"Nach bestem Wissen und Gewissen" ...
Energisch weist Angela Merkel den Verdacht zurück, die Bundesregierung habe die Öffentlichkeit im Wahlkampf 2013 über die Aussichten auf ein No-Spy-Abkommen mit den USA getäuscht. Jeder habe "nach bestem Wissen und Gewissen"gearbeitet, beteuert Merkel am Montag - sie meint damit vor allem ihre früheren Kanzleramtsminister Thomas de Maizière und Ronald Pofalla. Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert assistiert: "Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen die Öffentlichkeit informiert."
Es ist nicht das erste Mal, dass die Bundesregierung in der BND-Affäre in Wissens- und Gewissenskonflikte gerät. Im April hatten Kanzleramt und Innenministerium auf eine parlamentarische Anfrage erklärt, es gebe keine Erkenntnisse zu US-Wirtschaftsspionage in Deutschland. Wie sich herausstellte, hatte der BND aber eben solche Hinweise kurz zuvor ans Kanzleramt übermittelt. Die Verteidigungsstrategie auch hier: Die Antwort sei"nach bestem Wissen und Gewissen"erfolgt. Aber: Man wolle nun noch mal überprüfen, ob die gegebenen Antworten zu diesem Komplex noch haltbar seien.
"Bestes Wissen und Gewissen" ist schon seit Merkels Pressekonferenz im Juli 2013 die Formel der Wahl, um den eigenen - ihren - Unwillen zu kaschieren, die Affäre ernsthaft aufzuklären.
Egal was in BND, Kanzleramt und anderen Ministerien zum Thema NSA/BND laufe, ihre Minister hätten"mein volles, vollstes - oder wie immer Sie es haben wollen; Sie bewerten das ja immer - Vertrauen, um das ganz klar zu sagen", sagte sie damals. Sie, die Kanzlerin, wisse, "dass alle nach bestem Wissen und Gewissen ihre Arbeit machen".
Merkel hat damit sich und alle anderen in der Bundesregierung freigesprochen, bevor überhaupt die Klageschrift vorlag. Später hat ihr damaliger Kanzleramtsminister Ronald Pofalla die Affäre kurzerhand für beendet erklärt. Die versprochene Aufklärung? Gibt es bis heute nicht. Die Abgeordneten im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages müssen der Regierung jede Information mühsam aus der Nase ziehen, seit der Ausschuss vor knapp einem Jahr seine Arbeit aufnahm.
Das Problem ist nicht unbedingt, was Merkel am Tag der Juli-Pressekonferenz 2013 womöglich tatsächlich nicht gewusst hat. Das Problem ist, dass sie auch danach offenbar nichts wissen wollte. Und die Bevölkerung in wichtigen Fragen massiv getäuscht hat.
Sie hat damals etwas gesagt, was zwar eine Selbstverständlichkeit ist, aber dennoch bemerkenswert: Dass sie nämlich "als Chefin dieser Bundesregierung eine sehr klare Verantwortung habe". Als Chefin der Regierung müsse sie"zum Schluss den politischen Rahmen definieren und sagen:Was will ich? Und da will ich, dass auf deutschem Boden deutsches Recht eingehalten wird."
Ja, genau so sollte es sein. Es ist ihr Job, das zu wollen und umzusetzen. Nur: Merkel hat es nicht getan. Sie hat zwei Jahre lang die Hände in den Schoß gelegt und sich nicht gekümmert. Nicht der BND hat versagt. Oder, der vielleicht auch. Im BND wurde ganz offensichtlich erst spät erkannt, was die NSA da mit ihm treibt.
