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ZUM TAG DER BEFREIUNG AM 8. MAI VOR 70 JAHREN - impuls für die woche -177

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Derzeitiges Plakat vor der Freikirchlichen Johanneskirche in Sennestadt


Ja - zu danken vergessen wir allzu oft - Gott zu danken, dass er uns 70 Jahre Frieden geschenkt hat - hier in und um Deutschland ...

Dass er uns mit der Wiedervereinigung Deutschlands 45 Jahre nach Kriegsschluss die Kraft und den Mut geschenkt hat, damit wieder das zusammenwachsen konnte und kann, was zusammengehört ...

Wir sind immer schnell bei der Hand mit den Vorwürfen: Warum hat Gott das alles zugelassen, angesichts der Nazi-Greueltaten und des verdammten Krieges mit seinen Millionen Opfern... - und viele schließen eigenartige innere Wetten ab: "Wenn es einen Gott gibt - dann muss jetzt dies oder jenes geschehen ...". Und über alle Schuldzuweisungen und Gott-ist-tot-Überzeugungen blenden wir seinen Beistand und seine Treue vielfach aus ... - und sagen nicht mal "Danke" ...

Die "linke" Theologin und Feministin Dorothee Sölle (1929-2003) -- meinte, ihr Glaube sei „geprägt von dem Bewusstsein […], nach Auschwitz zu leben“. In einem Vortrag vor dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Vancouver machte sie 1983 folgende Äußerung:
„Ich spreche zu Ihnen als eine Frau, die aus einem der reichsten Länder der Welt kommt; einem Land mit einer blutigen, nach Gas stinkenden Geschichte… Reich ist die Welt, in der ich lebe, vor allem an Tod und besseren Möglichkeiten zu töten.“
In ihr werde Kindern nichts als „Konsum-Sand“ geboten. In scharfem Kontrast bezeichnete sie westliche Länder als „verödete Zentren der Kultur“, die Dritte Welt als „ein Dauer-Auschwitz“.

Die Lehre von der Allmacht Gottes wurde so für sie zum Gegenstand kritischen Nachdenkens. Sie war der Meinung, dass Gottes Wirken in dieser Welt abhängig ist von unserem Handeln = „Gott hat keine anderen Hände als unsere.“

Kern ihrer Gott-ist-tot-Theologie war der Abschied von einer „Papa-wird’s-schon-richten-Theologie“. Sölle vertrat eine politische Theologie, die sich durch eine radikale Diesseitigkeit und eine Entmythologisierung der Bibel auszeichnete. In ihrem Buch "Gegenwind" (erschienen 1995) schrieb sie: „Theologisches Nachdenken ohne politische Konsequenzen kommt einer Heuchelei gleich. Jeder theologische Satz muss auch ein politischer sein.“

Weiterhin bestimmend war ihre durch den Feminismus geprägte Mystik, die ohne die Vorstellung eines persönlichen Gottes auskam. Viele Ideen Sölles waren von der Befreiungstheologie Lateinamerikas geprägt sowie durch die Bücher Das Prinzip Hoffnung (1959) und Atheismus im Christentum (1968) des Philosophen Ernst Bloch.

Ihre Kernüberzeugungen brachte sie in einem Glaubensbekenntnis zum Ausdruck:

CREDO

ich glaube an gott
der die welt nicht fertig geschaffen hat
wie ein ding das immer so bleiben muss
der nicht nach ewigen gesetzen regiert
die unabänderlich gelten
nicht nach natürlichen ordnungen
von armen und reichen
sachverständigen und uniformierten
herrschenden und ausgelieferten

ich glaube an gott
der den widerspruch des lebendigen will
und die veränderung aller zustände
durch unsere arbeit
durch unsere politik

ich glaube an jesus christus
der recht hatte als er
"ein einzelner der nichts machen kann"
genau wie wir
an der veränderung aller zustände arbeitete
und darüber zugrunde ging
an ihm messend erkenne ich
wie unsere intelligenz verkrüppelt
unsere fantasie erstickt
unsere anstrengung vertan ist
weil wir nicht leben wie er lebte
jeden tag habe ich angst
dass er umsonst gestorben ist
weil er in unseren kirchen verscharrt ist
weil wir seine revolution verraten haben
in gehorsam und angst
vor den behörden

