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Eugen Drewermann hat heute Geburtstag

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 Herzlichen Glückwunsch zum 75.

 ... ich hatte einmal während einer Mitarbeiter-Bildungsfahrt meines damaligen christlich-diakonischen Dienstgebers regelrechte Wortgefechte mit meinen vom Ravensberger Pietismus durchdrungenen Kollegen und Abteilungsleitern wegen der Botschaft dieses für mich wahrhaften Christenmenschen Eugen Drewermann, der es endlich öffentlich aussprach: Man muss die Bibel symbolisch und tiefenpsychologisch lesen und erfassen und weitergeben, wie auch Jesus damals die ihm unterkommenden Bildsymbole aus der Torah mit den tiefenpsychologischen Gleichnissen und Bildsprachen seiner Zeit beispielhaft erklärte und zeitgemäß umwandelte und reformierte - und insgesamt muss das heutzutage besonders in den "heiklen Stellen" der Bibel geschehen: bei der Jungfrauengeburt, oder dem angeblich von Gottvater eingeforderten und erst späterdings von Paulus erfundenen Sühnetod am Kreuz: "für uns alle hingegeben zur Vergebung der Sünden...", von der leiblichen Auferstehung, von Himmelfahrt und Pfingsten - von all den wunderbaren Geschehnissen mit und um Jesus herum - denn all diese "Wunder" sind nicht tatsächlich - in real life - passiert - sondern die Seelen und das Erinnerungsvermögen der Apostel-"Zeugen" haben sich diese Ereignisse späterhin so erklärt - bzw. sind ihre Berichte und Erzählungen von Redakteuren mehrere Jahrzehnte später erst so verschriftlicht worden - anfangs nach den Erklärungen, die der natürliche Selbstschutz der Seele bei solchen für die Apostel traumatischen Ereignissen produziert, um eben nicht an einer "posttraumatischen Belastungsstörung" zu erkranken und zu verzweifeln ...

Und damit hat Eugen Drewermann diesen Jesus und diesen Gott wiederum ziemlich menschlich dargestellt - in der Face-to-Face-Begegnung - und so aus dem "Himmel" gezogen und zurück auf den Teppich gestellt ...

Das mochte die amtliche katholische Kirche ebenso wenig wie die verbrämt vor sich hin huschenden und sich abgrenzenden protestantischen Würdenträger, die es aber versäumt haben, die Reformation Luthers "praktisch" und glaubensmäßig in die Gegenwart mit zu transportieren und zeitgemäß zu modifizieren - mitzugehen ... Auch sie distanzierten sich mehrheitlich mehr oder weniger von Eugen Drewermann - "so radikal nun auch wieder nicht - wir sind doch keine Psychotherapeuten - sondern Seelsorger (was ja in Wirklichkeit dasselbe ist - Seelsorge ist ja lediglich eine Übersetzung ins Deutsche des Begriffes Psychotherapie...) ..." - und so gingen die Theologie-Studenten ihrem gewohnten Vorlesungstrott in den Kirchlichen Hochschulen nach und späterhin als eingesegnete Pfarrer den zermürbenden "Wir-haben-uns-alle-lieb"-Gottesdiensten in den Gemeinden vor Ort - natürlich inzwischen mit "modernen Rock-Gottesdiensten  für die Jugend" oder einem "Taizé-Singsang-Abend" bei Kerzenlicht und dem obligatorischen Händeschüttel-Senioren-Kaffeetrinken nach dem Gottesdienst - und natürlich den zur Schau getragenen lokal unterschiedlichen Gemeindetheologen-Eitelkeiten: Schaut her - ich bin Euer Herr Pfarrer - oder sogar Eure Schwester Pfarrerin - mit der"Bibel in gerechter Sprache"unterm Arm...
Gewiss - wenn sich beide Konfessionen dem Eugen Drewermann gedanklich und seelsorgerlich in irgendeiner Weise angemessen angenähert hätten, wären die Kirchen bestimmt noch leerer - und die Austritte aus den Kirchen hätten noch mehr zugenommen und einige Pfarrer hätten dadurch ihren Job verloren - aber der schnöde Rest hätte "freier" glauben können - und wäre dann  e i n e  wahrhafte Gemeinde Jesu - mit einem verbindlichen Abendmahl-Ritual für alle gemeinsam ... 


DER PADERBORNER THEOLOGE DREWERMANN FEIERT HEUTE SEINEN 75. GEBURTSTAG. | © FOTO: MARC KÖPPELMANN | NW




Kämpferischer Prediger

Eugen Drewermann wird heute 75 Jahre

Von Matthias Bungeroth | NW



Seine Stimme ist sanft und fest zugleich. Denn wenn Eugen Drewermann das Wort ergreift, spricht er durchdacht und aus innerster Überzeugung. Das brachte dem Paderborner Theologen den Entzug der Lehr- und Predigtbefugnis durch die katholische Kirche ein. An diesem Samstag wird der Kirchenkritiker 75 Jahre alt. 

Genau erinnert sich Eugen Drewermann an den 8. Oktober 1991. "Zufällig war ich an diesem Tag beim Südwestfunk in Baden-Baden", berichtet Drewermann. Gegen 10 Uhr wurde über die Nachrichtenagenturen der Entzug der Lehrbefugnis für den Paderborner Theologen durch den Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt bekannt. 