Vor allem aber hat Merkel versagt. Sie hat ihr Versprechen gebrochen, die Affäre aufzuklären. Stattdessen hat sie mit einem angeblichen No-Spy-Abkommen Nebelkerzen gezündet um die Bevölkerung zu beruhigen. Wäre sie nicht Kanzlerin - die Affäre böte genug Anlass für einen Rücktritt
Immer wenn jemand in der Politik "nach bestem Wissen und Gewissen" gehandelt haben will, dann ist jeweils Gefahr im Verzug:
- Karl-Theodor zu Guttenberg verteidigte so einst seine Doktorarbeit,
- genauso Annette Schavan -
- Franz Josef Jung rechtfertigte mit diesen Worten seine Informationspolitik zum Kundus-Luftangriff
- der damalige Budespräsident Wulff berief sich darauf
- Hans-Peter Friedrich versuchte, auf diese Weise seinen Kopf in der Edathy-Affäre zu retten ...
Allen ist gemeinsam: Es half nichts...
Textbausteine aus: SPIEGEL-ONLINE und sueddeutsche.de
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Also - diese Floskel "Nach bestem Wissen und Gewissen" beinhaltet doch implizit: Es kann auch völlig anders gewesen sein, wie sich inzwischen herausstellte, aber zum Zeitpunkt der Informationsabgabe galt: "Augen zu - und durch"...
Eine Lüge - das wäre die Verbreitung einer bewussten Unwahrheit - aber mit"nach bestem Wissen und Gewissen" beugt man zwar auch ziemlich bewusst die Wahrheit, täuscht aber vor, es im Moment nicht besser zu wissen - also im Augenblick "nach bestem Wissen" zu formulieren - also mit einer Art aus der Not geborener unausweichlicher Notlüge -
- um Vertrauen nicht zu enttäuschen,
- die eigene Uninformiertheit und/oder
- den eigenen Schlendrian zu vertuschen
- Souveränität vorzutäuschen, wo man eigentlich nur einen blinden Fleck im Wissen und im Gedächtnis hat
- schlicht uninformiert ist
- bewusst einen semantischen Trick benutzt, also die Sprache zur Manipulation nutzt ...
Ja - da wird der Begriff "Gewissen" nach landläufigem Verständnis doch irgendwie gebeugt, missbraucht und vergewaltigt:
- Als 21-jähriger junger Mensch - also vor 47 Jahren - hat dieser Staat in einer 2-stündigen Befragung/Verhandlung meine damaligen Beweggründe zur Kriegsdienstverweigerung "aus Gewissensgründen"überprüft - ich "diente" damals bereits als Gefreiter im Panzer-Aufklärungsbataillon 7 in Augustdorf - ehe ich mich dazu entschloss, dieses eigenartige Verfahren anzustrengen - um dann
- "in erster Instanz""anerkannt" würde...
Würde ich heutzutage mal den "Spieß" umdrehen wollte (was ich tatsächlich als anerkannter staatlich geprüfter Kriegsdienstverweigerer natürlich gar nicht kann ...) - und die Bundesregierung einer Prüfung ihres andauernden"Nach bestem Wissen und Gewissen"unterziehen würde - ich bin davon überzeugt: es wäre kaum auszuhalten, was dabei herauskäme ...
WIKIPEDIA informiert dazu:
- Das Gewissen wird im Allgemeinen als eine besondere Instanz im menschlichen Bewusstsein angesehen, die bestimmt, wie man urteilen soll. Es drängt, aus ethischen bzw. moralischen und intuitiven Gründen, bestimmte Handlungen auszuführen oder zu unterlassen. Entscheidungen können als unausweichlich empfunden oder mehr oder weniger bewusst – im Wissen um ihre Voraussetzungen und denkbaren Folgen – getroffen werden (Verantwortung).
- Das einzelne Gewissen wird meist als von Normen der Gesellschaft und auch von individuellen sittlichen Einstellungen der Person abhängig angesehen. Ohne eine ethische Orientierung bleibt das Gewissen „leer“; „ohne Verantwortung ist das Gewissen blind“.
- Üblicherweise fühlt man sich gut, wenn man nach seinem Gewissen handelt; das ist dann ein gutes oder reines Gewissen. Handelt jemand entgegen seinem Gewissen, so hat er ein subjektiv schlechtes Gefühl; ein schlechtes, nagendes Gewissen oder Gewissensbisse, was man auch als kognitive Dissonanz, der fehlenden Harmonie im Bewusstsein, beschreibt.