ich glaube an jesus christus
der aufersteht in unser leben
dass wir frei werden
von vorurteilen und anmaßung
von angst und hass
und seine revolution weitertreiben
auf sein reich hin

ich glaube an den geist
der mit jesus in die welt gekommen ist
an die gemeinschaft aller völker
und unsere verantwortung für das
was aus unserer erde wird
ein tal voll jammer hunger und gewalt
oder die stadt gottes
ich glaube an den gerechten frieden
der herstellbar ist
an die möglichkeit eines sinnvollen lebens
für alle menschen
an die zukunft dieser welt gottes

amen.

© Dorothee Sölle 

Ja - Dorothee Sölle hat in der Reaktion auf Auschwitz und dem angeblichen Fernbleiben Gottes in sich selbst begriffen: Gott lebt mit und durch uns - auch er hielt in Auschwitz die Hand seines Nächsten in der Gaskammer ... - und litt mit den Opfern und sprach den Überlebenden Mut zu ... - und Gott ist mit seinem Reich mitten unter uns - sodass wir ruhig "Danke" sagen dürfen, wie die Freikirchliche Gemeinde hier direkt in der Nachbarschaft,
die dieses riesige Dankplakat vor ihr neues Gotteshaus platzierte.

Auf dem Bild im Plakat sehen wir den Viadukt - die Eisenbahnbrücke in Bielefeld-Schildesche: Das von der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft in den 1840er Jahren errichtete ursprüngliche Bauwerk gehörte zu den ältesten Zeugen der Eisenbahngeschichte in Deutschland. Der alte Viadukt aus 28 Bögen ist gegen Ende des Zweiten Weltkriegs durch alliierte Luftangriffe im März 1945 mit der "Grand-Slam"-Spezialbombe zu mehr als 50 % in seiner Bausubstanz zerstört worden - und zu 100 % in seiner Überbrückungsfunktion. Unter Einbeziehung der noch intakten 13 Bögen wurde im Frühjahr 1947 für den Güterverkehr ein Provisorium erstellt. In der heutigen Form besteht das Bauwerk seit 1985.

Und der kleine negative Bildausriss auf dem 1985-er Viadukt zeigt den Viadukt in seiner Zerstörung 1945: ... und der offizielle Song der Hitler-Jugend lautete in seinem Refrain ja auch: 

Wir werden weiter marschieren
Wenn alles in Scherben fällt,
Denn heute da hört uns Deutschland
Und morgen die ganze Welt... - woraus dann der Volksmund gerne die Zeile sang: Denn heute gehört uns Deutschland - und morgen die ganze Welt ...

Ja - bis alles in Scherben fällt: Das zeigte sich am Schildescher ("Schildsker") Viadukt von 1945 in seinem ganzen Ausmaß: 
Viadukt in Schildesche - nach seiner Zerstörung 1945: Video-Still aus:
"Grand-Slam-Bomb", Youtube-Video
als kleiner Junge habe ich in den riesigen aufeinandergetürmten Betontrümmern noch gespielt ... 
Heute erinnert nichts mehr dort an Zerstörung - heute kräuselt sich dort das oft etwas mit Blaualgen verschlammte Wasser des Schildescher Obersees - und heute ruht dort der Eisenbahnfernverkehr nach und von Hannover nur noch, wenn die GDL zum Streik gerufen hat ... - ansonsten ist es heutzutage wieder eine vielbefahrene Eisenbahnbrücke - sogar noch mit ein paar erhaltenen Rundbögen:


Foto: zwar-bielefeld.de

Wir müssen uns zurückerinnern - um Gott gebührend zu danken ...: 70 Jahre Frieden, ein ungeteiltes Deutschland - und eine wiedererstandene Eisenbahnbrücke u.a. - Symbole für Gottes tätigen Beistand nachdem der Mensch in seiner Hybris und vollen Verantwortung zuvor Gott abgesetzt hatte: Gott gehört die Welt - und nicht den grölenden Hitler-Pimpfen - aber "Gott hat nur unsere Hände" ...


