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Lund: Geste der Versöhnung

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tja - es ist so - wie ich es gestern bereits beobachten konnte - an diesem zumindest "kirchenhistorisch" bedeutsamen tag - an dem der amtierende papst franziskus mit protestantischen glaubensbrüdern in lund (schweden) einen ökumenischen gottesdienst gemeinam feiert - und beim friedensgruß eine lutherische schwedische bischöfin umarmt ... da "guckt mal wieder kein schwein"... 


F.K. Waechter: ... kein schwein
- ich halte diese begegnung der konfessionen für "wunderbar" - für ein modernes "wunder" - und sicherlich nicht nur zur "show" inszeniert - es wirkte getragen vom gegenseitigen willen nach 500 jahren irgendwie wieder zusammenzukommen ...

und heute - einen tag später - berichtet in bielefeld von zwei tageszeitungen nur eine  - das auflagenschwächere westfalen-blatt - ausführlich über diesen historischen moment - auf spiegel-online, auf faz.net und auch auf zeit-online kann ich keine redaktionelle reaktion auf diese sensation ausmachen ...

wenn gestern also - nach 499 jahren - ein gestandener papst im schwedischen lund beim lutherischen weltbund diesen ollen martin luther lobt für seine scharfkantigkeit und sein aufbegehren, hat man in den medien gestern noch vielleicht 3.34 min  - aber kein bennpunkt nach der tagesschau - in den online-auftritten der ganz großen zeitungen auch kaum reaktionen - und weiter geht's ... - aber die einigung von youtube und gema bei den lizenz- und urheberrechtsstreitigkeiten nach 7 jahren wird auf allen kanälen ausgiebig beschrieben ...




und dabei reicht diese geste in lund für mich insgesamt schon an die meldung vom schabowski 1989 heran: "das tritt nach meiner kenntnis… ist das sofort... unverzüglich." - oder an gorbatschows: "wer zu spät kommt, den bestraft das leben" - mit all den folgen danach ...

... und weil ich mit dieser einstellung wohl ziemlich alleine dastehe - hier die beiden beiträge aus dem bielefelder westfalen-blatt - darunter sogar ein leitartikel (!) ...S!



Ökumenischer Schritt: Papst Franziskus umarmt die schwedische lutherische Bischöfin Antje Jackelen
(es muss ja nicht immer Margot Käßmann sein... ;-)) - Foto dpa


Geste der Versöhnung
Papst Franziskus nimmt an Reformationsauftakt in Schweden teil

Lund(dpa). So viele katholische Geistliche auf einmal sieht man selten in Schweden – vom Papst ganz zu schweigen. Der kam das letzte Mal vor mehr als 25 Jahren in das Land, in dem die Katholiken eine Minderheit bilden. Und nun ausgerechnet zu einem Jubiläum, das aus katholischer Sicht eigentlich kein Grund zum Feiern ist.

Mit einer historischen Geste verlangte Franziskus zum Auftakt der Feiern zum Gedenken an die Reformation vor 500 Jahren die weitere Annäherung von Katholiken und Protestanten. »Wir dürfen uns nicht mit der Spaltung und der Entfremdung abfinden, die durch die Teilung unter uns hervorgerufen wurden. Wir haben die Gelegenheit, einen entscheidenden Moment unserer Geschichte wieder gutzumachen«, sagte der Papst am Montag im südschwedischen Lund. Dort stand er erstmals mit lutherischen Geistlichen am Altar, um zum Gedenken der Reformation gemeinsam einen Gottesdienst zu feiern.

An diesem Montag begannen offiziell die Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag der Reformation im kommenden Jahr. Der Besuch des Papstes gilt als starkes Zeichen für die Ökumene, denn der 31. Oktober 1517 wird mit dem Thesenanschlag von Martin Luther als Beginn der Reformation angesehen, in deren Verlauf sich die evangelische Kirche von der katholischen abspaltete. Zur Ankunft des Papstes in der kleinen Universitätsstadt Lund drängten sich vor dem Dom hunderte Menschen, jubelnd und schreiend.

»Wir Katholiken und Lutheraner haben begonnen, auf dem Weg der Versöhnung voranzugehen«, sagte der Papst in seiner Predigt. Kontroversen und Missverständnisse hätten verhindert, dass man einander verstehe. Die müssten nun überwunden werden. Die Spaltung der evangelischen und katholischen Kirche sei weniger vom »Gottesvolk« als von »Vertretern weltlicher Macht« aufrecht erhalten worden.

Franziskus und Munib Younan, der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), untermauerten die ökumenischen Bestrebungen in einer gemeinsamen Erklärung. »Während die Vergangenheit nicht verändert werden kann, kann das, woran man sich erinnert und wie man sich erinnert, verwandelt werden«, hieß es darin. Man wolle sich wieder verpflichten, sich vom Konflikt zur Gemeinschaft zu bewegen. Im Dom gab es nach der Unterzeichnung Applaus.

