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Den Lebenden bei den Toten suchen: Bratislav Stojanovic in Serbien

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"Ich fürchte die Lebenden mehr als die Toten" ...

Ein Friedhof in Südserbien. Es dämmert, Äste knacken. Der letzte Besucher ist längst gegangen, nur einer ist noch da: Der Obdachlose Bratislav Stojanovic (43) lebt in einem Grab.


Dieses knapp zwei Quadratmeter große und einen Meter hohe Grab ist das Zuhause von Bratislav Stojanovic - Foto: Marco Djurica/REUTERS



Nis (Serbien) – Weil er sein Haus verlor, lebt der Serbe seit 15 Jahren unter der Erde, neben der Asche einer Familie, die vor mehr als hundert Jahren starb. Stojanovic: „Es ist kein Palast, aber es ist komfortabler als auf der Straße!“

Mit den Verstorbenen zu leben sei nicht so gruselig wie man denkt: „Am Anfang hatte ich wirklich noch Angst, aber ich habe mich mit der Zeit daran gewöhnt. Jetzt fürchte ich die Lebenden mehr als die Toten.“ Stojanovic: „Bevor ich herauskrieche, gucke ich immer vorsichtig, ob jemand in der Nähe ist. Sonst könnte ich ihn zu Tode erschrecken."

Wegen Schulden hatte der ehemalige Bauarbeiter seinen Job verloren. Monatelang lebt er in besetzten Häusern, schließlich auf der Straße, dann zog er auf den Friedhof - in ein nicht mal zwei Quadratmeter großes und knapp einen Meter hohes Grab.


Stojanovic: „Es ist trocken und es ist warm. Ich habe hier ein paar Lichter und meine persönlichen Besitztümer“, erklärt der unkonventionelle Obdachlose, der sich nach einigen Veränderungen wie Zuhause fühlt.

Benutzte Grabkerzen für die Beleuchtung seiner düsteren Behausung sucht er sich auf dem Friedhof zusammen. „Ich fürchte mich nicht, in einem Grab zu schlafen. Die Toten sind tot. Ich habe mehr Angst davor, hungrig zu sein.“

Manchmal muss er sich Zigarettenstumpen und auch seine Nahrung aus dem Mülleimer besorgen: „Doch auch das kann sehr nahrhaft sein. Es ist unglaublich, was die Menschen wegschmeißen.“ Außerdem bekomme er Kleidung und Essen geschenkt.

Die Friedhof-Verantwortlichen genehmigen dem Grabbesetzer den Aufenthalt, solange er niemanden stört. „Die Familie, welche das Grab besaß, ist längt tot. Technisch gesehen gehört es niemandem. Wenn er sich benimmt, gibt es keinen Grund, ihn gewaltsam zu vertreiben.“

Und noch einen recht makaberen Vorteil sieht Bratislav Stojanovic in seinem Heim: „Wenn ich in der Nacht sterbe, bin ich wenigstens schon am richtigen Platz.“

Text: BILD.de 



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