonomisiert" (DER SPIEGEL 7/2013, S. 118-120):
SPIEGEL: Wenn man sich die Forderungen aus Italien oder Frankreich in der Euro-
Krise ansieht, muss man sich möglicherweise wünschen, dass die Bundeskanzlerin etwas von Spieltheorie versteht.

Schirrmacher: Die Physikerin Angela Merkel halte ich für die oberste Spieltheoretikerin im Lande, in dieser Disziplin braucht sie keine Beratung mehr. Angela Merkel regiert in dieser kommunikationsgedopten Moderne durch Schweigen, durch Mimik und angeblich durch Kleidungscodes.
Das ist dann wirklich die „Kultur des verdeckten Spiels“ als Handlungsmaxime. Es geht in diesem Fall doch nicht um Deutschland versus Italien. Es geht um Europa versus automatisierte Märkte. Es geht, so ungern das auch gehört wird, um das Wesen von Überwachung und Kontrolle in der modernen Gesellschaft. Tun wir nichts, werden wir uns in unserem Leben immer häufiger in der Duellsituation des Kalten Krieges wiederfinden, in der es nur darum geht, wer als Erster die Nerven verliert und wer das bessere Pokerface hat.




Aus NachDenkSeiten - Die kritische Webseite: Frank Schirrmachers neues Buch „Ego“ – Überhaupt nicht marktkonform - Verantwortlich: Jens Berger - 
In seinem neuen Buch „Ego – Das Spiel Lebens“ wirft FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher einen tiefen Blick in das Betriebssystem des Kapitalismus. Die Software dieses Betriebssystems ist es, die Schirrmacher in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellt. Diese Software ist auf dem Modell des egoistischen Menschen aufgebaut und steuert heute nicht nur die vernetzten Märkte des Finanzsystems, sondern ist zudem bereits auf dem besten Weg, die Demokratie abzulösen. Es ist zu wünschen, dass Schirrmachers Buch weitere Diskussion über das Wesen des modernen Kapitalismus auslöst – denn nur, wenn wir das Betriebssystem verstehen, können wir es ändern. Von Jens Berger.


Dieses Buch basiert auf einer einzigen These, [...] (dem) „ökonomischen Imperialismus“ [...]. Damit ist gemeint, dass die Gedankenmodelle der Ökonomie praktisch alle anderen Sozialwissenschaften erobert haben und sie beherrschen.
Frank Schirrmacher
Was meint Angela Merkel eigentlich, wenn sie von „marktkonformer Politik“ spricht? Um erahnen zu können, was „marktkonform“ ist, muss man sich zunächst einmal vergegenwärtigen, was Märkte sind und wie sie ticken. Die Vorstellung von lautstark gestikulierenden Börsenhändlern, die sich gegenseitig ihre Order zurufen, gehört schon lange der Vergangenheit an. Heute handeln Supercomputer im Nanosekundentakt miteinander, sie kaufen, verkaufen, täuschen, manipulieren und testen dabei ihre Gegenspieler. Oder um es kurz zu sagen – sie spielen. „Ego – Das Spiel des Lebens“ wirft einen Blick auf dieses Spiel, seine Spieler und die Spielregeln.

Grundlage der Spielregeln sind dabei Rechenmodelle, genauer gesagt Computercode, basierend auf Algorithmen. Der Mensch ist in diesen Modellen ein „homo oeconomicus“, ein „rationaler Agent“, dessen einziger Antrieb es ist, im Sinne des Egoismus seinen eigenen Nutzen zu maximieren. Rational ist im Sinne dieses Menschenbilds stets nur ein Handeln, dessen einzige Triebfeder der Egoismus ist. Der „rationale Agent“ stellt nicht nur die Grundlage neoklassischer und neoliberaler ökonomischer Modelle dar, er ist auch die Kernkomponente der „Spieltheorie“, einem mathematischen Modell, bei dem mehrere Spieler auf Basis „rationaler“, also egoistischer, Motive gegeneinander antreten.

