Charlie Hebdo - bis vor einem Jahr kannte ich dieses Satiremagazin gar nicht - doch dann die tödliche Ballerei von 2 durchgeknallten Islamisten in Paris, die während der Tat Parolen riefen wie "Allahu Akbar" und "On a vengé le prophète!" („Wir haben den Propheten gerächt!“) - und dann die 12 Opfer - tote Karikaturisten und Journalisten ... - und dann ein kurzer Moment des weltweiten Innehaltens: "JE SUIS CHARLIE" ...
Und die übriggebliebene bzw. jetzt wieder aufgefüllte Redaktion macht nach dem Anschlag dort weiter, wobei sie unterbrochen wurde: nämlich das, was sie sich als Atheisten unter einem Gott vorstellen, immerhin so ernst zu nehmen, dass sie sich bemüßigt fühlen, ihn mit ihren Mitteln zu kitzeln und ein Abziehbild, eine klischeehaft skizzierte Fratze eines alten meist zottelbärtigen Mannes im Kittelkleid sowie alle "heiligen" und klerikalen Symbole zu verhöhnen, eben eine "Karikatur" von einem Gott - besonders aber zielen sie mit spitzer Feder auf die "strenggläubigen" verblendeten orthodoxen Fundamentalisten aller Couleur - unter den Christen und Muslimen und Buddhisten und Hinduisten und ...isten und und und ... - und das ist eigentlich auch schon das "Credo" von "Charlie Hebdo": Laizität, Meinungsfreiheit und eine antiklerikale Haltung... - um jeden Preis - ganz radikal ... - wobei Laizität die strenge Trennung von Staat und Kirche meint ... - ebenfalls ganz radikal nach allen Seiten - also ohne jedes Kruzifix eines ermordeten Jesus im Klassenzimmer oder im Gerichtssaal ...
Selbst die Bayern hätten es bei der libertären Anarchie der Charlie-Hebdo-ZeichnerInnen äußerst schwer - aber eben auch die Burka-Trägerinnen ...
Und nun - nach einem Jahr - erscheint ein Sonderheft in extra hoher Auflage: Es zeigt auf dem Titelbild die Karikatur eines offensichtlich christlichen Gottes, der andere übertrieben dargestellte Attribute eingezeichnet bekommt als der Gott Mohammeds und auch ein Gott Abrahams, nein - es soll explizit der Gott sein, wie ihn der neue Zeitungsschef und Zeichner RISS den Christen zuschreibt: Zottelbärtig, die Augen irrlichternd aufgerissen, auf dem struppigen Haarschopf ein Symbol der Dreifaltigkeit, der Kittel mit Blutspuren bedeckt und über der Schulter eine Kalaschnikow - insgesamt ein typisches Zeichnungs-Klischee für das, was eben Karikaturisten in der westlichen Welt zu Papier bringen, wenn sie einen Gott zeichnen wollen: dieser Gott aber mal als flüchtiger Terrorist - darüber dann die Zeile: "Ein Jahr danach - der Mörder läuft noch immer frei umher." ...
Warum so, das erläutert RISS dazu im Leitartikel, in dem er „vom Koran verblödete Fanatiker“ hart angeht und mit ebensolcher Schärfe verreißt er zugleich die "gesegneten Ärsche anderer Religionen." Auch sie hätten Charlie Hebdo den Untergang gewünscht: "Weil wir es wagten, uns über den Glauben lustig zu machen." Er argumentiert entschieden für den Atheismus und eben für diese anscheinend in seiner Konsequenz original französische Eigenheit eines "Laizismus", eben diese strikte Trennung zwischen Religion und Staat, wie sie in Frankreich seit 1789 besteht. Das ist die Lehre, die Charlie Hebdo aus dem Jahr 2015 zieht... In dieser Tradition steht der Titel von Herausgeber Laurent Sourisseua, Spitzname RISS, der bei dem Anschlag am 7. Januar am Arm verletzt wurde.
"Charlie ist die zur Tugend erhobene Unverfrorenheit und der schlechte Geschmack als Grundsatz der Eleganz - eine Heldentat", schreibt die Kultusministerin Fleur Pellerin. Trotz derart regierungsamtlichen Segens bleibt Charlie Hebdo vor allem eine Kampfansage: Provokativ, bitterböse, respektlos. Und ihre Journalisten mutige Verfechter republikanischer Werte, die zu verteidigen, das haben die Anschläge des Jahres 2015 deutlich gemacht, durchaus das Leben kosten können ...