Aus einer "normalen Veranstaltung im Sender" wurde purer Stress. "Wir sind von Studio zu Studio gerast." Denn natürlich hatten viele Journalisten Fragen an Drewermann. Zwischendrin wurde noch ein Beitrag für das Magazin "Report" von Franz Alt am Abend produziert. Denn zeitgleich hatte Drewermann schon wieder einen Vortrag. "Der ganze Tag war ein einziges Rennen", so Drewermann. Dabei ist ihm persönliche Popularität bis heute eher unangenehm. "Ich bin in keiner Weise publikumsorientiert." 

Jene Stunden im Oktober 1991 bezeichnet Drewermann auch heute noch als "einen Tag, den es nie hätte geben müssen". Er und Kardinal Degenhardt seien sich bis dahin "menschlich völlig fremd geblieben", so der Theologe. "Er hätte meine Bücher nicht gelesen, und ich hätte beim Schreiben nicht unbedingt an ihn gedacht." Doch die Verurteilung sei auf Weisung des damaligen Chefs der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, zustande gekommen.

Zugespitzt hatte sich der Konflikt unter anderem durch ein Interview im Magazin Der Spiegel, in dem Drewermann die Jungfrauengeburt als biologische Tatsache anzweifelte. "Man muss die Bibel an zentralen Stellen symbolisch lesen." Das gelte für die Jungfrauengeburt ebenso wie für die Himmelfahrt. Wenn man nicht symbolisch denken könne, gebe es keine Anknüpfung an die Religionsgeschichte oder die Psychologie.

Doch die Kirche habe auf seine Thesen reagieren müssen, "weil der Publikumszulauf enorm war". Er habe den Menschen helfen wollen, die Botschaft Jesu zu finden, eine Symbiose aus Psychotherapie und der Botschaft des Neuen Testaments. "Ich habe nicht gewusst, dass, wenn man Menschen frei macht, man die Macht der Kirche bedroht." 

Doch kein Bischof solle die Macht haben, das Leben eines Menschen zu verändern. "Ich habe einfach so weitergelebt." Dies gilt bis heute. In Büchern, Radiosendungen, Zeitungsartikeln, Vorträgen und der Arbeit als Psychotherapeut finden Drewermanns Erkenntnisse weiter ihren Niederschlag. "Was allemal zu kurz kommt, ist die körperliche Bewegung", schmunzelt der 75-Jährige. 

Gerade erschienen sind ein Buch über Jan Hus und ein Band über griechische Mythen. "Ich verstehe die Griechen sehr viel besser als den amerikanisch eingerichteten Welterpressung-IWF", sagt Drewermann. Der IWF stelle "neoliberale Kautionen, die das Land endgültig ruinieren". Man fürchte, dass die Wirtschaftspolitik in ganz Europa an den Arbeitnehmern orientiert werde und nicht vom Kapital. "Deshalb muss man Griechenland erpressen und niederzwingen." 

Kämpferisch zu sein und für seine Überzeugungen einzustehen, ist keine Frage des Alters. Diesen Eindruck erweckt Drewermann zu jedem Zeitpunkt. "Ich werde nicht mehr in die katholische Kirche eintreten", sagt der Theologe. "Jesus hat bekanntlich keine Kirchen, geschweige denn Konfessionen eingerichtet." 

Trotz seiner Kirchenkritik hat Drewermann Lob für den amtierenden Papst Franziskus übrig. "Er tut all die Dinge, die ich mir seit langem gewünscht hätte." Er habe Flüchtlinge auf Lampedusa besucht, den Waffenhandel in Syrien angeprangert, mit Juden und Muslimen gebetet. "Er nennt den Kapitalismus eine Wirtschaft des Todes", sagt er. Doch: "Wo Franziskus es ernst meint, hält man ihn für einen Hofnarren am Vatikan." Er warte auf Reaktionen. Diese müssten aber von unten kommen. "Genau das ist nicht der Fall." 

Theologen äußerten sich erst dann öffentlich, "wenn es ihnen erlaubt wird, von oben herab". Doch dies sei keine Freiheit, sagt Drewermann. "Eine Freiheit, die sich erst wagt, wenn sie erlaubt wird, ist keine Freiheit, sondern die Fügsamkeit eines Hundes, der auf den Pfiff des Herrchens apportiert." 

Seine Fundamentalkritik an der Reformfähigkeit der Amtskirche bringt ihn aber nicht von seiner christlichen Überzeugung ab. "Die Botschaft Jesu ist unendlich viel größer als das, was die katholische Kirche sich erlaubt hat, daraus zu machen." 

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INFO
Stationen einer Biografie

  • Am 20. Juni 1940 wird Eugen Drewermann in Bergkamen als Sohn einer Bergmannsfamilie geboren.
  • Nach dem Abitur 1960 studiert er Philosophie und Katholische Theologie. 
  • 1966 wird Drewermann zum Priester geweiht und arbeitet als Studentenseelsorger sowie Subsidiar der Gemeinde St. Georg in Paderborn.
  • Es folgen eine Ausbildung in Neopsychoanalyse und die Habilitation in katholischer Theologie 1978.
  • Ab 1979 hält Drewermann Vorlesungen an der Theologischen Fakultät Paderborn. 
  • Entzug der katholischen Lehrbefugnis 1991 und der Predigtbefugnis 1992 durch den Paderborner Erzbischof Degenhardt wegen strittiger Fragen der Bibelauslegung.
  • 2005 tritt Drewermann aus der katholischen Kirche aus. 
  • Bis heute: Arbeit als Buchautor, Redner und Psychotherapeut. (bth)



Von Matthias Bungeroth | NW © 2015 Neue Westfälische | Samstag 20. Juni 2015


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