Schirrmachers Reise in die Welt der Algorithmen beginnt in den 1950ern, als die USA in Denkfabriken des militärisch-industriellen Komplexes, wie der Rand-Corporation, die Spieltheorie als Handlungsmodell für den Kalten Krieg weiterentwickelten, um im Pokerspiel der beiden atomaren Supermächte zu gewinnen. Dieses Spiel haben, wie wir alle wissen, die USA gewonnen. Nach dem Ende des Kalten Krieges verfügten die Denkfabriken des militärisch-industriellen Komplexes nun über ausgefeilte spieltheoretische Algorithmen und hoch spezialisierte Physiker und Mathematiker, denen das Spielfeld abhanden gekommen war.
Nach einem 50 Jahre währenden Kalten Krieg [...] befinden wir uns nach dem Ende des Kommunismus in einem neuen Kalten Krieg zwischen demokratischen Nationalstaaten und globalisierten Finanzmarktkörpern.
Frank Schirrmacher
Viele dieser Forscher fanden in den 1990ern bei den boomenden Investmentbanken einen neuen Arbeitsplatz. Die Finanzmärkte waren das neue spieltheoretische Schlachtfeld, auf dem es sehr viel Geld zu verdienen gab. So entwickelten die Mathematiker und Physiker[*] auf Basis der Spieltheorie des Kalten Krieges die Algorithmen, die heute den Handel an den Finanzmärkten bestimmen. Wenn wir also heute von „den Märkten“ sprechen, dann sprechen wir streng genommen vom Ergebnis eines Spiels, dessen Spieler auf Basis vorgegebener Algorithmen handeln, die wiederum den Egoismus der handelnden Subjekte als „Ratio“ verklären und ihn zu alleinigen Triebfeder menschlichen Handelns machen.
Doch das Problem ist, dass die Theorie nicht nur Handeln beschreibt, sondern Handeln erzwingt, sie ist nicht nur deskriptiv, sondern auch normativ. Sie postuliert nicht nur Egoisten, sie produziert sie auch.
Frank Schirrmacher
Im komplexen Spiel der Finanzmärkte gewinnt nur derjenige, der selbst streng „rational“ – also egoistisch – handelt. Hier setzt Schirrmachers Kritik im Kern an. Ihm geht es in seinem Buch vor allem um die Frage, „ob die Doktrin des »rationalen Selbstinteresses«, als des vernünftigen Egoismus, nicht gerade im Begriff ist, puren Irrsinn zu produzieren?“ Wer sich die Ereignisse auf den Finanzmärkten anschaut, kommt wohl nicht darum herum, diese Frage zu bejahen. Und dies geht weit über Subprime-Kredite, Lehman, HRE und Griechenland-Anleihen hinaus. Die Krise ist vielmehr der Normalzustand an den Märkten. In den USA wird eine Aktie heute im Schnitt zweiundzwanzig Sekunden gehalten – vor vier Jahren waren es noch zwei Monate. Zwischen 2006 und 2011 gab es fast laut Schirrmachers Quellen fast 19.000 ultraschnelle und völlig unerwartete Ereignisse am Aktienmarkt. Instabilität ist keine Ausnahme, kein schwarzer Schwan, sondern die Regel.
Die Krise ist nur ein Symptom. Sie zeigt die Instabilität nicht nur von Märkten, sondern von Gesellschaften, in denen Gesellschaften wie Märkte und Menschen als „homo oeconomicus“ organisiert werden. In meinen Augen: der erste Fall eines Systemversagens der Informationsökonomie.
Frank Schirrmacher
Handelt es sich wirklich, wie Schirrmacher schreibt, um ein Systemversagen? Oder ist dieses vermeintliche Versagen nicht doch vielmehr die nächste Stufe im großen Spiel um Geld und Macht? Ging es gestern noch um Subprimekredite und Kreditderivate, geht es heute ganze Volkswirtschaften. Das System hat nicht versagt, es hat heute mehr Macht als je zuvor und da jeder Spieler für systemrelevant erklärt wurde, steht der Verlierer bereits fest – die Gesellschaft.

