Das Grundrecht zu beugen - und den Kapitalismus zu sichern - kostet
dem Staat gerade mal 500 €URO pro festgehaltenen Antikapitalisten...
Erst im Februar war bekannt geworden, dass das Land Hessen Teilnehmern der Blockupy-Proteste aus dem vergangenen Jahr je 500 Euro Schmerzensgeld zahlen musste, weil die Demonstranten zu Unrecht stundenlang in Gewahrsam genommen worden waren. Das Gießener Amtsgericht hatte die Polizei dazu verurteilt. Das war der deutsche Rechtsstaat in seiner ganzen Ehrfurcht gebietenden Effizienz:
Am vergangenen Wochenende kam es in Frankfurt erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und antikapitalistischen Demonstranten. Es gab laut Veranstaltern mehr als 200 Verletzte. Die Polizei knüppelt den bürgerlichen Protest nieder. Und es liegt die Vermutung nahe, dass auch das Kalkül der Polizei ist: Die Bilder der Gewalt sollen die Demonstranten diskreditieren. Aber das funktioniert nicht mehr.
In Frankfurt trennte die Polizei 900 Menschen vom Zug der etwa zehntausend Demonstranten ab, noch bevor das Ziel erreicht war, die Europäische Zentralbank. Die Leute wurden umzingelt. Viele Stunden mussten die Bürger im Kessel ausharren. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt: "Am Abend löste die Polizei die Veranstaltung schließlich auf, indem Hundertschaften in die Menschenmenge drängten und die Teilnehmer herauszogen." Frankfurts Polizeipräsident Achim Thiel argumentiert mit einem Schulterzucken: Das Verhalten einiger "Störer" habe seinen Leuten keine andere Wahl gelassen, als die Demonstranten anzuhalten und ihre Identität festzustellen.
Die Frankfurter Polizei hatte sich schon 2012 im Kampf gegen die antikapitalistischen Proteste durch besondere Unverhältnismäßigkeit hervorgetan - und tatsächlich nachfolgende Schadensersatzprozesse mit Pauken und Trompeten verloren.
Wenn der "Tarif" also so bleibt, wie eingangs notiert, und wieder eine Unrechtmäßigkeit seitens der Polizei gerichtlich festgestellt werden sollte, kostet der Einsatz gegen die 900 festgehaltenen und eingekesselten Antikapitalisten = à 500,00 €URO pro Kopf = also gerade mal 450.000 €URO dem Steuerzahler - hinzukommen natürlich die Einsatzkosten für die Polizei selbst ...
Ob das eventuell von der EZB locker aus der Portokasse beglichen wird - "un gutt iss" - das sei mal dahingestellt: Die reichen Fußball-Bundesliga-Clubs, die mal locker fast 40 Millionen für einen 20-jährigen verletzungsanfälligen Jungspunt hinblättern, zahlen ja auch fast nichts für die Sicherung des Stadions bei ihren Heimspielen - vielleicht etwas ihren eigenen "Schwarzen Sheriffs" - und zum Dank verzockt sich dann der Präsident bei der Angabe der Steuern seines Privatvermögens - und auch dabei scheint man staatlicherseits gewillt, alle Augen zuzumachen - und durch ... - ohne Anklage ...
Jeder Widerstand ist dem Staat verdächtig
"Antikapitalismus" schrieb die Polizei in Frankfurt im Jahr 2012 an die Stelle, wo auf dem Formblatt der "polizeiliche Anlass" zur Festnahme einzutragen ist.
Alles im Rahmen des Gesetzes. Alles hat seine Ordnung. Aber das ist eine sonderbare Ordnung, die eine Bedrohung sieht, wo Menschen ihre Rechte wahrnehmen und ihnen diese dann abkaufen will. Weil man mit 500 Euro auch Grundrechte kaufen kann.
