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Rainer Werner Fassbinder - zum 70.

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S!NEDi-art: Rainer Werner Fassbinder - damals - als das anderssein noch zur show gestellt wurde ...


Zum 70. von Rainer Werner Fassbinder

Von mir geliebt und von anderen gehasst


nach einem Text von Christiane Peitz | tagesspiegel.de

Er drehte 44 Filme, starb mit 37 Jahren, geliebt und gehasst. Versöhnt sich die Nation jetzt mit dem streitbaren Filmemacher? Wird der Bürgerschreck nun zum Schöngeist?


Sie liegt nackt auf dem Bett, er sitzt davor, breitbeinig, stumm. Die Familie versammelt sich am Esstisch, die Kamera scannt Gesichter, Blicke, knappe Sätze. Und die Partyleute auf der Terrasse regen sich kaum, als Hanna Schygulla in Zeitlupe tanzt. Liebespaare, Familienaufstellungen, Gruppenbilder mit Stars: Fassbinders Filme sind Installationen einer erstarrten Gesellschaft, die etwas zu verbergen hat, tableaux vivants der Nachkriegsrepublik. Spröde, präzise, von glühender und entlarvender Kälte. 


44 Filme hat Rainer Werner Fassbinder in 16 Jahren gedreht, er wurde nur 37 Jahre alt und starb am 10. Juni 1982 an einer Mischung aus Drogen, Alkohol und einer Überdosis Arbeit. Am 31. Mai wäre er 70 geworden.


Fassbinders Filme sind Sittengemälde, Erkundungen der sozialen Gefüge in Deutschland, Figurenkonstellationen mit Spiegelbildern und sorgfältigen Raumkompositionen.

Berserker, Bürgerschreck, Enfant terrible des deutschen Films: und immer mit Lederjacke und Zigarette. 


Neuerdings ist ganz Deutschland mit Fassbinder beschäftigt. Am 31. Mai wäre er 70 geworden; nach der ersten großen Retro zum 10. Todestag 1992, nach internationalem Ruhm mit Ausstellungen im New Yorker MoMA und dem Pariser Centre Pompidou kehrt der Prophet nach Hause zurück und ist in Mode wie nie. Wird gefeiert, restauriert, digitalisiert, re-inszeniert, musealisiert, aktualisiert, eingemeindet, auf den Kunstsockel gehoben – und alle verstehen ihn jetzt. Die Kulturnation versöhnt sich mit dem großen Außenseiter des deutschen Films - dem Enfant terrible der 68-er schlechthin - diesem unmöglichen Typen, der in nur 16 Jahren 44 Kino- und TV-Filme drehte.


Wie aktuell ist nun dieser Fassbinder, wie historisch? "Fassbinder JETZT"heißt eine Ausstellung in Berlin ...

Fassbinder - nun endlich begnadigt - und plötzlich einer von uns. Einschließlich seiner Homo- und Bisexualität, seiner Politisierung des Privaten, seiner Arbeitswut, seines Drogenkonsums (der mit zu seinem frühen Tod mit 37 Jahren führte, am 10. Juni 1982), seiner Melancholie, seines Leidens an Deutschland, der statischen Einstellungen und der legendären Kamerakreisfahrten. Rainer Werner Fassbinder, eine Marke, ein Label.

Mit Textbausteinen u.a. aus tagesspiegel.de

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Rainer Werner Fassbinder: Ich werde nie vergessen, wie ich im Bielefelder Kamera-Filmtheater saß, um mir u.a. seinen verstörenden Teilbeitrag in dem End-68-er-Epos "Deutschland im Herbst" anzuschauen ... - Nee - anzuschauen ist das falsche Wort: um mit ihm in die Zeit ganz tief einzutauchen oder vielleicht auch aufzutauchen - das wäre vielleicht zu seinem Beitrag richtiger ...



Und dann - dann bin ich jeweils spätabends noch einmal zum "Spätfilm"-Programm aufgestanden, um mir die "unterbelichteten" - die "dunklen" - Teile von"Berlin Alexanderplatz" in all den Fortsetzungen anzuschauen - ein für mich grandioses Werk, das ich als Video-Doku (inzwischen sind die dunklen Passagen digital aufgehellt worden) und mit dem Text-Drehbuch von Zweitausendeins hüte wie meinen Augapfel und wie einen Schatz bewache, in meinem Herzen bewege - mit all seinen Ur-Döblinschen Dialogen ...


Ansonsten habe ich seinerzeit wohl so ziemlich alle RWF-Filmekonsumiert - nee - konsumiert ist wiederum das falsche Wort - vielleicht wäre aufgenommen richtiger - oder vielleicht noch besser: versucht aufzunehmen - so gut ich konnte ... 

Während wir 68-er zum größten Teil damit beschäftigt waren und sind, die faschistische Vergangenheit unserer jungen Republik, unserer Eltern bzw. deren nationalistisch-faschistisch geprägte Umwelt und deren Werden und Sein darin seinerzeit und bis Hier und Heute aufzuarbeiten und zu entlarven, hielt RWF bereits uns als Nachfolgegeneration den Spiegel vor: WIE überwinden wir unsere ganz persönliche [Mit]schuld  -  WIE erklären wir uns unsere RAF-Entgleisungen und auch die übergriffigen Nicht-"Erziehungs"-Methoden und unverzeihlichen Tabu-Brüche, mit denen wir zu experimentieren versuch(t)en und so unsere Kinder befracht(et)en und belast(et)en ... = Denn diese alte "Schuld" verbreitet(e) sich weiter - so wie die Pest - sie infiziert(e) ausgehend vom Faschismus und all seinen Greueltaten auch in gewisser Weise (all) die Nachkriegsgeneration(en) - auch noch heute und im Hier & Jetzt ... 

Gewiss - vieles davon ist nicht etwa "genetisch" in uns eingepflanzt - vieles können wir im reflektierten Handeln und So-Sein ein paar Jahrzehnte danach vielleicht erfolgreicher überwinden - doch immer erst, nachdem wir uns mit jener Zeit - und dieser unmittelbaren [Nachkriegs-]Generationskultur der 68-er und dem was sie damals umtrieb - auch wirklich auseinandergesetzt haben - vielleicht mit ein paar Fassbinder-Filmen, die uns mit hineinnehmen in ein solches unmittelbares Durchleben ...

Ein abermaliges oberflächliches "Verdrängen" wäre gesellschafts-politisch und sozial nur als pathologisch zu bezeichnen - "machte uns alle nur noch kränker" - ...



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