Nun - mich als Nicht-Atheisten treffen solche Charlie-Hebdo-Zeichnungen nicht: Sie meinen nicht meinen Gott - und sie meinen auch nicht Jesus, der in seiner unerschrockenen und freien geradezu anarchistisch mit seiner inneren ureigenen gottverbundenen Art vor 2000 Jahren auch heutzutage gut und gern in der Redaktion von Charlie Hebdo am Zeichentisch arbeiten könnte ... Seine Gleichnisse sind oftmals auch holzschnittartige Verkürzungen in der Sprache des Volkes - wie die Karikaturen heutzutage - wenn er die Botschaft seines Gottes, seines "Papas" ("Abba") und die der Propheten zeitgemäß verdeutlichen und "übersetzen" will und damit Impulse setzt ... Und Jesus hat seinem und unseren Gott eben die ihm jetzt wieder klischeehaft übertrieben angezeichneten Erkennungs-Attribute längst abgerissen und ihn von diesen Masken befreit: den Zottelbart, den struppigen Haarschopf, das besondere Symbol seiner unnahbaren "Heiligkeit" und seiner "Dreieinigkeit" - Jesus hat diesen Gott uns allen wieder "handhabbar" gemacht - wobei "handhabbar" nicht "manipulierbar" meint, sondern anfassbar, spürbar, auf Augenhöhe und auf Du und Du - im Dialog und Zwiegespräch ...: "Wer Ohren hat zu hören - der höre" ... - wenn wir nachts wach in Sorge liegen - und uns plötzlich "die Lösung" in den Sinn kommt - wenn wir "instinktiv" das "Richtige" machen ... Jesus hat nicht nur beißend kommentiert, sondern er legt "Hand" mit an, stärkt und heilt, wo es nötig scheint - ganz multimedial: "oft kopiert - nie erreicht" ...
Diesen von Jesus so "gezeichneten" und "skizzierten" Gott-Papa kann also dieser Charlie-Hebdo-RISS mit seiner Titelzeichnung gar nicht gemeint haben: RISS strichelt da einen von Menschen aufgemotzten Popanz mit all den Attributen einer undefinierbaren "Allmacht", die die Fundis aller Couleur für sich in Anspruch nehmen wollen, um ihn für sich zu vereinnahmen ... - der eigentliche Gott ist kein Terrorist mit Kalaschnikow über der Schulter und Blut am Kittel und an den Händen - das Blut allerdings - das ihm durch unverbesserliche Dogmenkirchen untergejubelt wird, indem man ihm immer wieder neu diese angebliche Sühnetat unterschieben will, er habe Jesus an jenem Karfreitag in den Sühne- und Opfertod "für die Sünden der Menschheit" getrieben ... - als man die Stunde der Gewalt des Mobs und der Tempelobrigkeit und der römischen Besatzungsmacht gegen Jesus nachträglich als "überlegte" und kalkulierte "Absichts-Handlung" Gottes ausgibt, der aber in der Todesstunde nichts weiter kann als einfach nur mitzuleiden und im Sterben hier Jesu die Hand zu halten - ..: Denn der Mensch aus freien Stücken ist es, der Anschläge verübt, der Mensch ermordet Jesus am Kreuz, der Mensch tötet in Buchenwald und Treblinka, verblendete IS-"Kämpfer" - besser wäre: IS-"Opfer" - enthaupten vor laufender Kamera "Gefangene", für die sie kein Lösegeld bekommen - und ausgebrannte perspektivlose junge Männer brüllen "Allahu Akbar", bevor sie die Selbstmord-Weste zünden um viele Menschen mit in den Tod zu zerren - Gott ist bei so etwas nicht anwesend - wir können ihn dafür auch nicht zuständig machen und ihm wie in einen Mülleimer all den Dreck dieser Welt unterjubeln wollen - es ist der freie Wille des jeweiligen Täters, da mitzumachen, sich darauf einzulassen - Gott spielt nicht Marionetten-Theater mit uns - wir hängen nicht da an seinem Fadenkreuz, denn er hat uns längst abgenabelt - aber er erbarmt sich - und lässt uns nie tiefer fallen als "in seine Hand" ...
Nein - dieser Gott hat sich nicht mit Blut besudelt beim Anschlag auf Jesus und bei jedem Anschlag auf dieses Leben in der Welt, dieser Gott "führt uns nicht in Versuchung", sondern er "erlöst uns von dem Bösen", er schenkt uns Leben und alles was wir zum Leben benötigen - in dem er sein Reich "mitten unter uns" ausgebreitet hat - wenn wir ihn nur erkennen und spüren und hören wollen - und diese Freiheit lässt er uns - das kann jeder für sich entscheiden - ganz "laizitesque": wir können ihm da nicht reinreden - und er redet uns nicht ungefragt drein - aber er führt uns "auf rechter Straße" wenn wir uns nach seinem Navi richten wollen - auch die Charlie Hebdo's, mit denen er Hand in Hand gerufen hat: "JE SUIS CHARLIE" ... - und ihnen die Kraft und das Raffinement gibt, diese ja eigentlich gottlose Welt weiterhin auf die meistens augenzwinkernde aber manchmal auch bittere Schippe zu nehmen und den Spiegel vorzuhalten ...