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Flüchtlingstote in Österreich: Ihr kommt hier rein ... - impuls für die woche ...

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Der verhängte abgeschirmte Leichen-LKW

Inzwischen gibt es die feststehende Gewissheit, dass in diesem hier mit Decken verhängten Kühl-Lkw 71 Syrien-Vertriebene zusammengepfercht qualvoll in einem vielleicht stundenlang andauernden verzweifelten Todeskampf erstickt sind (laut "zeit.de" vom 28.08. - 11.40 Uhr - sind es insgesamt 4 Kinder - 3 Jungen im Alter von etwa 8 bis 10 Jahren, und ein Mädchen, das wohl noch keine 2 Jahre alt war - und 8 Frauen und 59 Männer) - die den Schleppern dafür auch noch Geld zahlten - das alles ist einfach mitten in €uropa zu sogenannten "Friedenszeiten" Anno 2015 einfach unfassbar - und dieser 71-fache Massenmord bestimmt fortan die Tagesordnung - und lässt uns hoffentlich innehalten ...  
Wie qualvoll die Flüchtlinge umkamen, wie sie noch verzweifelt um ihre Leben kämpften, legt ein Bericht des ORF nahe. Demnach sollen die Menschen noch versucht haben, sich aus dem Lastwagen zu befreien. Der Laderaum des Fahrzeugs sei von innen nach außen ausgebeult und teilweise aufgeschlitzt, heißt es.  
Nur bedingt geben vielleicht mittelalterliche Horrorabbildungen und vielleicht auch die Bilder von den letztlich vorgefundenen Leichen in den deutschen KZs nach dem Erreichen der Befreiungsarmeen dort im Frühjahr 1945 in etwa wieder, was da an Elend und Brutalitäten diesen Menschen in diesem Kühlwagen widerfahren ist ..., aus dem dann nach Tagen das Leichenwasser herausrinnt und an dem Tausende von Autos einfach ahnungslos vorbeidonnern ... - und die eigentlich nach ihrer oft halsbrecherischen Fahrt über das Mittelmeer nur nach einem Stück Ruhe, Sicherheit und Geborgenheit im gelobten christlichen Abendland suchten: Völlig ehrlos und ohne jede Würde - einfach stickum verreckt an irgend einem Autobahn-Farbahnrand fern ihrer Heimat ... - weil ihnen immer noch kein legaler Ausreiseweg per Flug oder Bus oder Eisenbahn aus ihrer Notlage von den angeblich so christlich geprägten europäischen Regierungen in deren Auslandsvertretungen angeboten wird ... - stattdessen will man nun die Schlepperbanden - wieder einmal - stärker unter Kontrolle nehmen ...
Und genau an diesem Tag - mit einer so furchtbar perfiden Gewissheit und den dazu weiterhin tiefbohrenden Fragen - sagt die vor 3 Jahren in weiser Voraussicht in Herrnhut (Oberlausitz) gezogene und für heute maßgebliche Tages-Losung:
Ich will sie sammeln von den Enden der Erde, auch Blinde und Lahme, Schwangere und junge Mütter, dass sie als große Gemeinde wieder hierher kommen sollen.
Jeremia 31,8
und der Lehrtext aus dem NT dazu:
Der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.
Lukas 14,23
Picasso's Wahlspruch lautete: "Ich suche nicht - ich finde ..." - ja - und diese "Zufalls"-Strategie des "passenden" Auffindens genau zur rechten Zeit hat auch just an diesem dunklen Tag diese hellen Worte zur Losung bestimmt. 

„Heute geschlossene Gesellschaft!“: so kann man es ab und zu an der Tür eines Restaurants lesen, und so lesen es auch die Vertriebenen aus Syrien und Eritrea und aus Libyen permanent und virtuell angepappt an den Grenzzäunen €uropas: „Out of bounds!“ - Zutritt verboten - und die Botschaft ist unbarmherzig klar: „Ihr kommt hier erst einmal nicht rein!“ Manchmal erhaschen sie vielleicht einen Blick durch die dichten Stacheldrahtmaschen der Grenzzäune - hinüber in das "gelobte Land" - und sie denken „Da wäre ich gerne dabei!“, vor allem, weil sie Hunger haben und völlig übermüdet und erschöpft sind und nun weiter nach Essen und einen Platz zum Ausruhen suchen - doch stattdessen: „Heute geschlossene Gesellschaft!“