Nach einer Grafik aus badische-zeitung.de

Interview

"Das Erinnern wird sich verändern"

Daniel Siemens über Gedenktage

Bielefeld. Der Bielefelder Historiker Daniel Siemens beschäftigt sich seit langem mit dem Nationalsozialismus. Mit Stefan Brams sprach er über die Bedeutung von Erinnern und Gedenken.

Herr Siemens, laut einer Umfrage fühlt sich eine Mehrheit der Deutschen vom Zweiten Weltkrieg historisch und zum Teil auch emotional immer noch betroffen. Überrascht Sie das?

Daniel Siemens: Mich erstaunt das nicht, denn ich beobachte, dass vor allem jüngere Menschen sich mit dem Zweiten Weltkrieg auf eine neue Art und Weise befassen - nämlich über die eigene Familiengeschichte. Überhaupt gibt es seit einigen Jahren ein starkes Interesse am Schicksal von Einzelpersonen und ihren Lebenswegen in Extremsituationen wie dem Zweiten Weltkrieg. Lange Zeit ging es in den Jahrzehnten zuvor eher darum, das Große und Ganze zu erklären. Dahinter verschwanden dann mitunter die Menschen mit ihren individuellen Biografien. 

Gerade an runden Gedenktagen wie diesem 70. Jahrestag des Kriegsendes erleben wir eine Flut von Gedenkveranstaltungen und eine große mediale Begleitung. Wie bewerten Sie diese Gedenktags-Fixierung?

Siemens: Als Historiker finde ich es natürlich grundsätzlich positiv, wenn sich Menschen für die Vergangenheit interessieren. Gedenktage sind hier durchaus hilfreich. Problematisch wird es, wenn sie routiniert "abgerissen" werden. Andere historische Aspekte finden derzeit kaum Beachtung, wenn sie sich nicht in ein Gedenktagsschema pressen lassen. Das Erinnern sollte aber nicht von Daten und Jubiläen abhängen, sondern vom Thema und der Frage, warum ein historisches Thema für uns heute wichtig ist.

Erinnerungsarbeit wird ja auch immer damit begründet, aus der Geschichte lernen zu wollen. Können wir wirklich aus der Geschichte lernen? Wenn ich mir die Welt so ansehe, kommen mir arge Zweifel.

Siemens: Aus der Geschichte lernen wir nicht in dem Sinne, dass sie uns Gebrauchsanleitungen für die Gegenwart oder Zukunft an die Hand gibt. Aber wir sind durchaus in der Lage, aus bestimmten historischen Ereignissen Schlüsse zu ziehen, die dann in der Gegenwart handlungsleitend werden. Dass ein übersteigerter Nationalismus in diesem Land auf absehbare Zeit nicht salonfähig werden wird, ist so ein positives Beispiel.

Die Zeitzeugen, die sich an den Zweiten Weltkrieg noch erinnern können, sterben langsam aus. Wie wird sich dadurch das Erinnern verändern?

Siemens: Viele Erinnerungen von Zeitzeugen sind audiovisuell aufgezeichnet und so für immer bewahrt worden. Dennoch wird sich der Umgang mit der Erinnerung durch das Fehlen lebender Zeitzeugen stark verändern, weil die von ihnen vermittelte, als authentisch erlebte Betroffenheit sich nicht mehr so direkt einstellen wird. Aber nicht nur durch die fehlenden Zeitzeugen, sondern auch weil unsere Gesellschaft sich wandelt, wird das Erinnern anders aussehen. 

Wie meinen Sie das?

