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WIDERFAHRNIS - Bodo Kirchhoff bekommt den Deutschen Buchpreis 2016

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S!|photography: benetztes gespinst


Bodo Kirchhoff überzeugt die Jury

Großes Wort, schöne Geschichte

Für »Widerfahrnis« erhält Bodo Kirchhoff den Deutschen Buchpreis

Auszeichnung: "Ein vielschichtiger Text" sei die Novelle "Widerfahrnis", loben die Kritiker und verleihendem 68-jährigen Autor den Deutschen Buchpreis 2016






Bodo Kirchhoff gehört seit vielen Jahren zu den bedeutendsten zeitgenössischen Autoren des Landes. Jetzt hat der 68-Jährige für seinen mit der Flüchtlingskrise verwobenen Liebesnovelle "Widerfahrnis" den Deutschen Buchpreis erhalten. Die Entscheidung der Jury gab der Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Montagabend in Frankfurt bekannt.

Mit dem Preis wird traditionell am Vorabend der Frankfurter Buchmesse die beste literarische Neuerscheinung des Jahres im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet. Mit dem Sieg erhält Kirchhoff ein Preisgeld von 25.000 Euro.

»Am Anfang stand ein machtvolles Wort, und ich habe eine Geschichte zu diesem Wort gesucht.« Das ist ihm gelungen: Die literarische Welt gratuliert Bodo Kirchhoff (68), der gestern für seine Novelle »Widerfahrnis« den Deutschen Buchpreis erhalten hat.

In Bodo Kirchhoffs 224-seitiger Novelle »Widerfahrnis« – gemäß der Definition von Marcel Reich-Ranicki allerdings ist jedes erzählendes Werk mit mehr als 200 Seiten ein Roman – lernen sich zwei Menschen, Mann und Frau jenseits der 50, kennen und fahren spontan ins Blaue. Ehe sie sich’s versehen, landen sie in Sizilien, wo ihnen eine kleine Bettlerin zuläuft, ein Flüchtlingskind aus Afrika. Treibt die Kleine einen Keil zwischen die aus der Zeit gefallenen Spritztourer? Oder ist ihr Trip die Chance auf einen Neubeginn?

Kirchhoffs Novelle (Frankfurter Verlagsanstalt, 21 Euro) ist eine Parabel, die auf kleinem Raum Geschehnisse behandelt, wie sie sich derzeit in der großen Welt mit großen Folgen abspielen. Wie es ein Jurymitglied formulierte: »Bodo Kirchhoffs Sprache ist gegen Kitsch imprägniert.«

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Preisträger 2016

Widerfahrnis
von Bodo Kirchhoff

Reither, bis vor kurzem Verleger in einer Großstadt, nun in einem idyllischen Tal am Alpenrand, erhält überraschend abendlichen Besuch. In sein Leben tritt Leonie Palm, zuletzt Besitzerin eines Hutgeschäfts. Sie hat ihren Laden geschlossen, weil es der Zeit an Hutgesichtern fehlt, und er seinen Verlag, weil es zunehmend mehr Schreibende als Lesende gibt. Gemeinsam begeben sie sich auf eine Reise ohne Ziel, die sie nach Sizilien führt. Unterwegs teilen sie Geschichten aus ihrer Vergangenheit und lassen die Zukunft neu auf sich zukommen. Dabei begegnet ihnen ein Mädchen, das sich ihnen stumm anschließt.

Begründung der Jury

"Bodo Kirchhoff erzählt vom unerhörten Aufbruch zweier Menschen, die kein Ziel, nur eine Richtung haben – den Süden. Es treibt sie die alte Sehnsucht nach der Liebe, nach Rotwein, Italien, einem späten Abenteuer. Als sie eine junge Streunerin auflesen, begegnen sie den elementaren Themen ihrer Vergangenheit wieder: Verlust, Elternschaft, radikaler Neuanfang. Kirchhoff gelingt es, in einem dichten Erzählgeflecht die großen Motive seines literarischen Werks auf kleinem Raum zu verhandeln. Gleichzeitig erzählt er von unserer Gegenwart und davon, wie zwei melancholische Glückssucher den Menschen begegnen, die in der Jetztzeit den umgekehrten Weg von Süden nach Norden antreten. Kirchhoffs „Widerfahrnis“ ist ein vielschichtiger Text, der auf meisterhafte Weise existentielle Fragen des Privaten und des Politischen miteinander verwebt und den Leser ins Offene entlässt."