Aber ganz gleich, ob der Staat die Demonstranten kauft oder verprügelt - er schätzt sie nicht. Er misstraut ihnen. Er diskreditiert sie. Der US-Ethnologe David Graeber, Occupy-Insider und Occupy-Intellektueller, Bestseller-Autor u.a. mit dem Titel: "Schulden", hat beschrieben, wie die Globalisierungsgegner von Seattle wahlweise als Kinder reicher Eltern mit Treuhandfonds oder als gewaltbereite Chaoten verunglimpft worden waren (siehe auch: David Graeber: „Direkte Aktion“. Ein Handbuch. Aus dem Englischen von Sophia Deeg. Edition Nautilus, Hamburg 2013. 352 S., br., 28,- €URO).
Jeder Widerstand ist dem Staat verdächtig. Dem Gesetz ist Folge zu leisten. Das Gesetz hat recht. Wer es ändern will, dem stehen die entsprechenden Verfahren zur Verfügung. Zwar ist das Recht auf Demonstration Teil des Verfahrens. Aber es ist ein widerwillig zugestandenes Recht. Es widerspricht der Ideologie des Gehorsams, die immer noch viel stärker ist als das Ideal der Verantwortung.
Dabei gilt für Frankfurt: Die Staatsmächtigen irren, wenn sie meinen, dass die Bilder der Gewalt die Demonstrationen diskreditieren. Sie diskreditieren vielmehr den Staat, der diese Gewalt auslöst, sie nicht unter Kontrolle bringt, sie am Ende selbst ausübt. Und die Bilder der mit Pfefferspray schießenden Polizisten aus Frankfurt diskreditieren die gemeinsame europäische Währung, die immer mehr Menschen nicht als verbindendes, sondern als trennendes Element in Europa wahrnehmen.
Ein Staat, der seiner Demonstranten nur mit Gewalt Herr werden kann, verliert vor den Augen der Öffentlichkeit seine Legitimation. Der gewalttätige Staat ist der schwache Staat.
...................................
Mit viel Textmaterial aus der jüngsten S.P.O.N.-Kolumne "Im Zweifel links" von Jakob Augstein: "Proteste in Frankfurt und Istanbul: Im Zweifel zuschlagen":
Die gesamte Kolumne lesen:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/augstein-kolumne-im-zweifel-zuschlagen-a-903393.html
dem Staat gerade mal 500 €URO pro festgehaltenen Antikapitalisten...
Erst im Februar war bekannt geworden, dass das Land Hessen Teilnehmern der Blockupy-Proteste aus dem vergangenen Jahr je 500 Euro Schmerzensgeld zahlen musste, weil die Demonstranten zu Unrecht stundenlang in Gewahrsam genommen worden waren. Das Gießener Amtsgericht hatte die Polizei dazu verurteilt. Das war der deutsche Rechtsstaat in seiner ganzen Ehrfurcht gebietenden Effizienz:
Die Leute wollen demonstrieren - der Staat unterbindet das. Die Antikapitalisten werden eingesperrt. Und nachher bekommen sie als Entschädigung dafür, dass man sie ihrer Grundrechte beraubt hat: Geld = Das ist bundesdeutscher Kapitalismus in Reinkultur ...
Am vergangenen Wochenende kam es in Frankfurt erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und antikapitalistischen Demonstranten. Es gab laut Veranstaltern mehr als 200 Verletzte. Die Polizei knüppelt den bürgerlichen Protest nieder. Und es liegt die Vermutung nahe, dass auch das Kalkül der Polizei ist: Die Bilder der Gewalt sollen die Demonstranten diskreditieren. Aber das funktioniert nicht mehr.
In Frankfurt trennte die Polizei 900 Menschen vom Zug der etwa zehntausend Demonstranten ab, noch bevor das Ziel erreicht war, die Europäische Zentralbank. Die Leute wurden umzingelt. Viele Stunden mussten die Bürger im Kessel ausharren. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt: "Am Abend löste die Polizei die Veranstaltung schließlich auf, indem Hundertschaften in die Menschenmenge drängten und die Teilnehmer herauszogen." Frankfurts Polizeipräsident Achim Thiel argumentiert mit einem Schulterzucken: Das Verhalten einiger "Störer" habe seinen Leuten keine andere Wahl gelassen, als die Demonstranten anzuhalten und ihre Identität festzustellen.
Die Frankfurter Polizei hatte sich schon 2012 im Kampf gegen die antikapitalistischen Proteste durch besondere Unverhältnismäßigkeit hervorgetan - und tatsächlich nachfolgende Schadensersatzprozesse mit Pauken und Trompeten verloren.