Auch wenn Schirrmachers These vom Systemversagen der Informationsökonomie einer gründlichen Prüfung nicht standhält, hat er sehr wohl erkannt, wohin die Reise seit der Finanzkrise geht. Nicht nur das Spielfeld, sondern auch die Spieler und der Einsatz haben sich seit dem Beginn der Krise verändert. Spielten früher Finanzinstitute gegeneinander und der Staat schaute diesem Treiben zu, sind die Nationalstaaten heute mehr oder weniger unfreiwillig selbst in die Rolle eines Mitspielers getrieben worden. Das Schicksal ganzer Volkswirtschaften bestimmen heute nicht mehr die gewählten Regierungen. Unser Schicksal ist vielmehr der Einsatz im großen Spiel, dessen Regeln sich seit Beginn des Kalten Kriegs nicht verändert haben.
Bürger und Staat haben keine Souveränität mehr, sondern »spielen« sie nur. Darum werden Parlamente zu Staffagen und Öffentlichkeiten zu Echoräumen, die man anspricht, um in Wahrheit Märkte zu beeinflussen.
Frank Schirrmacher
Eine Politik, die „marktkonform“ ist, ist somit nichts großartig anderes als eine Politik, die dieses Spiel angenommen hat und sich den Spielregeln beugt. In einer Welt, in der das neoklassische Bild des „homo oeconomicus“ grundlegendes Element der Spielregeln ist und der Egoismus zum rationalen Handeln erklärt wird, bleibt jedoch kein Platz mehr für den Menschen als Mensch. Die „neue Supertheorie“, die laut Schirrmacher eine Melange aus neoklassischer und neoliberaler Ökonomie, Darwinismus und Computertechnologie ist, droht vielmehr in letzter Konsequenz zu einem neuen Totalitarismus zu werden.

Frank Schirrmacher gebührt Respekt und Anerkennung dafür, dass er die Auswüchse des modernen Kapitalismus im Kern benennt. Man kann sich vortrefflich darüber streiten, ob „Ego“ wirklich „ohne Zweifel links“ ist, wie Jakob Augstein es formuliert. Die Kritik an den Auswüchsen des modernen Kapitalismus, dem Dogma effizienter Märkte und der Prämisse, Egoismus sei die maßgebliche Triebfeder menschlichen Handelns, ist sowohl links als auch konservativ. Wenn Politiker und Leitartikler, die sich selbst als Konservative sehen, dies nicht wahrhaben wollen, liegt es vielleicht daran, dass sie eigentlich keine Konservativen, sondern vielmehr Marktliberale sind, die ihre Werte schon längst über Bord geworfen haben. Daher ist es auch ein großer Gewinn für die Debattenkultur, dass diese äußerst wichtige Debatte nicht von einem „Linken“, sondern vom konservativen Vordenker Frank Schirrmacher angestoßen wurde. Denn auf die Frage, ob Algorithmen oder gewählte Politiker über uns unsere Zukunft entscheiden sollen, müssten Linke und Konservative eigentlich die gleiche Antwort haben.

[«*] im Englischen werden die Programmierer der Handelsalgorithmen der Wall Street heute nicht umsonst „Rocket Scientists“ genannt

Link um den Text zu hören:
 http://www.nachdenkseiten.de/?p=16222#podPressPlayerSpace_2