Siemens: Unsere Gesellschaft ist inzwischen kulturell vielfältiger als noch vor wenigen Jahrzehnten, und sie wird sich durch die anhaltende Zuwanderung weiter verändern. Gerade für Einwanderer aus außereuropäischen Ländern und ihre Nachkommen ist der Nationalsozialismus oft ein "fremdes" Thema. Das heißt, dass künftig die Relevanz der Aufarbeitung deutlicher gemacht werden muss, weil Betroffenheit durch persönliche oder regionale Bezüge nicht mehr so ein starker Impuls sein wird für die Bereitschaft, sich auseinanderzusetzen. Das gilt auch für die Politik. Schon in wenigen Jahren wird eine Politikergeneration regieren, für die die Aufarbeitung dieser Vergangenheit nicht mehr so ein zentral lebensweltliches Thema sein wird wie bei den noch dominanten "68er". 

Welche Folgen hat das?

Siemens: Wie unser Gedenken in Zukunft aussehen wird, weiß natürlich noch niemand. Das ist ja ein offener Prozess. Aber die Themen Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg werden vermutlich nicht mehr mit der für uns gewohnten Selbstverständlichkeit behandelt werden. Dennoch bin ich mir sicher, dass der Konsens dieses Landes, die NS-Geschichte kritisch aufzuarbeiten, erhalten bleibt. Wir werden allerdings neue Formen der Geschichtsvermittlung finden müssen. 

Von einem gemeinsamen europäischen Gedenken an das Ende Zweiten Weltkriegs scheinen wir derzeit weiter weg zu sein denn je. Ihr Kollege Heinrich August Winkler beklagt die politische Instrumentalisierung von Geschichte, wie wir sie in Russland derzeit beobachten. Hat er recht?

Siemens: Nein, wir haben seit Ende des Kalten Krieges 1989/90 eher Fortschritte gemacht, was ein gemeinsames europäisches Erinnern und Gedenken angeht. Es gibt mittlerweile ein starkes europäisches Geschichtsbewusstsein. Die Irritationen, die wir derzeit wegen des Ukraine-Kriegs erleben, zeigen zwar, dass die nationalistischen Umdeutungsversuche historischer Ereignisse noch nicht passé sind, aber das gemeinsame europäische Gedenken ist für mich damit nicht gescheitert. Viele Bürger durchschauen sehr genau, wenn Politiker Geschichte benutzen, um Herrschaftsansprüche zu legitimieren - auch, um ein anderes Beispiel zu nennen, wenn die türkische Regierung immer noch versucht, den Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs zu leugnen.

Richard von Weizsäcker hat den 8. Mai als Tag der Befreiung bezeichnet und damals für viele Diskussionen gesorgt. Hat sich diese Sichtweise durchgesetzt?

Siemens: Ja, aber das ist auch kein Wunder. Denn anders als 1985 ist dieser Tag für fast alle von uns ein historisches Datum ohne direkten Bezug zum eigenen Leben. Wir können daher jetzt viel leichter von einem Tag der Befreiung sprechen als etwa jemand, für den mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine langjährige Kriegsgefangenschaft begann. Dies gilt ganz unabhängig davon, dass von Weizsäcker in der Sache zuzustimmen ist.

Das Magazin "Der Spiegel" hat den 8. Mai als Jahrhunderttag betitelt. Trifft das die Dimension dieses Tages?

Siemens: Mit solchen Zuspitzungen kann ich persönlich wenig anfangen. Ich sehe das Ende des Krieges eher als einen Prozess, der schon lange vor dem 8. Mai 1945 begann und mit der Einstellung der Kampfhandlungen noch nicht endete. Auch die ethnischen Vertreibungen und das Schicksal von Millionen von displaced persons, also "Heimatlosen" wie ehemaligen KZ-Häftlingen und Arbeitssklaven, waren ja unmittelbare Folge des Krieges. Insofern ist der 8. Mai nur ein Aufhänger für unser Gedenken. Ich würde diesen Tag ungern auf ein Schlagwort reduzieren.

In Deutschland gibt es eine intensive Erinnerungskultur und Aufarbeitung des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs. Ist das ein Erfolgsmodell?

Siemens: Das sollen andere beurteilen. Aber es ist längst nicht so, dass die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs "ausgeforscht" ist. 

Wer mehr wissen will über das Kriegsende greift zu welcher Lektüre?

