Besuch im KZ Dachau - Unter Verwendung eines Fotos der Realschule Weilimdorf (rsweilimdorf.de) |
freiwilliges Interesse wecken - wäre sicherlich besser ...
Schüler aller Schularten sollten sich in KZ-Gedenkstätten mit der Geschichte auseinandersetzen
von Lisa Scheremet, Jüdische Allgemeine
Einen Pflichtbesuch in KZ-Gedenkstätten für alle Schüler forderte der Zentralrat der Juden bereits im Januar. Für Gymnasien gilt das längst. Die bayerische CSU lehnt eine Ausweitung solcher Pflichtbesuche auf andere Schularten nun ab. Viele Schüler stammten aus Migrantenfamilien, andere hätten »kognitive und emotionale Einschränkungen«, heißt es zur Begründung.
Wir stehen vor dem winzigen Gebäude, versteckt in einem Innenhof. Heute ist es ein Wohnhaus, lediglich die Tafel mit der Aufschrift »In diesem Gebäude befand sich die Synagoge, das Gotteshaus der jüdischen Gemeinde in unserer Stadt« erinnert daran, dass dieses Häuschen vor Jahrzehnten mit jüdischem Leben gefüllt war. Meine Schüler sehen das Haus zum ersten Mal, eine Erinnerung an das Grauen der Nazizeit in ihrer Heimatstadt.
EMPATHIE
Die Schüler verschlingen jedes meiner Worte, ihre Fragen enden nicht. Ich entdecke Empathie, Interesse und Traurigkeit in ihren Augen. Es ist so anders als der normale Unterricht, es ist gelebte Geschichte, es ist das, womit wir Lehrer die Schüler teilhaben lassen. Diese stummen Zeugen, die es in fast jeder deutschen Stadt gibt, sind besser als jedes Geschichtsbuch.
Die Jugendlichen möchten wissen, »warum alle etwas gegen die Juden haben«, ob jemand aus meiner Familie in der Schoa umgekommen ist und ob wir nächstes Jahr ein ehemaliges Konzentrationslager besuchen können, »weil doch viele aus unserer Klasse damals auch dort gelandet wären«. Wir sprechen über gängige Beleidigungen wie »Zigeuner«, »Schwuchtel«, »Jude« oder »Behinderter«.
VERANTWORTUNG
Die Welle des Antisemitismus, Rassismus und der Abwertung aller, »die nicht so sind wie ich«, verbreitet sich rasant auf deutschen Schulhöfen. Doch nach diesem Tag spüre ich Zuversicht. Die Jugendlichen haben sich auf die Herausforderung eingelassen und verstanden, dass man für seine Mitmenschen Verantwortung trägt. Für diese Verantwortung gibt es weder ein Mindestalter, noch eine bestimmte Herkunft oder emotionale Stabilität. Diese Verantwortung muss jeder von uns übernehmen, in jeder Gesellschaftsschicht, von klein auf.
Ich nehme mir vor, mit meiner Klasse eine KZ-Gedenkstätte zu besuchen. Solche Besuche müssen für alle zur Pflicht werden, um aus der Vergangenheit zu lernen und zu verstehen, dass es keine Rolle spielt, welche Hautfarbe, Religion oder Sexualität ein Mensch hat. Wenn wir Lehrer es nicht tun, wird es keiner tun.
Die Autorin ist Lehrerin an einer Hauptschule.
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Ja - mit dem Anliegen an sich bin ich unbedingt einverstanden: jede Schülerin - jeder Schüler - sollte in der Schulzeit unbedingt Gelegenheit bekommen, sich mit den Gräueltaten des NS-Regimes tatsächlich hautnah auseinanderzusetzen. Und das ist wohl am eindrücklichsten und profiliertesten in den Gedenkstätten selbst gegeben, wo zum größten Teil gut vorbereitete Info-Materialien und oft gut gemachte Unterrichtsmedien auch für Schüler und Jugendliche vorgehalten werden, oder auch in der Begegnung mit diesbezüglichen Dokumentationen, Archiven bzw. tatsächlichen oder virtuellen Zeitzeugen und Familienangehörigen und Nachkommen oder mit einem Rundgang zu den örtlichen "Stolpersteinen" - für ein Innehalten und Gedenken an die namentlich genannten NS-Opfer direkt vor Ort - in der Nachbarschaft ...
Aber so etwas - vom amtlichen Sprachgebrauch her - gleich wieder zu einem "PFLICHTbesuch" zu apostrophieren, ist meiner Meinung nach nicht angebracht. Vielleicht sollte ein Religions-, Ethik- oder Geschichtsunterricht von den Lehrkräften in den jeweiligen Kursen und Klassen inhaltlich so plastisch eindrücklich vermittelt werden, dass die Schüler von selbst motiviert sind, sich mit den konkreten überkommenen Überbleibseln und Zeugnissen aus dieser schrecklichen Zeit reflexiv und in Diskussionen lebendig und fundiert auseinanderzusetzen ...
"PFLICHTbesuch" | nach einem foto von rbb berlin ... |
Natürlich hat jede Nachkriegsgeneration das Recht, die Gedenkkultur an den Holocaust und den weiteren NS-Massenmorden - an Roma und Sinti, Schwulen, Psychiatrie-Insassen im Rahmen der NS-"Euthanasie", Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen u.a. - auf eine ihr angemessene Weise zu entwickeln - doch sollte auch immer etwas von Respekt, Ehre und Würde gegenüber den Opfern darin abzuspüren sein - und die inneren Strukturen eines faschistischen Systems mit seinem Blut- und Boden-Denken sollten mit erarbeitet werden können ...
"PFLICHTbesuch" | nach einem foto von rbb berlin ... |
Und das hat aber auch so gar nichts mit dem von der CSU ins Spiel gebrachten Migrationshintergrund einiger Real- oder Haupt-Schüler zu tun oder anderen "kognitiven und emotionalen Einschränkungen" der Schüler, sondern immer auch mit dem Unvermögen des in erster Linie für die Erziehung verantwortlichen Elternhauses, mit dem Unvermögen der Kultusminister und den von ihnen festgelegten pro Schuljahr durchzupaukenden Unterrichts-Lehrstoffen in eng begrenzten und genau festgelegten Zeitplänen - und vielleicht auch - 70 Jahre nach Ende der NS-Zeit - mit dem mittlerweile generationsbedingten Desinteresse und der Unwissenheit darüber auch des vermittelnden Lehr- und Unterrichtspersonals ... - meint S!