Ganz anders klingt das Wort Jesu: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. ... - Geh hinaus auf die Landstraßen und such sie auf an den Rändern der Autobahn und geh an die Grenzzäune und nötige alle Vertriebenen und ziellos Umherirrenden hereinzukommen, auf dass mein Haus voll werde.“ 

Das ist seine große Einladung an die gesamte Welt und auch an uns. Wir dürfen zu ihm kommen, mit allem, was uns belastet, mit den tonnenschweren Sorgensteinen, die uns den Atem nehmen und mit den Seelenqualen, für die wir sonst keinen anderen Ort wissen. Und wir dürfen auch jetzt zu ihm kommen, wenn wir ihm von dem aufgefundenen mit erstickten Leichen gefüllten Lastwagen erzählen und deshalb unser schlechtes Gewissen erleichtern müssen ...

Aber wir würden Jesus völlig falsch verstehen, wenn er nur die Mühseligen zu sich riefe. Auch die Fröhlichen, die Starken, die Erfolgreichen haben Platz bei ihm - die, die schon "drinnen" hinter dem Grenzzaun der €U wohnen ... - Aber das ausnahmslos alle kommen dürfen, dass wir kommen dürfen mit unserer Lebenslast, das macht ihn so besonders. Das schenkt uns so großen Trost. Jesus will mit allen an einem Tisch sitzen - jeder soll seinen Platz finden - ob Schwarz oder Weiß - ob Reich oder Arm - ob Jung oder Alt - ob Mann oder Frau - ob Muslim oder Christ oder Jude oder Hindu - oder Voodoo-Gläubiger - und ganz explizit besonders noch: " Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes." (Matthäus 19,14) ...

Jesus lädt also dazu bereits vor gut 2000 Jahren ein - und nur die Regierungen dieser christlich geprägten Staaten hüten ihre Grenzen - und ihren Besitz - und tun sich so schwer mit Gastfreundschaft und Herberge ..., mit Eingliederung und Inklusion ... 

Um uns vor Augen zu führen, was er meint, erzählt er uns das Gleichnis vom großen Abendmahl. Und wenn die Menschen der Zeit Jesu von diesem großen Fest hören, dann wissen sie: da ist das Himmelreich hier auf Erden gemeint - das ist bereits das "Reich Gottes" - alle zusammen - alle gemeinsam. So wird es sein, wenn wir mit Gott die neue Welt hier unten in real life vollenden. Wie eine Riesen-Fete, eine Hochzeit, ein großes Abendmahl. So ist es gleich klar: das, was Jesus hier erzählt, handelt von diesem Reich Gottes und von uns und von der großen Freude, die uns erwartet. Und es heißt hier nicht „Heute geschlossene Gesellschaft! - Out of bounds!“, sondern„Kommt, denn es ist alles bereit!“. Alles hat Gott für seine Geladenen vorbereitet. Nun soll es losgehen, nun soll gefeiert werden. Doch jetzt passiert etwas, was wir vielleicht auch von anderen Feierlichkeiten kennen: Die Eingeladenen sagen ab. Und zwar nicht einer, sondern alle - einer nach dem anderen. Enttäuschend und verletzend ist das natürlich für diesen freigiebigen Gastgeber, der mit uns - face to face - in einem Boot sitzen will ... 

Denn für die, die absagen oder nicht kommen können, ist Anderes wichtiger als das große Fest: Mein Visum ist nicht fertiggeworden - das wird uns verweigert - ich bin in Abschiebehaft - ich habe kein Bleiberecht - der Schlepper wartet noch auf seine letzte Rate, ehe er uns mitnimmt ... Und die, die bereits "drinnen" wohnen sagen ab, weil sie nicht mit "diesem eingeladenen Pack" an einem Tische sitzen wollen ... - weil "die vielleicht mit den Fingern" ihr Kichererbsen-Humus essen wollen - und vielleicht die andere, die in den Boden eingelassene Hock-Toilettenschüssel benutzen möchten, weil sie hygienischer ist - und weil sie es so gewohnt sind ... - und mit Andersgläubigen essen sie vielleicht grundsätzlich nicht ... Auch weil mit denen ja sowieso nicht über die letzten Aktienkurse in ihrem Auf und Ab zu diskutieren ist - und nicht über die Bundesliga-Mannschaften und die Tabelle und das letzte Tor von Reus neulich im €urocup-Spiel...

