Als gelernter Heilpädagoge weiß ich, dass manche Menschen, die allen Kredit bei ihren Bezugspersonen und der sozialen Umwelt verspielt haben, auf negative Aufmerksamkeit setzen, um beachtet zu werden, um irgendeine Art von "Zuwendung" zu ergattern.
Die Kollegen in den Erziehungs- und Jugendstrafeinrichtungen konnten in meiner aktiven Zeit über die von ihnen betreuten Insassen oftmals ein Liedchen singen: Abhauen, noch einen Bruch riskieren, Omas die Handtasche wegnehmen, um dann mit diesen neuen "Taten" dekoriert, sich von seinen Kumpels und Mitinsassen heimlich nach der "Heim"kehr - oft mit dem Streifenwagen - feiern und hofieren zu lassen: Mensch, was ist das doch für ein "toller Held" ... Und die Strafpredigt vom Bewährungshelfer oder Jugendrichter und vom Heimleiter ging dann - so ideell und wertemäßig "gewendet" - fast runter wie Öl - und die Strafarbeiten verrichtete man heldenhaft heroisch unter den neidischen Blicken der Mitinsassen - die immer einen auf Duckmäuser und Harmonie machten ...
Und so war ich dann doch verwundert, als ich im jüngsten SPIEGEL (21/2013 - S.126) in einem Artikel von Markus Feldenkirchen von einer durchaus ähnlichen Strategie des FC Bayern München lese - und womit er seinen "Ruf" in Restdeutschland und bei der Konkurrenz zu unterstreichen versucht - aber dabei durchaus auf seine Brieftasche schielt - nach dem Motto: "Du musst ein Schwein sein" ... - oder - wie Schweinsteiger das ja sogar vor einem Jahr öffentlich formuliert hat: Man(n) darf seine "Eier nicht verlieren"... Und wir haben ja gerade bei Mario Götze erlebt, wie man seinen Wecchsel nach München für den Handels"partner " so richtig schädlich in die Öffentlichkeit posaunt - jetzt fehlt nur noch, dass man Donnerstag/Freitag vor dem Finale am Samstag in London nun endlich den Wechsel von Lewandowski per BILD verkündet ... - einfach so ...
Ja - diese Strategie ist also von Bayern München nicht unbedingt im Original erdacht worden - sondern die "Prinzen" besingen sie schon länger - seit 1995. In meiner pädagogischen Ausbildung bezeichnete man übrigens eine solche Strategie - als den oft letzten manchmal unbewussten Ausweg, um sich damit nur noch irgendeine Art von Aufmerksamkeit zu erheischen (... wenn ich mich positiv oder eben auch negativ fühle - weiß ich, dass ich bin ...) - man höre und staune - meist als "Primitivreaktion*)" ...
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*) Primitivreaktion: Das Großhirn kontrolliert und hemmt die entwicklungsgeschichtlich älteren (primitiveren) Teile des Gehirns. Bei besonders starken Affekten kann diese Kontrolle kurzzeitig verloren gehen. Die dann erfolgenden Handlungen nennt man Primitivreaktionen; sie entziehen sich (als Kurzschlusshandlungen) weitgehend der Bewusstseinskontrolle und können vom Handelnden somit nicht immer verantwortet werden.
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Die Frage stellt sich also, warum aus den Bayern Europas gesündester Club wurde und beispielsweise Werder Bremen, dessen Aufsichtsratsvorsitzender der legendäre Willi Lemke ist, um den Klassenerhalt bibbern muss.
Es gebe viele Gründe, meint Lemke. Einer ist dieser: "Die Strategie der Bayern setzt auf Pola-
risierung, wir sollen allen sympathisch sein," so Lemke. In München habe man irgendwann den Entschluss gefasst: Wir sind zu brav, wir müssen arroganter werden.
Als Bayern und Dortmund zuletzt in der Champions League gespielt hätten, sei die Einschaltquote der Bayern deutlich höher gewesen, obwohl der BVB doch angeblich so viel sympathischer sei. »Wissen Sie, woran das liegt?", fragt Lemke. »Es gibt Millionen Deutsche, die einschalten, weil sie die Bayern verlieren sehen wollen." Kurze Pause. »So wie ich."
»Hochschlau" sei diese Strategie. Ihre Folge seien höhere Einschaltquoten, höhere Aufmerksamkeit, bessere Sponsorenverträge. Mehr Geld. Bei den Rückspielen der Champions League, als die Chance, die Bayern ausscheiden zu sehen, äußerst gering war, hat Lemke den Fernseher gar nicht erst angemacht. »Ich wollte die Einschaltquote nicht erhöhen."
Mehr Häme verkneift er sich, die Steueraffäre seines Erzrivalen hat er bis heute nicht öffentlich kommentiert.
In seinem Besprechungszimmer erzählt Karl-Heinz Rummenigge von einer Phase des Selbstzweifels Mitte der neunziger Jahre. »Wir hatten die Idee, eine Agentur mit der Frage zu beauftragen: Wie können wir den Teil der Republik, auf den wir polarisierend und arrogant wirken, reduzieren?" Es war der irre Versuch, sympathischer zu werden.
»Wissen Sie, was das Ergebnis war?" Rummenigges Augen leuchten. »Alle drei beauftragten Agenturen haben abgeraten, auch nur einen Quadratmillimeter an unserem Image zu verändern. Weil eben dieses polarisierende, möglicherweise auch arrogant wirkende Image den Club positiv unterstütze."
Rummenigge lässt die Sympathiewerte regelmäßig überprüfen. Am höchsten waren sie 1999 nach der bitteren Niederlage im Champions-League-Finale gegen Manchester. »Vorher lagen sie bei 50:50", sagt er. »Auf einmal lagen wir bei 80:20." Er macht eine Pause. »Das ging uns auf die Nerven. Irgendwann konnten wir es nicht mehr ertragen. Da haben wir gesagt: Das ist nicht unsere Welt, dieses Mitleid."
Vielleicht ist dies der einzige Vorteil am Vergehen des Uli Hoeneß, so viele Nachteile ein geschwächter Patron sonst für den FC Bayern mit sich bringen mag: Wer diesen Club nicht ausstehen kann, hat seit neuestem einen Grund mehr. Und das ist gut fürs Geschäft.
Soweit der SPIEGEL ...
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Die Prinzen - Du musst ein Schwein sein
- und hier der Text von 1995:
Ich war immer freundlich, lieb und nett,
kriegte nie irgend 'ne Frau ins Bett.
Und dann auf Macho, cool und arrogant,
plötzlich kamen sie angerannt.
Und wieder seh' ich wie's im Leben läuft,
wer hart ist, laut und sich besäuft,
kommt bei den Frauen besser an,
wer will schon 'nen lieben Mann?
Daraus ziehst du Konsequenzen
und du schaltest um auf schlecht,
die Welt ist ein Gerichtssaal
und die Bösen kriegen Recht.
Du musst ein Schwein sein in dieser Welt
Schwein sein
Du musst gemein sein in dieser Welt
Gemein sein
Denn willst du ehrlich durchs Leben geh'n
Ehrlich
Kriegst 'nen Arschtritt als danke schön
Gefährlich
Weil ich weiß, dass ich's mir leisten kann,
stell' ich mich überall vorne an
und ist einer sanft und schwach
hör' mal wie ich drüber lach.
Bei den freundlichen Kollegen
halt ich voll dagegen,
obwohl mich keiner mag,
sitz ich bald im Bundestag.*
Du musst ein Schwein sein...