- Die heutige Bedeutung von Gewissen geht wesentlich auf Martin Luther zurück: Bei ihm konnte Gewissen auch Bewusstsein oder ein verstärktes Wissen (Gewissheit) ausdrücken. Diese verengte Wortbedeutung stammt vom griechischen syneidêsis-Begriff und dessen lateinischer Übertragung conscientia. Das kann nicht angemessen mit „Bewusstsein“ oder mit „Gewissen“ übersetzt werden; eine neutrale Übersetzung wäre „Mitwissen“. Darunter kann man konkret das Mitwissen einer übergeordneten Instanz um das eigene Handeln verstehen, manchmal eher unser eigenes, handlungsbegleitendes Wissen um den moralischen Wert der Handlung.
- Der Gewissensbegriff ist bereits im Daimonion des Sokrates angelegt: Eine innere Stimme warnt vor falschen Handlungen.
- Das Alte Testament kennt kein eigenes Wort für Gewissen. Vielmehr werden die Funktionen des Gewissens dem „Herzen“ oder manchmal den „Nieren“ als dem Inneren des Menschen zugeordnet. Dabei bezeichnen das Herz als der Ausgangspunkt guter wie böser Taten mehr die verstandesmäßige, die Nieren mehr die gefühlsmäßige Komponente des Gewissens. Bsp: 2.Sam 24,10: „nachdem David das Volk gezählt hatte, schlug ihm das Herz (= das Gewissen)“. In Jeremia 12,2 werden die Gottlosen beschrieben: „Du bist nur ihrem Munde nahe, aber fern von ihren Nieren“, d. h. sie reden zwar von Gott, aber ihre innersten Entscheidungen und Gefühle wollen sie nicht von ihm beeinflussen lassen.
- Im Neuen Testament werden die Bezeichnung Herz und parallel dazu der griechische Begriff syneidäsis = Mitwisser, Gewissen verwendet. In Röm 2,15 wird anschaulich beschrieben, was im Gewissen vor sich geht: „Sie beweisen damit, dass in ihr Herz geschrieben ist, was das Gesetz fordert, zumal ihr Gewissen es in ihnen bezeugt, dazu auch die Gedanken, die einander anklagen oder auch entschuldigen.“
Aus 1. Korinter 4:"Also: Denen eine Verantwortung übertragen ist, die müssen vertrauenswürdig sein. Für mich ist es nicht entscheidend, ob ich von euch oder einem menschlichen Gerichtstag beurteilt werde. Ich urteile ja auch nicht über mich selbst. Ich bin mir keiner Schuld bewusst, doch deshalb bin ich noch nicht gerecht gesprochen. Gott allein urteilt über mich. Deshalb urteilt nicht vor der Zeit, ehe Gott kommt. Er wird das von der Finsternis Verborgene in Licht tauchen und das Anliegen der Herzen offenbar machen. Dann werden alle von Gott ihre Anerkennung erhalten." (Übersetzung nach BigS)
Wie oben schon am eigenen Leibe erfahren: Der bundesdeutsche Gesetzgeber gesteht dem individuellen Gewissen eine sehr hohe Bedeutung zu, beispielsweise indem er seinen Bürgern die Freiheit zur Verweigerung des Kriegsdienstes aus Gewissensgründen einräumt (so Art. 4 Abs. 3 Grundgesetz: Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.).
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Begriff in einer Entscheidung aus dem Jahre 1961 Konturen verliehen. Als eine Gewissensentscheidung gilt danach „jede ernste sittliche, d. h. an den Kategorien von Gut und Böse orientierte Entscheidung […], die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.“
Na - ob sich an dieser selbstgesetzten Maxime das jüngste Merkel-/Seibertsche "Nach bestem Wissen und Gewissen" messen lassen kann ... ??? Ich glaube, beide würden in einer "Gewissensprüfung" mit Pauken & Trompeten durchplumpsen ...