Und der Ruf: „Kommt, denn es ist alles bereit!“ wird insgesamt ignoriert. Sie haben Anderes im Herzen. Denn diese Einladung muss mit dem Herzen gehört werden, sonst hört man sie gar nicht. Die Einladung bedeutet nämlich: Alles ist bereit für dich! Aber die Eingeladenen sagen: Ich will nicht. Ihr Herz ist verschlossen. Ein verschlossenes Herz aber hört Gottes Einladung nicht. Die prallt dann ab an den Dingen, die wir vor unserer Herzenstür stellen: ein Visum, eine Hock-Toilette, die Börsen-Kurse ...

Doch der Gastgeber da im Gleichnis will feiern. Er schickt seinen Knecht noch einmal los. Nun werden die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen hereingeführt, die Stadtstreicher, die Huren, die Durch- und die Vertriebenen, die Flüchtlinge ... Und weil dann noch Platz ist, auch noch die Landstreicher und Tippelbrüder und -schwestern von der Straße - und die Streunenden, Umherirrenden von der Autobahn. Denn der Ruf„Kommt, es ist alles bereit!“ gilt  ja noch. 

Grenzzaun €uropa - Ihr davor - und Wir dahinter ... - Bild: epa ANA/picture alliance/dpa


Nun sitzen sie da, und ich kann sie vor mir sehen, diese Mühseligen und Beladenen, ungläubig staunend über das wunderbare Essen und die Freundlichkeit des Herrn, der sie freudig empfängt. Sie können ihr Glück kaum fassen. Denn das hatten sie niemals im Leben erwartet. Denn eigentlich war es doch klar: blind, lahm und vertrieben und verkrüppelt, von Armut und Erschöpfung gezeichnet, und sogar Muslim statt Christ, hatten sie nichts zu erwarten. Ihre Bedürftigkeit sieht man ihnen doch gleich an. Und fragen wir uns ehrlich: Wer von uns würde sich mit Solchen zu einem Festessen an einen Tisch setzen? Mit Solchen, denen man sofort ansieht, was mit ihnen los ist. Nun erzählt uns Jesus seine Gleichnisse ja vor allem, um uns zum Staunen und zum Nachdenken zu bringen.„Du würdest dich mit so einem nicht an einen Tisch setzen. Aber bei Gott haben sie ihren Platz!“ 

Nun würden wir Jesus wieder falsch verstehen, wenn wir aus ihm einen Sozialromantiker machten. Jesus Christus warnt uns immer wieder vor den Folgen, die der Reichtum auf unser Herz auswirken kann. Aber zu denken, nur die Armen werden gerettet und die Reichen verdammt, denkt anders als Christus. Denn Christus will in unser Herz. Er weiß doch, wie bedürftig wir sind, auch die Reichen - auch der 24-jährige Fußballer Kevin de Bruyne mit seinen 18 Millionen Jahresgehalt ... Und er weiß auch, wie oft wir unsere Bedürftigkeit verstecken und uns schämen - trotz dem Allen - trotz diesen ungereimten Verrücktheiten ...

Die Blinden, Lahmen, Verkrüppelten und Landstreicher, die Huren und die Vertriebenen, die können ihre Bedürftigkeit gar nicht verstecken. Denen ist es doch anzusehen, dass sie arm dran sind. Die suchen einen Ort, wo ihre Sehnsucht gestillt wird, wo sie Freude und Leben erfahren können. Vielen von uns fällt es schwer, unsere Bedürftigkeit zu zeigen. Kirche, so sagen wir gerne, soll da sein für die, die sonst keinen Raum haben. Und das ist auch gut so. Aber wir machen Kirche viel zu klein, wenn wir sagen: sie soll nur da sein für die, die am Rand stehen. Wie sollten wir uns denn um dies kümmern, wenn es nicht die Reichen gäbe, die mit ihrer Kirchensteuer dazu helfen, dass diese Hilfe überhaupt stattfinden kann?! Nein, es geht Jesus um die Herzenshaltung - um Herzensbildung, wie man Anfang des letzten Jahrhunderts in höheren Töchterschulen gerne lehrte. Und das ein Armer, Verkrüppelter und Benachteiligter sich nach Zuwendung und Hilfe auch von Gott sehnt, das ist doch deutlich, ist offensichtlich.