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Die Jury bezeichnete das Buch als "vielschichtigen Text, der auf meisterhafte Weise existenzielle Fragen des Privaten und des Politischen miteinander verwebt und den Leser ins Offene entlässt". Dem 68-jährigen Kirchhoff sei es zugleich gelungen, "in einem dichten Erzählgeflecht die großen Motive seines literarischen Werks auf kleinem Raum zu verhandeln".

Der eilige Leser ist bei Kirchhoff allerdings nicht an der richtigen Stelle, denn man braucht Geduld: Langsam, akribisch, fast wie in Zeitlupe beschreibt der Autor in "Widerfahrnis", was seinen Figuren widerfährt, faltet die Situationen auf, in die sie hineingeraten. Immer wieder gibt es neue Wendungen, und der Ausgang der Geschichte zeigt sich erst im letzten Satz.

Bodo Kirchhoffs Novelle kreist um die großen Themen des Lebens, um Liebe, Glück, Verlust, Tod, und er zeigt sich dabei als ein kluger, altersweiser Erzähler.

Kirchhoff ist Autor zahlreicher Romane wie zuletzt "Verlangen und Melancholie" (2014) und "Die Liebe in groben Zügen" (2012 - auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis) sowie "Infanta" (1990). Er lebt in Frankfurt und am Gardasee.

Bekannt wurde der Autor auch durch seine Drehbücher für Film und Fernsehen wie die "Tatort"-Serie.




Im Finale konkurrierten sechs Romane um die renommierte Auszeichnung. Neben Kirchhoff standen auf der Shortlist fünf weitere Autoren aus Deutschland und Österreich: Reinhard Kaiser-Mühlecker ("Fremde Seele, dunkler Wald"), André Kubiczek, ("Skizze eines Sommers"), Thomas Melle ("Die Welt im Rücken"), Eva Schmidt ("Ein langes Jahr") und Philipp Winkler ("Hool"). Die fünf Autoren der Shortlist erhalten je 2.500 Euro.




Für den Deutschen Buchpreis haben Verlage aus Deutschland, der Schweiz und Österreich 178 Neuerscheinungen eingereicht. Vor der Shortlist hatte die Jury eine 20 Titel umfassende Longlist erstellt. Der Deutsche Buchpreis wird vom Dachverband des Deutschen Buchhandels seit dem Jahr 2005 vergeben. Er hat sich zur wichtigsten Auszeichnung der Branche entwickelt.

Im vergangenen Jahr gewann Frank Witzel den Preis mit seinem Roman "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969".

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Hintergrund

  • Der Deutsche Buchpreis wird seit 2005 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels vergeben.
  • Er will den besten Roman des Jahres in deutscher Sprache küren.
  • Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz dürfen Titel einreichen.
  • Eine siebenköpfige Jury, deren Besetzung jährlich wechselt, wählt zunächst 20 Titel für die Longlist aus. Später wird die Auswahl auf eine Shortlist von sechs Titeln verkürzt.
  • Der Gewinner erhält 25.000 Euro, die anderen fünf Finalisten bekommen jeweils 2.500 Euro.
  • Bisherige Gewinner waren: 2015: Frank Witzel; "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969", 2014: Lutz Seiler; "Kruso", 2013: Terézia Mora; "Das Ungeheuer", 2012: Ursula Krechel; "Landgericht", 2011: Eugen Ruge; "In Zeiten des abnehmenden Lichts", 2010: Melinda Nadj Abonji; "Tauben fliegen auf", 2009: Kathrin Schmidt; "Du stirbst nicht", 2008: Uwe Tellkamp; "Der Turm", 2007: Julia Franck; "Die Mittagsfrau", 2006: Katharina Hacker; "Die Habenichtse" und im Jahr 2005: Arno Geiger; "Es geht uns gut".


Patchwork - zusammengestellt von S!NED! - mit Texten und Videos von deutscher-buchpreis.de - WESTFALEN-BLATT - und Thomas Maier und Stephan Maurer© 2016 Neue Westfälische, Dienstag 18. Oktober 2016



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