Siemens: Ich empfehle Ian Burumas "45: Die Welt am Wendepunkt"(gerade auf deutsch erschienen), Ian Kershaw "Das Ende. Kampf bis in den Untergang - NS-Deutschland 1944/45" sowie von meinem Münchener Kollegen Sven Keller die wissenschaftliche Studie "Volksgemeinschaft am Ende: Gesellschaft und Gewalt 1944/45".

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Zur Person

Daniel Siemens - nach einem Foto von:
uni-bielefeld.academia.edu
Daniel Siemens (39) ist promovierter Historiker an der Universität Bielefeld und Autor des Buches "Horst Wessel. Tod und Verklärung eines Nationalsozialisten", veröffentlicht 2009 im Siedler-Verlag, München.

Von 2011 bis 2014 lehrte Siemens am University College London.

Derzeit schreibt er an einer neuen Gesamtgeschichte der SA, der nationalsozialistischen "Sturmabteilung". (ram)
uni-bielefeld.academia.edu



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Kriegstraumata sind wieder präsent

Der Gütersloher Gerontopsychiater und Chefarzt Bernd Meißnest setzt auf intensive Begleitung in individuellen Gesprächen mit betroffenen Patienten

Gütersloh (bth). Die Bilder von Krieg, von Tod und Gewalt, Zerstörung und Hunger, sie bleiben bei den Zeitzeugen ein Leben lang in Erinnerung. Altersexperten haben zudem herausgefunden, dass nicht wenige dieser Erinnerungen im Alter als Kriegstraumata wieder ins Bewusstsein zurückkehren. Heide Glaesmer, Psychotherapeutin vom Universitätsklinikum Leipzig, hat in einer Studie herausgefunden, dass dies auf bis zu 60 Prozent der heute bis zu 85-jährigen Menschen zutrifft.

"Das Thema wurde lange Zeit totgeschwiegen oder verdrängt", sagte Bernd Meißnest, Chefarzt der Klinik für Gerontopsychiatrie und Psychotherapie am LWL-Klinikum Gütersloh im Gespräch mit dieser Zeitung. "Viele Menschen wissen darum, aber die Betroffenen haben nie darüber geredet", so der Chefarzt weiter. Die Menschen hätten in ihrem Leben immer andere Themen nach vorne geschoben wie den Wiederaufbau oder die Familie. "Jetzt plötzlich kommt das aufs Tablett", so Meißnest.

Zum Beispiel durch Nachfragen der Kinder. "Das erleben wir bei Demenzkranken, die den Filter nicht mehr unter Kontrolle haben." Dieser Filter habe früher negative Erinnerungen ausgeblendet.

Meißnest berichtet von einer Patientin in der Klinik in Gütersloh, die immer einen gepackten Koffer auf ihrem Zimmer stehen habe. "Ich bin nicht im Krankenhaus, ich bin im Lager": Diesen Satz bekommen die behandelnden Ärzte häufig zu hören. "Dagegen gibt es keine Medikamente", sagt Meißnest. Er setzt dagegen die "orientierte Begleitung".

Das bedeutet in erster Linie: gut zuhören. "Diese Menschen denken, sie haben in der Kindheit etwas falsch gemacht." Diese Überzeugung bringe sie nun in Not. "Unsere therapeutische Haltung ist zu fragen: Was hat Sie so stark gemacht, so alt zu werden und ein normales Leben zu führen?" Wenn die Patienten dann sagten, dass sie wieder einen roten Faden gefunden hätten, "ist das ein hervorragendes Ergebnis". Meißnest selbst hat großen Respekt vor all diesen Biografien und den dahinterstehenden Menschen. "Ich kann ihnen eigentlich nur Bewunderung aussprechen, dass sie es so weit geschafft haben."

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Zur Person

Bernd Meißnest ist Chefarzt der Klinik für Gerontopsychiatrie und Psychotherapie in Gütersloh -

Facharzt für Psychiatrie, Geriatrie
(Ärztliche Leitung des Zentrums für Altersmedizin)

Bild: Bernd Meißnest - nach einem Foto von "alltagstipp.de"







Text Siemens und Meißnest aus: © 2015 Neue Westfälische
03 - Bielefeld Süd, Freitag 08. Mai 2015




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