Aus: Cicero Online: MERKEL UND GAUCK - Die Demokratie-Lehrlinge
VON FRANK A. MEYER - 16. APRIL 2012
... Was meint die Kanzlerin überhaupt mit Demokratie? Kürzlich war sie selber hilfreich bei der Klärung dieser Frage, als sie ihren Wunsch nach einer „marktkonformen Demokratie“ zum Ausdruck brachte.
Eine knappere Formel für ein monumentales Missverständnis ist kaum vorstellbar: Die Demokratie soll sich nach den Märkten richten – die gerade dabei sind, die Demokratie nachhaltig zu beschädigen.
Angela Merkels Formel war kein Versprecher. Schon am 18. Januar 2005 lobte sie in der Financial Times Friedrich August von Hayek (1899 bis 1992), den wohl größten Propheten mächtiger Märkte: Er habe „die geistigen Grundlagen der freiheitlichen Gesellschaft im Kampf gegen staatlichen Interventionismus und Diktatur herausgearbeitet“.
Wie aber hält es von Hayek, der offensichtlich zu Merkels Freiheits- und Demokratielehrern zählt, mit der Demokratie? Sie ist für den neoliberalen Meisterdenker „ein durch das Erpressungs- und Korruptionssystem der Politik hervorgebrachtes System“ – nichts als ein „Wortfetisch“.

Angela Merkels „marktkonforme Demokratie“ – Allmacht der Märkte?
Für von Hayek ist deshalb auch das demokratische Prinzip „one man, one vote“ ein Ärgernis: „Es kann vernünftigerweise argumentiert werden, dass den Idealen der Demokratie besser gedient wäre, wenn alle Staatsangestellten oder alle Empfänger von öffentlichen Unterstützungen vom Wahlrecht ausgeschlossen wären.“
Kein Wahlrecht für Beamte, Hartz-IV-Bedürftige und Rentner: Wer hat, der soll auch das Sagen haben – von Hayeks Demokratie-Utopie.
Die Bundeskanzlerin pries in ihrer Eloge auf den Demokratieverächter auch dessen Aktualität: „In der Globalisierungsdebatte sind seine Ideen hochaktuell.“
Leider: Der global entfesselte Finanzkapitalismus drängt die demokratisch legitimierte Staatsmacht seit der ersten Finanzkrise 2008 immer weiter in die Defensive. Die Kanzlerin hetzt von Gipfel zu Gipfel, um das Feuer zu löschen, das Brandstifter im Geiste von Hayeks entfacht haben. ...


Ingo Schulze, Deutscher Schriftsteller, *1962, in seiner "Dresdner Rede" am 26.02.2012:
"Eigentlich muss man Angela Merkel dafür dankbar sein, dass ihr der Begriff der „marktkonformen Demokratie“ entschlüpft ist. Denn damit hat sie unsere demokratische Verfasstheit auf den Punkt gebracht. Die Analogie zu Putins „gelenkter Demokratie“ erleichtert das Verstehen.
Wären die großen Medien aufmerksamer gewesen, hätten sie die Bundeskanzlerin bitten können, diesen Begriff zu erklären. Aber nicht einmal das wurde ihr abverlangt. Marktkonforme Demokratie ist das allerschönste unserer neuen demokratischen Kleider, an dem öffentlich meines Wissens noch niemand Anstoß genommen hat.
Es gilt als Selbstverständlichkeit, dass die Demokratie auf den Kopf gestellt wird. Müssten nicht die Akteure an den Börsen versuchen, das Vertrauen des Gemeinwesens zurückgewinnen? Und geht es nicht statt um marktkonforme Demokratie um demokratiekonforme Märkte? Demokratiekonforme Märkte wären Märkte, auf denen eben nicht alles erlaubt sein darf, was Geld bringt, vom dubiosen Finanzprodukt bis zur Spekulation mit Lebensmitteln?
Das auszusprechen entlarvt mich – Sie wissen es bereits – als unverzeihlich dumm, von meiner Eignung zu einem Amte ganz zu Schweigen.
Demokratiekonforme Märkte einzufordern ist aber auch eine Frage von Leben und Tod. Denn unser Alltag ist von einer mörderischen Doppelbödigkeit gekennzeichnet. Was bei uns zu Verarmung, Unfreiheit, Krankheit, Benachteiligung, Ausgrenzung führt, kostet anderswo Menschenleben.
Nachdem im Oktober 2008 die Regierungschefs der Euro-Staaten zusammenkamen und 1,7 Billionen Euro bereitstellten, um die Kreditgeschäfte unter den Banken wieder zu beleben, kürzten dieselben Länder in der Folge ihre Zuwendungen an die Hilfsorganisationen als auch die Kredite für die ärmsten Länder massiv. Das mit der Nahrungs-Nothilfe betraute Welternährungsprogramm der UNO verfügte über einen Etat von sechs Milliarden Dollar. 2011 waren es nur noch knapp drei Milliarden Dollar. Das bedeutete unter anderem: Die Schulspeisung von einer Million unterernährter Kinder in Bangladesch musste gestrichen werden. Die 300000 somalischen Flüchtlinge erhalten heute nur noch eine Tagesration von 1500 Kalorien, statt des Existenzminimums von 2200 Kalorien." 

