gestern habe ich ja bereits hingewiesen auf den begriff "culture" in meinem blog-titel hier ... - und wie die "kultur" immer mehr in ein rand-dasein in den medien verdrängt wird ... -
nach sheldon solomon, hat das bestimmt mit der verdrängung unseres todes insgesamt zu tun, mit der sich ja die menschheit seit ihrer geburt herumschlägt -
wenn nämlich, wie solomon meint, die kultur das "glaubenssystem" ist, mit dem wir die last unseres wissens vom tod ertragen wollen, wird das verdrängenwollen dieser todesgewissheit - und manchmal auch des verdrängenmüssens um der seelischen gesundheit willen - auch diese "kultur" mit verdrängen und einsperren - in jenes sankt nimmerlein-stübchen unseres unbewussten ...S!
click here |
„Denn alles Fleisch, es ist wie Gras und alle Herrlichkeit des Menschen wie des Grases Blumen. Das Gras ist verdorret und die Blume abgefallen.“
Aus „Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms nach 1. Petrus 1,24
SPIEGEL: Professor Solomon, Sie haben sich fast Ihr gesamtes Berufsleben lang mit der Angst vor dem Tod befasst. Können Sie sich erinnern, wann Sie diese Furcht erstmals empfunden haben?
Solomon: Oh, das weiß ich noch ganz genau. Ich war acht Jahre alt, und eines Abends sagte meine Mutter: „Nimm Abschied von Großmutter. Sie wird nicht mehr lange bei uns sein.“ Und tatsächlich starb sie am nächsten Tag. Ich erinnere mich, wie ich danach hoch in mein Zimmer ging. Dort blätterte ich durch meine Briefmarkensammlung, mein Blick fiel auf eine Serie der amerikanischen Präsidenten. Und plötzlich dachte ich: „Da, George Washington. Ein toller Kerl, und trotzdem ist er tot. Thomas Jefferson – auch gestorben. Und all die anderen auch.“ Da durchschoss es mich wie ein Blitz: „Oje, es sieht nicht gut für mich aus.“ Die Erkenntnis, dass dieses Schicksal auch für mich unausweichlich ist, ging mir durch Mark und Bein.
SPIEGEL: Und dieser Schock wirkt bis heute nach, mehr als 50 Jahre später?
Solomon: Im Grunde ja. Tief verborgen unter der Oberfläche meines Bewusstseins rumort ständig diese Panik. Unser Großhirn, das uns erlaubt, abstrakt und symbolisch zu denken, ist zugleich auch fähig zu begreifen, dass unser Leben, wie dasjenige aller Lebewesen, endlich ist. Das erzeugt einen tiefen, lähmenden Schrecken.
SPIEGEL: Dafür, dass Sie so erschüttert sind, wirken Sie ganz fidel ...
...Um die Last des Daseins ertragen zu können, verankern wir uns in einem Glaubenssystem, das wir „Kultur“ nennen. Kultur gibt unserem Leben einen Sinn, sie gibt uns einen Wert – und zwar, indem sie uns eine Vision von Unsterblichkeit liefert: Entweder sie gibt uns Hoffnung auf echte, buchstäbliche Unsterblichkeit, in Form des Himmels, der Seele oder der Wiedergeburt. Oder sie lässt uns glauben, dass wir in übertragenem Sinne über den Tod hinaus fortbestehen, in Gestalt unserer Kinder, unserer Werke oder des Vermögens, das wir im Laufe unseres Lebens angehäuft haben. Allerdings ist kein Glaubenssystem stark genug, um uns die Todesangst in Gänze nehmen zu können. ...
... zum Weiterlesen des Original-SPIEGEL-GESPRÄCHS clicken Sie hier ...
*) Sheldon Solomon, Jeff Greenberg, Tom Pyszczynski: „Der Wurm in unserem Herzen“. DVA, München; 368 Seiten; 24,99 Euro.
Das Gespräch führten die Redakteure Rafaela von Bredow und Johann Grolle in Solomons Büro am Skidmore College in Saratoga Springs.