Wenn der "Tarif" also so bleibt, wie eingangs notiert, und wieder eine Unrechtmäßigkeit seitens der Polizei gerichtlich festgestellt werden sollte, kostet der Einsatz gegen die 900 festgehaltenen und eingekesselten Antikapitalisten = à 500,00 €URO pro Kopf = also gerade mal 450.000 €URO dem Steuerzahler - hinzukommen natürlich die Einsatzkosten für die Polizei selbst ...
Ob das eventuell von der EZB locker aus der Portokasse beglichen wird - "un gutt iss" - das sei mal dahingestellt: Die reichen Fußball-Bundesliga-Clubs, die mal locker fast 40 Millionen für einen 20-jährigen verletzungsanfälligen Jungspunt hinblättern, zahlen ja auch fast nichts für die Sicherung des Stadions bei ihren Heimspielen - vielleicht etwas ihren eigenen "Schwarzen Sheriffs" - und zum Dank verzockt sich dann der Präsident bei der Angabe der Steuern seines Privatvermögens - und auch dabei scheint man staatlicherseits gewillt, alle Augen zuzumachen - und durch ... - ohne Anklage ...
Jeder Widerstand ist dem Staat verdächtig
"Antikapitalismus" schrieb die Polizei in Frankfurt im Jahr 2012 an die Stelle, wo auf dem Formblatt der "polizeiliche Anlass" zur Festnahme einzutragen ist.
Alles im Rahmen des Gesetzes. Alles hat seine Ordnung. Aber das ist eine sonderbare Ordnung, die eine Bedrohung sieht, wo Menschen ihre Rechte wahrnehmen und ihnen diese dann abkaufen will. Weil man mit 500 Euro auch Grundrechte kaufen kann.
Aber ganz gleich, ob der Staat die Demonstranten kauft oder verprügelt - er schätzt sie nicht. Er misstraut ihnen. Er diskreditiert sie. Der US-Ethnologe David Graeber, Occupy-Insider und Occupy-Intellektueller, Bestseller-Autor u.a. mit dem Titel: "Schulden", hat beschrieben, wie die Globalisierungsgegner von Seattle wahlweise als Kinder reicher Eltern mit Treuhandfonds oder als gewaltbereite Chaoten verunglimpft worden waren (siehe auch: David Graeber: „Direkte Aktion“. Ein Handbuch. Aus dem Englischen von Sophia Deeg. Edition Nautilus, Hamburg 2013. 352 S., br., 28,- €URO).
Jeder Widerstand ist dem Staat verdächtig. Dem Gesetz ist Folge zu leisten. Das Gesetz hat recht. Wer es ändern will, dem stehen die entsprechenden Verfahren zur Verfügung. Zwar ist das Recht auf Demonstration Teil des Verfahrens. Aber es ist ein widerwillig zugestandenes Recht. Es widerspricht der Ideologie des Gehorsams, die immer noch viel stärker ist als das Ideal der Verantwortung.
Dabei gilt für Frankfurt: Die Staatsmächtigen irren, wenn sie meinen, dass die Bilder der Gewalt die Demonstrationen diskreditieren. Sie diskreditieren vielmehr den Staat, der diese Gewalt auslöst, sie nicht unter Kontrolle bringt, sie am Ende selbst ausübt. Und die Bilder der mit Pfefferspray schießenden Polizisten aus Frankfurt diskreditieren die gemeinsame europäische Währung, die immer mehr Menschen nicht als verbindendes, sondern als trennendes Element in Europa wahrnehmen.
Ein Staat, der seiner Demonstranten nur mit Gewalt Herr werden kann, verliert vor den Augen der Öffentlichkeit seine Legitimation. Der gewalttätige Staat ist der schwache Staat.
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Mit viel Textmaterial aus der jüngsten S.P.O.N.-Kolumne "Im Zweifel links" von Jakob Augstein: "Proteste in Frankfurt und Istanbul: Im Zweifel zuschlagen":
Die gesamte Kolumne lesen:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/augstein-kolumne-im-zweifel-zuschlagen-a-903393.html