http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/SchulzeDresden.pdf


Merkel über Allmacht: "Ich will, dass es in Deutschland klare Mehrheitsverhältnisse gibt, um einmal zwischen Bundestag und Bundesrat durchzuregieren." (FAZ, 24.6.05)



demuth | spd.de-blog:Merkels "Unwort des Jahres“: Die marktkonforme Demokratie der Kanzlerin:
Das Begriffspaar „Döner-Morde“ hat die zweifelhafte Ehre des „Unworts des Jahres 2011“ wahrlich verdient. Unterzugehen droht allerdings, dass unsere Kanzlerin Angela Merkel nicht minder die zweifelhafte Ehre besitzt, dass sich eine ihrer Äußerungen auf Platz 3 der „Unwörter des Jahres“ wiederfindet: „marktkonforme Demokratie“. Merkel sagte im Wortlaut: „Wir leben ja in einer Demokratie und sind auch froh darüber. Das ist eine parlamentarische Demokratie. Deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments. Insofern werden wir Wege finden, die parlamentarische Mitbestimmung so zu gestalten, dass sie trotzdem auch marktkonform ist, also dass sich auf den Märkten die entsprechenden Signale ergeben."

Eine marktkonforme Demokratie also. Dies bedeutet nichts anderes, als dass nicht mehr allein Bürger als Wähler bestimmen sollen, sondern Spekulanten, Finanzmärkte, Hedgefonds und Banken. Und das in einer Zeit, in der sich sowieso die Bürger massenhaft von der Politik abwenden. Interessanterweise hat Merkel hingegen die Einführung von direkter Demokratie abgelehnt, Protestierende gegen Atomkraftwerke oder Stuttgart 21 als „Dagegen“-Bürger sogar diffamiert. Merkel tut auch nichts, um die Demokratie zu stärken. Sie macht nichts gegen den massiven Eindruck bei den Bürgern, die Politik sei nicht nur machtlos geworden und werde getrieben von den Finanzmärkten, sondern die gemachte Politik nutze auch nicht mehr der Mehrheit der Bürger, sondern nur einer kleinen Minderheit von Reichen. Selbst Frank Schirrmacher formulierte in der linken Umtrieben unverdächtigen FAZ: „Es zeigt sich – wie die Linke immer behauptet hat –, dass ein System, das angetreten ist, das Vorankommen von vielen zu ermöglichen, sich zu einem System pervertiert hat, das die wenigen bereichert". Merkel interessiert weder die eine noch die andere Frage. Sie  hat nach dem Lehman-Desaster 2007 das Gelegenheitsfenster verstreichen lassen, eine Besteuerung von Spekulanten durch eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Heute hat sich die Finanzlobby wieder berappelt und schießt dagegen, sei es in Großbritannien oder in Deutschland über die FDP. Merkel zeigt aber auch kein Handeln angesichts der Tatsache, dass das oberste Zehntel aller Haushalte mit den höchsten Einkommen hat heute fast elf Mal so viel Geld zur Verfügung wie die zehn Prozent mit den niedrigsten Einkommen. Nein, Merkel macht nichts dergleichen.

