Die seit 1999 in den Sommermonaten stattfindende NordArt gehört zu den größten jährlichen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Europa. Sie wurde vor einer Woche in der ehemaligen Eisengießerei der Carlshütte in Büdelsdorf eröffnet. Ich habe sie leider erst vor einem Jahr dort entdeckt - genau am letzten Tag der Ausstellung.
Aber in diesem Sommer plane ich einen mehrtägigen Besuch dort fest ein - denn die Ausstellung ist ein Phänomen, sozusagen die jährliche [Nord]dOCUMENTA ... Um mich und Sie hierzu einzustimmen, hier dieser Beitrag ... - lassen Sie sich bezaubern ...
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NordArt 2015
Auch wenn man die Region zwischen Ostsee und Nordsee meist mit ländlicher Idylle assoziiert, findet genau dort eine der größten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Europa statt. Vom 6. Juni bis zum 4. Oktober 2015 wird im Kunstwerk Carlshütte im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf die inzwischen 17. Auflage der spektakulären Schau ausgerichtet. Die NordArt 2015 präsentiert Werke von 250 ausgewählten Künstlern aus 50 Ländern. Der diesjährige Länderfokus liegt auf der Mongolei mit einem eigenen Pavillon.
Die Hallenschiffe der stillgelegten Carlshütte, ehemals Norddeutschlands größtem Eisenwerk, bilden mit 22.000 Quadratmetern eine ebenso riesige wie faszinierende Kulisse für 1.000 Kunstwerke. In dem dazugehörigen 80.000 Quadratmeter großen Skulpturenpark sind über 100 Objekte ausgestellt. Der stetige Zuwachs an Bewerbern, rund 3.000 Künstler aus 99 Ländern haben dieses Jahr ihre Arbeiten eingereicht, ist ein beeindruckendes Indiz für das Renommee der ungewöhnlichen Ausstellung. Unter dem Vorsitz des Chefkurators Wolfgang Gramm wählt die Jury Werke aus den Bereichen Malerei, Installationen, Skulpturen, Fotografie und Multimedia aus. Das Konzept der Initiatoren ist ein Gesamtkunstwerk, das sich im Spannungsfeld der Arbeiten von etablierten Künstlern und Newcomern befindet. Trotz ihrer Verschiedenheit entwickeln sie eine gemeinsame Sprache, die mit dem spröden Charme der Industriearchitektur im Dialog stehet.
Seit einigen Jahren stellt die NordArt ein Land mit eigenem Pavillon in den Fokus. Nach China, den baltischen Staaten und Russland ist es in diesem Jahr die Mongolei. Eine Entscheidung, die sich durch Aktualität auszeichnet, da sich 2015 moderne Kunst aus der Mongolei in Europa vorstellt. Das Debüt erfolgt auf der im Mai beginnenden Biennale in Venedig, und ab dem 6. Juni werden dann, in Kooperation mit der mongolischen Botschaft, in Büdelsdorf die Werke von 34 Künstlern des Landes zu sehen sein. Die Schirmherrschaft hat L. Gantumur, Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft der Mongolei, übernommen. Kuratoren des Mongolischen Pavillons sind O. Oyuntuya und J. Bodibaatar.
Im Vorfeld der NordArt findet seit 2000 das internationale NordArt-Symposium statt. Bis zu 20 Künstler aus verschiedenen Generationen und Ländern werden im Mai etwa vier Wochen lang auf dem Gelände leben und arbeiten, um über Grenzen hinweg gemeinsam Kunst zu schaffen. So entstehen exklusiv für die NordArt großformatige Werke (Skulpturen, Installationen, Malerei).
Nachdem 2014 das Sonderprojekt „China Garden – Confronting Anitya“ mit dem ersten NordArt-Publikumspreis ausgezeichnet wurde, ist 2015 eine neue Auswahl chinesischer Objekte zu sehen. Kurator der „China Garden 2015“ ist Liang Kegang.
Neben dem Publikumspreis wird jährlich ein Künstler mit dem NordArt-Preis ausgezeichnet. Der Preisträger von 2014, die Gruppe AES+F aus Russland, ist wieder mit einer Videoarbeit in der NordArt 2015 vertreten. Der mit 10.000 Euro dotierte NordArt-Preis wird seit 2010 von Hans-Julius und Johanna Ahlmann (ACO Gruppe) gestiftet. Das Unternehmerpaar veranstaltet und finanziert in Form eines Public-Private-Partnership gemeinsam mit den Städten Büdelsdorf und Rendsburg die Ausstellung. Die stetig steigenden Besucherzahlen – 2014 zählte man 70.000 Gäste – sind für die Organisatoren ein gutes Zeichen und Ansporn, das schleswig-holsteinische Büdelsdorf als Hotspot der Gegenwartskunst zu etablieren.