Unsere eigene Bedürftigkeit aber verstecken wir doch lieber schamvoll: Wir schieben lieber Anderes vor: die Yacht, die Pferde, das Bankdepot, das neue Auto, die Datsche, das Haus, weil wir damit sagen: Wir doch nicht - "Wir sind das Volk" ... Wir haben Gott gar nicht nötig. Wir brauchen das gar nicht, dass Gott sich um uns kümmert. Martin Luther sagt, es gibt eigentlich nur zwei Wurzelsünden, Verzweiflung undÜberheblichkeit. Die Verzweiflung  lässt uns zu klein von Gott denken, dass er uns doch nicht helfen kann. Die Überheblichkeit lässt zu groß von uns selbst denken. Gottes Hilfe? Brauch ich nicht. Mir geht’s doch super! 

Wenn wir wüssten, wie oft wir uns mit unserm Stark-Getue vor Gott lächerlich machen - ein Getue, das eigentlich aus unserer latent vorhandenen Angst vor Nichtbeachtung und Versagen und aus einer dadurch vielleicht uns gegenüber ausbleibenden oder uns nicht genügenden Anerkennung, Würdigung und Aufmerksamkeit hervorgeht. Dabei müssen wir vor Gott doch gar keine solchen Ängste haben. Bei ihm ist so viel Platz, und der freut sich, wenn wir endlich seiner dringenden Einladung zu ihm folgen. Nicht, dass wir etwas vorweisen können an Leistung ist wichtig. Nur dass wir seinem Ruf mit offenem Herzen folgen. Das können wir aber nur, wenn wir unsere eigenen Bedürftigkeiten selber sehen und sie auch ehrlich zeigen vor Gott. Wenn wir seiner Einladung folgen, dann werden wir verändert, allein dadurch, dass wir ihr folgen. Denn in Gottes Augen sind wir es wert, dabei zu sein bei seinem Lebensfest. In Gottes Augen sind wir liebenswert - so wie wir wirklich sind - ganz ungeschminkt - mit allen unseren eigentlichen Stärken und Schwächen gleichermaßen. „Heute geschlossene Gesellschaft!“: das steht nicht an der Tür zum Festsaal Gottes. Sondern: Ihr kommt hier rein - Du kommst hier rein ... Aber nur, wenn du du selbst bist und nicht der, der du gerne sein willst.„Kommt, denn es ist alles bereit!“ 

Und nach dieser Flüchtlingstragödie diesmal direkt vor unserer Haustür an einer österreichischen Autobahn (auch im Mittelmeer sind wahrscheinlich ebenfalls in den letzten 24 Stunden wieder Hunderte von Vertriebenen aus gekenterten Nepper-Schlepper-Bauernfänger-"Rettungs"booten vor der libyschen Küste zu Tode gekommen) hat die evangelisch-lutherische Kirche abermals legale abgesicherte Zugänge nach €uropa gefordert. Dies sei der einzige Weg, dem Schlepperwesen den Boden wegzuziehen, sagte Bischof Michael Bünker in Wien.

Durch eine Abschottung der "Festung €uropa" und eine schärfere Verfolgung der Schlepperei werde kein Mensch, der in €uropa Schutz vor Krieg suche, abgehalten. Vielmehr würden nur die Preise steigen und das Risiko für Flüchtlinge größer, in Lebensgefahr zu geraten.

Bünker zeigte sich tief erschüttert über Tod der Flüchtlinge in einem Lkw. "Mitten unter uns hat der grausame Tod diese Menschen getroffen. Tausende sind vielleicht schon seit Tagen ahnungslos an dem Lkw vorbeigefahren." Jetzt sei es Zeit, sich der Realität zu stellen, "weil sich nicht nur in fernen Ländern, vor Lampedusa oder Kos, sondern mitten unter uns zeigt: Das Fehlen eines gemeinsamen Vorgehens Europas hat tödliche Auswirkungen auf schutzsuchende Menschen."

"Wir sind es den Toten von Parndorf schuldig, dass sie in würdiger Weise und in ihrer religiösen Tradition eine letzte Ruhestätte finden", sagte Bünker einer kirchlichen Mitteilung zufolge. Wenn möglich, sollten ihre Angehörigen ausgeforscht und eingeladen werden.

nach einem Foto von: © Thiele | goettinger-tageblatt.de



Mit Anleihen und Gedanken aus einer Predigt von Peter Schuchardt



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