Schaut man genauer hin, sieht man: Merkel hat gar kein wertgeladenes Verständnis von Demokratie, sie hat auch nie eine wertgeleitete Debatte über „Demokratie“ oder deren Zustand geführt – wie allerdings auch nicht zu anderen Themen. Ihr Umgang mit demokratischen Prozessen gleicht ihrer Politik: Für sie ist „Demokratie“ und demokratische Prozesse einfach ein Werkzeug unter vielen – genauso wie der Umgang mit Lobbygruppen, mit der CDU, mit dem Parlament – mit der sie ihre pragmatische Machtpolitik umsetzt.  Der demokratische Prozess ist derart für die „Physikerin der Macht“ nur einer der bestehenden Einfluss- und Prozessfaktoren im politischen Betrieb von vielen anderen.

http://www.spd.de/profil/4173/blog/merkels-unwort-des-jahres-die-marktkonforme-demokratie-der-kanzlerin


http://www.nachdenken-in-duesseldorf.de - autor: düssi: Merkel lüftet das Geheimnis um die “marktkonforme Demokratie” - 24. Januar 2013
Seit Merkel ihre Idee von der “marktkonformen Demokratie” ins Spiel gebracht hat, wird gerätselt und gestritten, was denn darunter eigentlich genau zu verstehen ist. Manche, wie wohl auch die Juroren, die den Begriff 2011 auf Platz 3 der Wahl zum “Unwort des Jahres” gesetzt haben, sehen in dem Wortpaar einen unvereinbaren Widerspruch, denn in der Demokratie entscheiden die Wähler, nicht der “Markt”. Andere scheinen weniger Probleme damit zu haben und die “marktkonforme Demokratie” so schnell wie möglich errichten zu wollen. Aber was verstehen sie darunter? Wie passen “marktkonform” und “Demokratie” zusammen? Wer entscheidet denn nun in so einem System, und wie wird, wenn man davon ausgeht, dass es der Wähler ist, die Marktkonformität hergestellt?

Merkel sagte damals: „Wir leben ja in einer Demokratie und sind auch froh darüber. Das ist eine parlamentarische Demokratie. Deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments. Insofern werden wir Wege finden, die parlamentarische Mitbestimmung so zu gestalten, dass sie trotzdem auch marktkonform ist, also dass sich auf den Märkten die entsprechenden Signale ergeben.”

Nun hat sie auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos den Vorhang ein bischen gelüftet und Details dazu verraten, wie das funktionieren soll. Natürlich wird das Fast-Unwort des Jahres 2011 nicht mehr verwendet, statt dessen heisst die Zukunftsvision der neoliberalen Eliten nun “EU-Pakt für mehr Wettbewerbsfähigkeit” (ich schlage an der Stelle für die Wahl zum Unwort des Jahres 2013 schon mal “Wettbewerbsfähigkeit” vor).

Die Marschrichtung wird schnell klar, wenn, wie es im verlinkten Bericht auf tagesschau.de steht, Merkel meint,  “Es dürfe dabei nicht so weit kommen, dass etwa die Lohnstückkosten in der EU sich auf einem Mittelmaß einpendelten. Auch die Mobilität der Arbeitskräfte müsse erhöht werden, Stichwort: gemeinsamer Arbeitsmarkt.” Das ist die neoliberale Logik: die Lohnstückkosten dürfen sich nicht auf ein Mittelmaß einpendeln, d.h. sie sollen in der EU auseinanderdriften, und wenn man dann einen gemeinsamen Arbeitsmarkt hat, entsteht ein Wettbewerb – um die niedrigsten Lohnstückkosten. Dieser Wettbewerb führt dann zu einer Lohnsenkungsspirale innerhalb der EU, und dadurch wird die EU auf dem globalen Markt wettbewerbsfähiger. So einfach ist das.