NordArt 2015 widmet ihren Länderfokus der MongoleiDie Erben des Chinggis Khaan – Zeitgenössische mongolische Kunst
Mit der Mongolei setzt die NordArt ihren vierten Länderfokus nach China, den Baltischen Staaten und Russland. Auch auf der diesjährigen Biennale in Venedig gibt die Mongolei ihr Debüt. In Büdelsdorf (Schleswig-Holstein) wird jedoch aber eine weit größere Zahl von Künstlern – sowohl Newcomer als auch international renommierte – ihre beeindruckenden Arbeiten zeigen. Der Mongolische Pavillon wird von Oyuntuya Oyunjargal und Bodibaatar Jigjidsuren in Zusammenarbeit mit dem Chefkurator der NordArt, Wolfgang Gramm, kuratiert. Die Schirmherrschaft hat Gantumur Luvsannyam, Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft der Mongolei, übernommen. Kooperationspartner ist die Botschaft der Mongolei in Berlin.
Die wechselvolle Geschichte und die kulturelle Tradition aus Naturverbundenheit und der bis heute erhaltenen Nomadenkultur der Mongolen, die vom großen Chinggis Khaan im 13. Jahrhundert geeint wurden und deren religiöse Wurzeln sowohl im Schamanismus als auch im Buddhismus liegen, spiegelt sich auch in den Arbeiten der Künstler wider. Doch auch die Probleme des gesellschaftlichen Umbruchs der noch jungen mongolischen Demokratie bilden einen Bezugspunkt für Rückbesinnung, Zivilisationskritik und Suche nach einem eigenen Standpunkt und einer Identität im globalen Diskurs. Westliche und östliche Traditionen vereinen sich dabei zu überraschend modernen Erzählungen, die mit Fug und Recht als Weltkunst bezeichnet werden können.
So steht Gankhuyag Lkhamsuren (Jahrgang 1961) für formelle und surreale Skulpturen, bei denen Menschen und Tiere harmonisch mit- und nebeneinander koexistieren. Otgonbayar Ershuu, genannt Otgo, (Jahrgang 1981) zeigt in Büdelsdorf ein sechs Meter langes und mehr als zwei Meter hohes, farbenprächtiges und filigranes Gemälde aus Menschen und Tieren. Lkhagvadorj Enkhbat (Jahrgang 1987) widmet sich in seinen Arbeiten den vergessenen, verlorenen, gezeichneten Menschen in der heutigen mongolischen Gesellschaft. Dorjderem Davaa, Bildhauer und Installationskünstler (Jahrgang 1981), sagt über die Kunst: „Der Künstler zeigt die speziellen Momente im Leben, in denen der Mensch nach dem tieferen Sinn von Freiheit fragt.“
Die NordArt 2015 wurde am Sonnabend, dem 6. Juni, um 17 Uhr eröffnet. Zur NordArt erscheint ein deutsch-englisch-sprachiger Katalog mit einem Extrateil zum Mongolischen Pavillon.
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KUNSTAUSSTELLUNG
NordArt in Büdelsdorf eröffnet
Schon Stunden bevor Mäzen Hans-Julius Ahlmann die Kunstausstellung Nordart 2015 mit dem mongolischen Siegesruf „Hipp hipp, Chorää!“ launig eröffnete, strömten 2000 Besucher auf das 80000 Quadratmeter große Außengelände, später in die 22000 Quadratmeter großen Hallen der ehemaligen Eisengießerei Carlshütte. Werke von 250 Künstler aus 50 Ländern werden dort bis zum 4.Oktober gezeigt.
In aller Ruhe Lieblingsstücke erkunden, fiel schwer beim ersten Rundgang durch die von Chefkurator Wolfgang Gramm mit seiner Ehefrau Inga Aru zusammenstellten Schau. In der euopaweit umfassendsten Ausstellung mongolischer Kunst war das Gedränge besonders groß. Lv Chuns provozierendes Großwerk Festmahl mit elf tafelnden Schweinen, wie ein Empfangskomitee gegenüber des Eingangs positioniert, verlockte zum Foto. „Ich komme noch mal wieder,“ entschied Besucher Ewald Plehwe, wie viele andere Stammgäste auch. „Man sieht gar nichts von den Kunstwerken.“
Christoph (55) und Oxana Schlüter (38) aus Schönkirchen schafften es, kurz den Feinschliff
der bankähnlichen Holzskulptur von Lee Jae-Hyo zu ertasten, bevor der Hinweis vom Sicherheitserpersonal „nur gucken, nicht anfassen“, die Entdeckerfreude stoppte. Die gebürtige Russin fand in der Schau Bizarreland im Ausstellungsraum China Garden ein zweites Lieblingsstück: Eine Collage aus vervielfachten Häuser-Bildausschnitten, die kleinteilig aufeinandergesetzt, auf den ersten Blick wie Landschaften und Wälder aussahen.
Günter Senkel (57) beeindruckte die schiere Größe der Ausstellungsflächen. „Es ist schon genial, was man hier präsentieren kann.“ Überraschung für den Kieler: „Ich hab ein Bild von meinem Freund Sascha Kaiser entdeckt. Hier auszustellen, ist ja schon eine Beförderung.“
Gast und Helfer Egon Blitza genoss unter einer blühenden Kastanie hinter der Wagenremise die Wirkung der Skulptur des Schweden Richard Brixel. Blitza hatte geholfen, das Werk On the rope mit der Dame, die über ein Seil ins Nichts balanciert, von der Grünfläche mit den hohen Bäumen am Eingang an ihren neuen Standort zu transportieren. Der Neumünsteraner war mit dem Standort zufrieden. „Sie braucht Himmel.“
Text und Bildmaterial: Beate König | Kieler Nachrichten