Die Erklärung geht auch auf einen Knackpunkt ein: das gemeinsame Abendmahl. Viele Gläubige sehnten sich danach, »die Eucharistie als konkreten Ausdruck der vollen Einheit in einem Mahl zu empfangen«. Änderungen an dem derzeitigen Ausschluss vom Abendmahl der jeweils anderen Konfession werden allerdings nicht formuliert.

Der schwedische Regierungschef Stefan Löfven würdigte den Papstbesuch. »Das hier ist groß, es ist historisch«, sagte der sozialdemokratische Politiker. Die Sicherheitsvorkehrungen für den Besuch waren höher als beim Besuch von US-Präsident Barack Obama im Jahr 2013.

Zunächst traf Franziskus den schwedischen König Carl XVI. Gustaf und Königin Silvia. Auch das Königspaar nahm an dem Gottesdienst in Lund teil. Anschließend wollte sich der Papst auf den Weg zu einer Veranstaltung mit bis zu 10 000 Menschen im benachbarten Malmö aufmachen. Nach einer Messe am Dienstagmorgen fliegt er wieder zurück nach Rom.

Es ist die erste Reise eines Papstes in das skandinavische Land seit 1989. Damals hatte Johannes Paul II. Stockholm besucht. In Schweden mit seinen fast zehn Millionen Einwohnern leben etwa 113 000 Katholiken.

WESTFALEN-BLATT - S.5 - 1.November 2016




Der Papst setzt ein Zeichen der Hoffnung

Leitartikel von Ulrich Windolph - WESTFALEN-BLATT

Papst Franziskus ist und bleibt eine Zumutung – zumindest für die konservativen Kräfte in der katholischen Kirche. Einmal mehr unterstreicht der Pontifex mit seiner Reise ins schwedische Lund sein Talent als Meister des kalkulierten Tabubruchs. Zusammen mit führenden Protestanten gedenkt der Papst dort der Reformation. Das war ein halbes Jahrtausend lang unvorstellbar!

Sehr provokant gesagt: Der oberste Katholik feiert mit den Protestanten die Kirchenspaltung. Mehr noch: Im Interview mit den Jesuitenzeitschriften »Civiltà Cattolica« und »Signum« hat der Papst kürzlich erklärt, dass die Katholiken viel von der lutherischen Tradition lernen könnten. Martin Luther habe einen großen Schritt getan, um das Wort Gottes in die Hände des Volkes zu legen. Nicht nur bei dem deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der mächtigen Glaubenskongregation im Vatikan, dürfte das auf entschiedenen Widerspruch stoßen.

Kein Zweifel: 499 Jahre, nachdem Martin Luther von Wittenberg aus die Erneuerung des Christentums bewirken wollte und am Ende als Resultat vor allem die Trennung der Konfessionen stand, geht das Oberhaupt der katholischen Kirche nicht nur symbolisch auf die evangelische Kirche zu. Das ist weit mehr als eine Geste von Papst Franziskus – das ist ein historischer Schritt.

Martin Junge, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, übertreibt deshalb keineswegs, wenn er sagt: »Das ist ein großartiges Zeichen, das hat uns unheimlich Mut gemacht, auch im Hinblick auf den weiteren ökumenischen Weg, den wir vor uns haben.«

Zugleich müssen alle wissen, dass dieser Weg weit ist und steinig bleibt. Oft wird vergessen, dass der Prozess der Annäherung zwischen Katholiken und Protestanten erst Anfang des 20. Jahrhunderts begann und dass ein Dialog zwischen Katholiken und Lutheranern im Sinne der Ökumene sogar erst seit 50 Jahren geführt wird.

Trotz der neuen Zeichen der Hoffnung, die Franziskus setzt, sollten die Erwartungen an rasche und weitreichende Fortschritte in der Ökumene besser nicht in den Himmel wachsen. In theologischen Fragen gibt es noch immer erhebliche Hürden zwischen Katholiken und Protestanten. Beide Kirchen mögen mit einer Stimme sprechen, wenn es um Fragen von Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit in der Welt geht, beim gemeinsamen Abendmahl sieht die Sache aber etwas anders aus.

Tiefgreifende Reformen lassen sich eben selten im Eiltempo durchsetzen, wenn das Einvernehmen aller Beteiligten mindestens im Grundsatz gewahrt bleiben soll – auch das kann das Beispiel von Martin Luther lehren. Man darf jedoch getrost davon ausgehen, dass Papst Franziskus den Reformator gerade auch in dieser Hinsicht ausgiebig studiert hat.

WESTFALEN-BLATT - S.4 - 1.November 2016

papst & luther - S!NED!|art




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