Skurille Äusserungen wie “Im Augenblick ist unser deutsches Wachstum fast ausschließlich binnengetrieben. Wir haben alles getan, um den Binnenkonsum zu erhöhen.” will ich mal überspringen, denn dazu fällt mir nichts ein. Alles getan? Meint sie das ernst oder leidet auch sie unter einem fortschreitenden Realitätsverlust? Es scheint fast so, denn “Merkel verwies darauf, dass die EU mit dem dauerhaften Rettungsschirm ESM ein Instrument geschaffen habe, das die Solidarität stärke“… ja nee, is klar.

Jetzt aber zum interessanten Teil des Artikels. Eben der Lösung des eingangs erwähnten Rätsels, wie denn eine “marktkonforme Demokratie” aussehen könnte. Merkel führt aus: “Was jetzt noch fehle, sei ein Pakt für Wettbewerbsfähigkeit. Hierfür müssten die Nationalstaaten Verträge mit der EU-Kommission schließen, in denen sie sich verpflichten, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. ‘Die nationalen Parlamente müssten solche Verträge legitimieren.’ Nur so könne es einen Überblick geben, welches Land an der Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit arbeite.”

Die Staaten, gemeint sind wohl die Regierungen, sollen sich also durch Verträge gegenüber der – nicht demokratisch gewählten, sondern von den Regierungen nominierten -  EU-Kommission zu einer Politik der Verbesserung der “Wettbewerbsfähigkeit” (also zu nichts anderem als der Agenda 2020 für Europa, die alle neoliberalen Wunschträume wahr macht) verpflichten. Das – demokratisch gewählte – EU-Parlament hat dies abzunicken und so zu “legitimieren”. Damit ist das Rätsel gelöst: in der marktkonformen Demokratie wird die Marktkonformität dadurch hergestellt, dass der Wähler nichts mehr zu melden hat, und das Parlament dient der Herstellung des Scheins einer demokratischen Legitimation.

Ich gebe zu, nicht wirklich überraschend. Das hätte man schon ahnen können, nicht zuletzt, weil dieser Zustand ja weitestgehend schon hergestellt ist. Aber jetzt soll der endgültige Übergang zur Schein- oder Postdemokratie zur offiziellen europäischen Politik werden: “Während diese Abkommen für die Euro-Staaten verpflichtend sein sollen, könnten sich auch Nicht-Euro-Länder anschließen. Der EU-Gipfel soll diese Reformen auf dem Juni-Gipfel beschließen.”

Das “Europa der Bürger” wäre dann wohl endgültig Geschichte.

Link zur Davos-Rede: http://www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Rede/2013/01/2013-01-24-merkel-davos.html;jsessionid=01C13A8F7E7642DAA715F39E16723827.s3t1


... und hier noch 3 Original-Beiträge, die  das parlamentarische Demokratieverständnis unserer Bundeskanzlerin ziemlich eindeutig veranschaulichen:




aus der Rede der Vorsitzenden der CDU Deutschlands,
Dr. Angela Merkel, MdB,
anlässlich der Festveranstaltung „60 Jahre CDU“
am 16. Juni 2005, Berlin
Politik ohne Angst. Politik mit Mut – das ist heute erneut gefragt. Denn wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit. Unsere Werte müssen sich auch im Zeitalter von Globalisierung und Wissensgesellschaft behaupten. Und wenn sie sich behaupten sollen, dann müssen wir bereit sein, die Weichen richtig zu stellen. Auch da sind wieder Widerstände zu überwinden. Es sind wieder Prioritäten zu setzen. Ist dem Wichtigen der Vorrang vor dem weniger Wichtigen zu geben. 
http://www.cdu.de/doc/pdf/05_06_16_Rede_Merkel_60_Jahre_CDU.pdf



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